UPDATE November 2017: Dieser Artikel wurde zum ersten Mal im März 2016 veröffentlicht. Seitdem gab es einige hoffnungsvolle Fortschritte in Bezug auf Gesetzesänderungen in Tansania, Malta, Pakistan und Saudi Arabien. Diese sind entsprechend im Artikel unter 'Updates' gekennzeichnet und mit entsprechenden Informationen versehen.


Wir schreiben das Jahr 2016. Kühlschränke können alleine einkaufen, Menschen mit Haustieren skypen, nahezu alles kann per Mausklick bestellt werden und die Menschheit hat Einsteins Relativitätstheorie nachgewiesen.

Und trotzdem haben wir es immer noch nicht geschafft, dass weltweit Männer und Frauen vor dem Gesetz gleich behandelt. Ganz im Gegenteil - es gibt immer noch zahlreiche Gesetze, die es schlichtweg gefährlich machen, in unserer Zeit und auf unserem Planeten als Frau zu leben.

Folgende Auflistung zehn diskriminierender Gesetze aus verschiedenen Ländern beweisen, dass wir noch einen langen Weg zu gehen haben:

1) Eine Frau muss ihrem Ehemann zu 'uneingeschränktem Geschlechtsverkehr' zur Verfügung stehen, sobald sie hierfür alt genug ist

Image: Flickr: Andy Smith

In manchen Teilen dieser Erde heißt “Nein” leider nicht “Nein”. In Singapur und Indien zum Beispiel ist innerhalb der Ehe ein 'nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr' (wenn also die Frau 'nein' sagt) keine Straftat und wird nicht als Vergewaltigung angesehen, so lange die Ehefrau ein gewisses Alter erreicht hat: 15 Jahre in Indien und gerade einmal 13 in Singapur! Im Jemen, wo Kinderehen weit verbreitet sind, gibt es sogar gar kein Mindestalter.  

2) Ein 15-jähriges Mädchen kann jeden Mann über 18 Jahren heiraten

Image: Pixabay

Das in Tansania im Jahre 1971 erlassene Ehegesetz schreibt Jungen wie Mädchen ein Mindestalter für die Ehe vor. Für Jungen liegt das bei 18 Jahren. Mädchen hingegen können - mit dem Einverständnis der Eltern - bereits mit 15 Jahren verheiratet werden.

Vor kurzem wurde mitten in New York ein Stunt hingelegt: ein deutlich älterer Mann schoss mit seiner 12-jährigen Braut Hochzeitsfotos auf dem Times Square. Die Empörung, die durch den Anblick einer Kinderbraut mitten in New York City ausgelöst wurde, sollte stellvertretend für die Realität gesehen werden, in welcher Millionen von jungen Mädchen auf der ganzen Welt eine Kinderehe eingehen (müssen). Ein kleiner Lichtblick: in Tansania scheint langsam ein Umdenken stattzufinden. Die Jugendorganisation Youth for Change setzt sich dafür ein, das Mindestalter für Ehen in allen Fällen auf 18 Jahre anzuheben, um so eine fairere Zukunft für alle Kinder - egal welchen Geschlechts - zu schaffen.

UPDATE: Im Juli 2016 hat Tansania einen wichtigen Schritt zur Eliminierung von Kinderheirat unternommen. So drohen ab sofort jedem Mann, der ein Mädchen im schulfähigen Alter heiratet oder aber schwängert bis zu 30 Jahre Gefängnisstrafe. Leider verbleiben einige Schlupflöcher im Gesetz: und zwar können Mädchen ab 15 Jahren mit ausdrücklicher elterlicher Zustimmung bzw. mit 14 Jahren unter gerichtlicher Anordnung immer noch verheiratet werden, wenn 'besondere Umstände' vorliegen. Diese Umstände sind nicht exakt festgelegt. 

3) In Puncto Staatsangehörigkeit sind Frauen in Ländern wie Jordanien, dem Libanon oder Monaco Menschen zweiter Klasse

Image: Flickr: UK Department for International Development


Viele Gesetze, welche die Staatsangehörigkeit von Menschen regeln, sind nach wie vor frauenfeindlich. In Jordanien und im Libanon muss ein Kind einen jordanischen oder libanesischen Vater haben, um automatisch die Staatsbürgerschaft dieser Länder zu erhalten. Die Staatsangehörigkeit der Mutter spielt dabei keine Rolle und wird nicht automatisch auf das Kind übertragen. Falls also eine jordanische Mutter mit einem Ausländer verheiratet ist, haben ihre Kinder nicht das Recht, jordanische Staatsbürger zu werden. Dementsprechend wird den Kindern häufig das Recht auf Zugang zu vielen Staatsdiensten wie zum Beispiel dem Gesundheits- oder Bildungssystem verwehrt.

4) Wird auf Malta jemand entführt und entscheidet sich das Opfer dazu, den Entführer zu heiraten, wandert der Entführer dafür nicht ins Gefängnis

Image: Wikimedia Commons

Ja, richtig gehört. Ein Entführer kann auf Malta, einem beliebten Urlaubsziel für viele Europäer, einer Strafe entgehen, wenn es ihm gelingt, sein Opfer davon zu überzeugen, ihn zu heiraten. In dem Gesetz heißt es: Wenn der Straftäter, nachdem er eine Person entführt hat, mit jener Person die Ehe eingeht, wird er nicht strafrechtlich verfolgt, außer es liegt eine Klage der Partei vor, deren Einwilligung zur Eheschließung, laut bürgerlichem Recht, benötigt wird. Obwohl diese Ausnahme sehr selten ihre Anwendung findet, zeigt es dennoch, wie häufig viele Gesetze zu Gunsten des Angreifers entscheiden. Malta steht hier übrigens nicht allein. Im Libanon können Männer von einer strafrechtlichen Verfolgung befreit werden, wenn sie ihr Opfer nach einer Vergewaltigung oder Entführung gleich heiraten.

UPDATE: Auf einer Veranstaltung, die von Global Citizen und CHIME FOR CHANGE im März 2016 gemeinsam gehalten wurde, verpflichtete sich die maltesische Regierung dazu, das Gesetz aufzuheben und die sexistische Klausel aus ihrem Strafgesetzbuch zu streichen.

5) Ein Ehemann darf seine Frau schlagen, solange er dadurch 'keine schwerwiegenden Schäden' verursacht

Image: Lindsay Mgbor / DFID

Gesetze, die es Männern erlauben, Gewalt an Frauen in der Ehe auszuüben, bestärken die anhaltende Meinung, eine Frau sei 'Eigentum' des Ehemanns und unterliege somit dessen Willen. Insgesamt gibt es noch immer 46 Länder auf der Erde, in denen Frauen durch keinerlei Rechtsschutz vor häuslicher Gewalt bewahrt werden. In Nigeria ist es Ehemännern sogar erlaubt, ihre Frauen zum 'Zwecke der Züchtigung und Maßregelung' zu schlagen, solange er dadurch 'keine schwerwiegenden bleibenden Schäden verursacht'.

6)  In Chile, Tunesien und Großbritannien erhält ein Mann im Erbfall mehr als eine Frau

Image: Wikimedia Commons

Ein tunesisches Gesetz aus dem Jahr 1956 schreibt vor, dass dort wo Söhne vorkommen, der Mann das doppelte als die Frau erbt, ganz so, als ob das Leben des Mannes zweimal so wertvoll sei als das der Frau. Diese Form der Diskriminierung begegnen einem im Erbrecht sowohl in fernen Ländern als auch vor der Haustür. Auch wenn die Briten derzeit darum bemüht sind, das Prinzip des Erstgeborenen aufzuheben. Das Prinzip besagt, dass das Familienanwesen im Todesfall an den ältesten Sohn übergeben wird, völlig gleich, wie viele Töchter zuerst geboren wurden. Ebenso ist es gerade mal gut vier Jahre her, dass man auf der Insel im Jahr 2012 die Thronfolge änderte, die sich nun an das erstgeborene Kind(!) richtet, egal welchen Geschlechts. Es ist schon eine traurige Tatsache, dass das einzige, was arm und reich verbindet, die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zu sein scheint.

7) In Kamerun kann ein Mann seine Frau daran hindern, einem Job nachzugehen

Image: Lindsay Mgbor / DFID


Kamerun ist eines von 18 Ländern, in dem ein Mann seine Frau daran hindern kann, eine Arbeitsbeschäftigung aufzunehmen, wenn er davon überzeugt ist, dass dies nicht dem allgemeinen Wohl der Familie zugute kommt. So ein Gesetz ist nicht nur diskriminierend, sondern erschwert es Frauen ohne unabhängigem Einkommen dem Armutskreislauf zu entkommen.

8) Frauen in Saudi Arabien dürfen auch heute noch kein Auto fahren

Image: Joelle Hatem/ Flickr

Eine 1990 erlassene Fatwa macht Saudi Arabien zum einzigen Staat auf der Welt, in welchem es Frauen verboten ist, Auto zu fahren. Dies ist kein offizielles Gesetz. Eine Fatwa ist ein Gutachten bzw. eine Erklärung eines islamischen Gelehrten zu einer Fragestellung, die ihn vorgelegt wurde, um häufig ein Verbot darüber auszusprechen. Auch wenn es also kein Gesetz ist, besitzen Fatwas dennoch Autoritätsrecht und verhängen so strikte Vorschriften, wie sich Frauen in der Öffentlichkeit zu verhalten haben. Trotz der wiederholten Versuche unerschrockener Frauen, die sich nicht davor gescheut haben, sich hinter das Steuer zu setzen (und zum Teil kurze Strecken zu fahren), ist die Fatwa bis heute noch immer in Kraft.


Saudi Arabiens jüngster Fortschritt in Sachen Frauenrechte darf jedoch Grund zur Hoffnung geben: Frauen in Saudi Arabien wurde es im letzten Jahr zum ersten Mal gestattet, in Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben. Dadurch konnten 19 Frauen in städtischen Behörden einen Platz für sich erzielen. Ein wahrer Meilenstein in der Geschichte des Landes! Nichtsdestotrotz gibt es auch jetzt noch zu viele Dinge, die den saudischen Frauen in ihrer Heimat verwehrt bleiben, wie zum Beispiel das Recht auf Bewegungsfreiheit.

UPDATE: Am 26. September 2017 hat die Regierung Saudi Arabiens beschlossen, das Gesetz zu ändern und Frauen ab sofort das Autofahren zu erlauben. Hier könnt ihr mehr erfahren

9) Vor dem Gericht ist die Aussage eines Mannes als vertrauenswürdiger einzustufen als die einer Frau

Image: Vicki Francis/ DFID

Gleichgerechtigkeit vor dem Gericht kann niemals erreicht werden, wenn die Stimme einer Frau in einem Verfahren weniger wert ist als die eines Mannes. Trotzdem wird in Ländern wie Pakistan der Aussage einer Frau nicht das gleiche Gewicht beigemessen. Für bestimmte Vergehen braucht es im Iran die Aussage zweier Frauen gegenüber nur einer Aussage eines Mannes, womit der Beweis einer Frau als halb so wichtig eingestuft wird wie der Beweis eines Mannes.

10) 'Ehrenmorde' sind in Ägypten und Syrien weniger schwere Vergehen als 'normale' Morde

Image: Blupela

Die Vergeltung für einen Mord an einer Frau, die Schande über ihre Familie gebracht haben soll, fällt in Ägypten und Syrien weniger stark aus als die Strafe für jede andere Form von Mord. Nach syrischem Recht soll derjenige, der seine Frau, Schwester, Mutter oder Tochter beim unehelichem Geschlechtsverkehr überrascht und im Zuge dessen beide dabei unabsichtlich verletzt oder tötet, eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verbüßen. Die Strafe für jeglichen anderen Mord ist jedoch 20 Jahre Zwangsarbeit. Das soll die Bestrafung durch Zwangsarbeit nicht als menschenwürdige Form der Bestrafung gutheißen, sondern nur die Realität vor Augen führen, wie mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn es zu Gewalt an Frauen kommt.

Veränderungen schritten in den letzten Jahren nur langsam voran, doch es gibt erste zaghafte Zeichen eines Wandels: Pakistan hat erst kürzlich jegliche Form von Gewalt gegen Frauen als kriminell eingestuft. Und nachdem die Filmemacherin Sharmeen Obaid-Chinoy einen Oskar für ihren Film über Ehrenmorde gewinnen konnte, der die Aufmerksamkeit auf dieses Thema richtete, hat Pakistans Premierminister öffentlich verkündet, den grausamen Brauch endgültig zu beenden.

Update: In einem lange herbeigesehnten Sieg für die Rechte von Frauen hat Pakistan ein Gesetz verabschiedet, das besagt, dass den Verurteilten von "Ehrenmorden" eine Zwangsstrafe von 25 Jahren Haft droht. Der tragische Mord an dem Social-Media Star Qandeel Baloch im Juli 2016 brachte internationale Empörung mit sich und regte eine nationale Debatte über 'Ehrenmorde' an. Mehr als 31.000 Global Citizens engagierten sich an der weltweiten Bewegung und in Zusammenarbeit mit Equality Now, CHIME FOR CHANGE sowie der Oscar-Preisträgerin und Filmemacherin Sharmeen Obaid-Chinoy unterstützte Global Citizen die Gegen-Ehrenmorde Bewegung, bis im Oktober 2016 die neue Gesetzesänderung verabschiedet wurde.


Gesetzliche Ungerechtigkeiten aufgrund des Geschlechts gehören zu den größten Hindernissen bei der Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen. Und das Problem ist leider weit verbreitet: streng genommen haben 90% aller Länder mindestens ein Gesetz, welches die Rechte oder Möglichkeiten von Frauen einschränkt. Diese Gesetze haben keinen Platz mehr im 21. Jahrhundert. Sie verweigern Frauen die ökonomischen, politischen und sozialen Möglichkeiten, die sie brauchen, um ihr gesamtes Potential an Fähigkeiten auszuschöpfen. Solch etablierte Ungerechtigkeit muss so schnell wie möglich bekämpft werden, egal ob dies nun durch eine Kampfansage gegenüber Kinderehen, Ehrenmorden oder dem bisher eingeschränkten Recht der Frau über ihre eigene (berufliche) Entscheidung geschieht.


*Für eine ausführliche, weltweite Liste an diskriminierenden Gesetzen gegenüber Frauen gibt es mehr Informationen im 'Equality Now's Ending Sex Discrimination in the Law.' Report. 

Explainer

Gerechtigkeit fordern

10 völlig absurde, frauenverachtende Gesetze, die auch heute noch existieren

Ein Beitrag von Yosola Olorunshola