Diesen Brief haben wir den Staats- und Regierungschef*innen der G20, der Gruppe der wirtschaftlich stärksten und mächtigsten Länder der Welt, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, zukommen lassen. Hier kannst du lesen, was wir gefordert haben:

Sehr geehrte Staats- und Regierungschef*innen der G20,

der diesjährige G20-Prozess wurde durch die geopolitische Lage und insbesondere durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine beeinträchtigt. Dies schmälert jedoch nicht die Verantwortung der G20, zu handeln. Ganz im Gegenteil: 

Die G20 haben die Möglichkeit, einige der drängendsten globalen Herausforderungen zu lösen – sie vertreten die größten Volkswirtschaften, die größten Umweltverschmutzer, die wichtigsten Geber und Anteilseigner der internationalen Finanzinstitutionen und multilateralen Entwicklungsbanken. Zusammen repräsentieren die G20-Mitglieder mehr als 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP), 75 Prozent des internationalen Handels und 60 Prozent der Weltbevölkerung. Lösungen und Fortschritte im Kampf gegen die Klimakrise, Hunger und Armut sind ohne die G20 nicht vorstellbar. 

Wir fordern Sie auf, dieser Verantwortung gerecht zu werden und dafür zu sorgen, dass die G20 auch in der aktuellen Lage handlungsfähig bleibt. Viel hängt von den Ergebnissen ab, die die G20 als Ganzes oder zumindest eine Untergruppe ihrer Mitglieder erzielen kann, insbesondere bei Themen, die unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf die Ärmsten haben: Die Klimakrise, Entwicklungsfinanzierung und Ernährungssicherheit. 

Hier sind die wichtigsten Themenbereiche, in denen die G20 dringend handeln müssen: 

Sonderziehungsrechte

Wir fordern die Regierungen auf, das im letzten Jahr von den G20 vereinbarte Ziel von 100 Milliarden US-Dollar nicht nur zu erreichen, sondern zu übertreffen, indem sie mindestens 30 Prozent ihrer neuen SZR (oder einen entsprechenden Betrag in einer anderen Währung) umverteilen. Denn derzeit erhalten die Länder, die eigentlich am meisten Gelder benötigen, um sich gegen die Auswirkungen der multiplen Krisen zu wehren oder anzupassen, am wenigsten. Wenn alle G20-Mitglieder, die bereits SZR zugesagt haben, ihren Anteil auf 30 Prozent erhöhen würden, könnten wir weitere 21,6 Milliarden US-Dollar freisetzen. 

Die Regierungen sollten die multilateralen Entwicklungsbanken in Anspruch nehmen und diese SZR zusätzlich zu den bestehenden Zusagen für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit anrechnen. Zudem fordern wir, dass die G20 eine vollständige Liste der bisher gemachten Zusagen veröffentlicht und alle Regierungen die gemachten Zusagen zügig umsetzen.

Neuverpflichtungen für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit

Angesichts der zahlreichen Krisen, von denen gefährdete Bevölkerungsgruppen auf der ganzen Welt betroffen sind, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die G20-Geberländer ihr langjähriges Versprechen einlösen, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen und sicherstellen, dass die dringend benötigte Unterstützung für die Ukraine und ihre Nachbarländer nicht auf Kosten bestehender Verpflichtungen geht. Dadurch kann gewährleistet werden, dass viele Organisationen, die sich mit den Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen, die Mittel erhalten, die sie benötigen.

Reform der multilateralen Entwicklungsbanken

Achtung, jetzt wird's etwas knifflig: Die G20 sollte die im Bericht zur Überprüfung des Kapitaladäquanzrahmens der multilateralen Entwicklungsbanken (Capital Adequacy Frameworks, CAF) dargelegten Reformvorschläge unterstützen und einen Fahrplan für deren Umsetzung veröffentlichen. Dies könnte neue Kredite der multilateralen Entwicklungsbanken in Höhe von 500 Milliarden US-Dollar oder mehr freisetzen. Mit diesen Mitteln können multilateral Organisationen wichtige Programme und Projekte im Kampf gegen Armut umsetzen. Bis zur nächsten G20-Finanzminister*innen-Tagung im Februar 2023 sollten in diesem Bereich Fortschritte erzielt werden.

Schuldenerlass

Mehr als 55 Prozent der einkommensschwachen Länder sind verschuldet oder hochgradig gefährdet. Ohne dringende Maßnahmen der G20 droht eine Verschärfung der Schuldenkrise mit mehr Zahlungsausfällen. Die G20 sollte prüfen, wie das gemeinsame Rahmenwerk für eine Schuldenbehandlung (Common Framework), das 2020 verabschiedet wurde, um dem entgegenzuwirken, verbessert werden kann. Beispielsweise durch die frühere Einbeziehung privater Gläubiger, die Erhöhung der Transparenz des aktuellen (öffentlichen und privaten) Schuldenstands und des Prozesses sowie die Gewährleistung einer größeren Vorhersehbarkeit für Länder, die eine Schuldenbehandlung beantragen. 

Klimafinanzierung

Die reichen Länder haben 2009 versprochen, bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen. Derzeit besteht eine Lücke von 16,7 Milliarden US-Dollar, die sie unverzüglich schließen sollten. Diese Mittel müssen neu und zusätzlich zur öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden, wobei Zuschüsse Vorrang zu Darlehen haben sollten, um die Schulden nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. 

Die G20-Geberländer sollten auch die auf der COP26 eingegangene Verpflichtung einhalten, die Mittel für die Anpassung an die Klimakrise bis 2025 zu verdoppeln. 

Verluste und Schäden

Die G20 muss sich auf die Einrichtung einer Fazilität zur Finanzierung von Schäden und Verlusten einigen. Diese muss mit Finanzmitteln in Form von Zuschüssen mit direkten Zugangsmodalitäten ausgestattet werden, die schnell und in großem Umfang an die von der Klimakrise und extremen Wetterereignissen betroffenen Communities ausgezahlt werden.

Ausstieg aus fossilen Brennstoffen

Die G20 sollten konkrete Pläne zur schrittweisen Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 oder früher verabschieden und diese Mittel in saubere, gerechte und nachhaltige Energie sowie in die Wiederherstellung der Umwelt investieren. Die G20 sollten sich auch zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, einschließlich Gas, verpflichten und sich auf einen vollständigen Kohleausstieg bis 2030 einigen, als wichtigen Schritt in Richtung Netto-Null.

Ernährungssicherheit

Wir sind weit davon entfernt, die 33 Milliarden US-Dollar aufzubringen, die dringend benötigt werden, um die 50 Millionen Menschen in 45 Ländern zu unterstützen, die von Hunger bedroht sind. 

Die G20 muss sich sowohl für die Finanzierung von Sofortmaßnahmen in den von Hungersnöten bedrohten Gebieten einsetzen als auch langfristige Investitionen zur Vermeidung künftiger Nahrungsmittelkrisen gewährleisten. Die Regierungen sollten sich auch für die Offenhaltung der Märkte einsetzen und sich gegen ungerechtfertigte restriktive Maßnahmen für Lebensmittel- und Agrarexporte wehren. 

Zivilgesellschaftliche Räume

Da der zivilgesellschaftliche Raum in vielen Ländern der Welt schrumpft, sollten die G20 ein Zeichen setzen und dessen Bedeutung anerkennen und eine vollwertige Arbeitsgruppe für den zivilgesellschaftlichen Raum einrichten.

Wir zählen auf die Führung der G20 und erwarten, dass die oben genannten Punkte auf der Tagesordnung des G20-Gipfels stehen werden.

Global Citizen und E3G 

Advocacy

Gerechtigkeit fordern

G20: Handelt JETZT, um den Hunger zu bekämpfen, die Klimakrise zu stoppen & extreme Armut zu beenden