Die PubertĂ€t. Eine Zeit intensiver VerĂ€nderungen. Einige freuen sich darauf, andere sehen der Zeit eher skeptisch entgegen, wieder andere kĂŒmmert es herzlich wenig.

FĂŒr rund 3,8 Millionen MĂ€dchen auf der ganzen Welt beginnt mit der Zeit der PubertĂ€t allerdings eine VerĂ€nderung, die all zu hĂ€ufig mit Angst und starken Schmerzen einhergeht. Denn dann beginnt fĂŒr sie eine Prozedur namens "BrustbĂŒgeln".

Beim "BrustbĂŒgeln" werden die heranwachsenden BrĂŒste von jungen MĂ€dchen mit erhitzten GegenstĂ€nden wie Steinen, Spateln aber auch Mörsern oder Holzlöffeln heftig massiert, gerieben und eingedrĂŒckt. Mit dieser "BĂŒgelmethode" soll verhindert werden, dass die BrĂŒste sich entwickeln und die MĂ€dchen somit sexuell attraktiv werden. AusgefĂŒhrt wird die Prozedur hĂ€ufig von den MĂŒttern der MĂ€dchen.   

Die Praktik wird auch als "Brustabflachung" oder "Brustwalzen" bezeichnet, wie das Online-Portal Newsweek berichtet. Um zu verhindern, dass die BrĂŒste der MĂ€dchen wachsen, wickeln einige MĂŒtter zudem enge Bandagen um die BrĂŒste ihrer Töchter.

"BrustbĂŒgeln" hat sich Ă€hnlich wie die weibliche GenitalverstĂŒmmelung zu einer Praktik entwickelt, die angeblich nur "das Beste" fĂŒr die MĂ€dchen im Sinn hat. Der Gedanke hinter dieser Prozedur: BrĂŒste sind "sexuell aufreizend" und MĂ€dchen mit BrĂŒsten seien hĂ€ufiger sexueller BelĂ€stigung und Vergewaltigung ausgesetzt.   

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"BrustbĂŒgeln" lĂ€sst sich im Tschad, Guinea-Bissau, Togo und Benin finden, wird allerdings am hĂ€ufigsten in Kamerun praktiziert, wo fast ein Viertel aller MĂ€dchen und Frauen ihre BrĂŒste ab der PubertĂ€t "gebĂŒgelt" bekommen. Auch wenn LĂ€ndergrenzen kein wirkliches Hindernis darstellen: Wie die Zeitschrift "The Week" zu berichten weiß, mussten sich in Großbritannien in der Vergangenheit rund 1000 MĂ€dchen mit westafrikanischer Abstammung dem "BrustbĂŒgeln" unterziehen.

Neben dem Trugschluss, dass es die Schuld der BrĂŒste von MĂ€dchen sei, die zu BelĂ€stigung und Übergriffen fĂŒhren, hat die Praktik psychische und emotional traumatische Auswirkungen auf die MĂ€dchen.

„Jeden Morgen, bevor ich zur Schule gehe, zwingt meine Mutter mich, mein Oberteil hochzuheben, damit sie kontrollieren kann, dass ich meine Bandage nicht abgenommen habe", erzĂ€hlte ein 14-jĂ€hriges MĂ€dchen aus Kamerun dem französischen Fotografen Gildas ParĂ©, der mit seinem Projekt "Plastic Surgery Dream" den Opfern dieser Praktik eine Stimme geben will. „Seit zwei Jahren geht das nun schon so und sie ĂŒberprĂŒft es immer noch tĂ€glich. Es ist erniedrigend. Ich wĂŒnschte, meine Mutter wĂŒrde damit aufhören.", erzĂ€hlt die 14-JĂ€hrige weiter.

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Das "BrustbĂŒgeln" ist schmerzhaft und fĂŒhrt hĂ€ufig dazu, dass sich die MĂ€dchen fĂŒr ihren Körper schĂ€men. Und letztendlich ist "BrustbĂŒgeln" völlig unwirksam, da es die Entwicklung der BrĂŒste nicht stoppt.

In den meisten FĂ€llen wird das "BrustbĂŒgeln" von MĂŒttern an ihren Töchtern durchgefĂŒhrt, aber auch nahe weibliche Verwandte legen Hand bei jungen MĂ€dchen in der Familie an. In einigen FĂ€llen allerdings haben MĂ€dchen auch ihre eigenen BrĂŒste "gebĂŒgelt", wie Newsweek berichtet. Der Scham, der den MĂ€dchen ĂŒber die Entwicklung ihres Körpers wĂ€hrend der PubertĂ€t eingetrichtert wird, kann dazu fĂŒhren, aber auch die Absicht, der eigenen Mutter gefallen zu wollen.   

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Die erhitzten Werkzeuge, die dabei zum Einsatz kommen, hinterlassen oft Narben und entstehende Wunden machen MĂ€dchen anfĂ€lliger fĂŒr Infektionen. Auch im spĂ€teren Leben kann es zu Komplikationen kommen. So berichten einige Frauen, deren BrĂŒste in der PubertĂ€t "gebĂŒgelt" wurden, dass sie spĂ€ter Schwierigkeiten hatten, Milch zu produzieren, um so ihre Kinder zu stillen.

Mit dem "BrustbĂŒgeln" hoffen MĂŒtter in Kamerun, ihre Töchter fĂŒr MĂ€nner weniger sexuell attraktiv zu machen, um so eine frĂŒhe Heirat und Schwangerschaft zu vermeiden und die MĂ€dchen lĂ€nger in der Schule zu halten. Und auch wenn die Praktik nicht funktioniert und schmerzhaft ist, sind die Ängste der MĂŒtter vor einer Vergewaltigung und verfrĂŒhten Schwangerschaft nicht unbegrĂŒndet.

Laut UNICEF sind 38% aller MĂ€dchen in Kamerun an ihrem 18. Geburtstag bereits verheiratet. Mehr als ein Viertel der heranwachsenden MĂ€dchen haben bereits ein Kind zur Welt gebracht und 20% von ihnen brechen aufgrund der Schwangerschaft die Schule ab, berichtete der Cameron Medical Council.

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„Als meine BrĂŒste zu wachsen begannen, fing meine Famillie an, darĂŒber zu reden", erzĂ€hlt eine heute 28-jĂ€hrige kamerunische Frau gegenĂŒber ParĂ©. „Schließlich beschloss meine Mutter, meine BrĂŒste zu bĂŒgeln. ‘Wenn wir sie nicht bĂŒgeln, werden sie MĂ€nner anziehen. Und wir wissen, dass MĂ€nner Schwangerschaft bedeutet’, sagte sie zu mir... ich nehme an, sie meinte es gut."

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So gut gemeint die Absichten der MĂŒtter auch sein mögen, "BrustbĂŒgeln" löst nicht das tatsĂ€chliche Problem: allgegenwĂ€rtige Gewalt gegenĂŒber MĂ€dchen und Frauen sowie mangelnde Gleichberechtigung der Geschlechter.

Die Tatsache, dass diese MĂŒtter davon ĂŒberzeugt sind, dass sie ihre Töchter unattraktiv machen mĂŒssen um sie so zu beschĂŒtzen, beweist, welch langen Weg das Land in puncto Gleichberechtigung der Geschlechter noch zu gehen hat. Denn was langfristig wirklich gebraucht wird, ist flĂ€chendeckende AufklĂ€rung und das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass der Körper und die Entscheidung einer Frau respektiert werden muss und jeder, der dagegen verstĂ¶ĂŸt, mit harten Konsequenzen zu rechnen hat.

Einige Frauen, die in ihrer Jugend das "BrustbĂŒgeln" ertragen mussten, haben es sich inzwischen zur Aufgabe gemacht, Frauen, vor allem MĂŒtter, in Kamerun ĂŒber die schĂ€dlichen Auswirkungen dieser Praktik aufzuklĂ€ren und davon zu ĂŒberzeugen, damit aufzuhören. Ein wichtiger Anfang, wie die Organisation ‘Gender Empowerment and Development (GeED)’ zu berichten weiß.

Global Citizen macht sich mit seinen Kampagnen dafĂŒr stark, dass MĂ€dchen und Frauen weltweit vor allen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt geschĂŒtzt und als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt werden. Du kannst Teil dieser wichtigen Arbeit werden, in dem du hier aktiv wirst.

Explainer

Gerechtigkeit fordern

Der schreckliche Grund, warum MĂŒtter ihren Töchtern das “BrustbĂŒgeln” antun

Ein Beitrag von Daniele Selby  und  Julie Ngalle