Ballet gibt es schon seit dem 15. Jahrhundert - der Tanz wird also nicht ohne Grund als ‘klassischer Tanz’ bezeichnet. Das heißt aber nicht, dass er in alten Traditionen feststecken muss, so wie die 15-jährige Stephanie Kurlow aus Australien der Welt beweist.

Kurlow wuchs in Sydney auf. Mit zwei Jahren fing sie an zu tanzen und träumte davon, eines Tages eine Primaballerina zu sein. 2010 hörte sie dann allerdings mit dem Tanzen auf, weil ihre Familie zum Islam konvertierte. Das rückte ihren Traum in weite Ferne, weil sie keine Ballettschule finden konnte, die sie mit einem Hidschab tanzen lassen wollte. Für Kurlow war ihr Traum wie eine Seifenblase zerplatzt.

„Ich hatte leider keine Vorbilder, die wie ich aussahen. Ich hatte niemanden, der mir sagen konnte: ‘So war das bei mir und das hab ich getan, um hierher zu kommen’“, sagt Kurlow gegenüber dem australischen Nachrichtensender SBS.

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Doch so einfach wollte Kurlow nicht aufgeben. Durch das Internet fand sie immer mehr Vorbilder, zu denen sie aufblicken konnte: Misty Copeland, die erste afroamerikanische Primaballerina zum Beispiel oder die Gewichtheberin Amna Al Haddad aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wie die beiden wollte auch Kurlow für ihren Traum kämpfen.

Im Internet startete sie eine Crowdfunding-Kampagne, um sich ihre Ballett-Ausbildung selbst zu finanzieren. Kurz darauf hörten auch die australischen Nachrichtensender von Kurlows Geschichte. Durch die Berichterstattung wurde auch der schwedische Sportartikelhersteller Björn Borg auf das Mädchen, das unbedingt tanzen wollte, aufmerksam. Das schwedische Unternehmen war so von Kurlows Geschichte gerührt, dass sie ihr das erste ‘Game Changer’-Stipendium gaben, das Bjärn Borg jemals vergeben hat. Damit sollten Menschen unterstützt werden, die die Welt zu einem besseren Ort machen. Das Stipendium im Wert von 8.400 Australischen Dollars (etwa 5.600 Euro) soll die Kosten für ein Jahr professioneller Ballettausbildung für Kurlow decken.

„Die Geschichte von Stephanie Kurlow hat uns wirklich inspiriert“, sagt Jonas Lindberg Nyvang, der Marketingdirektor von Björn Borg. „Den Mut, den sie aufbringt, um für ihren Traum vom Balletttanzen einzustehen, ist sagenhaft.“

Aber nicht jeder stand hinter Kurlows Traum so wie es Björn Borg jetzt tut.

„Sie ist noch sehr jung, aber sie musste schon jetzt einem enormen Druck von Radikalen aus der muslimischen Gemeinde und anderen Rechten standhalten”, sagt Silma Ihram, Präsidentin der australisch-muslimischen Frauenvereinigung und Freundin der Familie. Obwohl manche Muslime dem Tanzen völlig negativ gegenüberstehen, sieht Ihram kein Problem darin, wenn Kurlow ihren Traum verfolgt. „Ich finde, dass eine aktive Muslimin, die stolz darauf ist Australierin zu sein, und ihren Traum verfolgen will, ein fantastisches Vorbild für andere ist.”

„Die Leute haben immer irgendetwas negatives zu sagen. Da ist es besser, man konzentriert sich nur auf sich und seinen Traum”, sagt Kurlow. „Ich freue mich wirklich schon auf die Zeit, in der es kein Problem mehr ist, einen Hidschab zu tragen. Ein anderer Glaube oder andere Kleidung sollte einen nicht davon abhalten, seinen Traum zu verfolgen.”

„Stephanie betritt neuen Boden und ich glaube, dass eine Ballerina mit Hidschab sowohl die Meinungen vieler Menschen als auch die von Ballettschulen herausfordern wird. Aber das ist gut so”, sagt David McAllister, Ballett Artistic Director Australiens.

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Der muslimische Autor und Rechtsanwalt Randa Abdel Fattah ist von Kurlow begeistert: „Sie ist auf so vielen Ebenen eine wahre Inspiration. Und es geht hier nicht mehr nur um eine Geschichte über eine Muslimin. Es geht um jemanden, der entgegen allen Erwartungen seinen Traum in die Wirklichkeit umsetzt.”

Zwar war es für Kurlow nach ihrer dreijährigen Pause hart, wieder mit dem Tanzen anzufangen, aber sie ist der Meinung, dass man „mit harter Arbeit und Ausdauer alles schaffen kann”. „Wenn man etwas liebt, dann kann man alles erreichen.”

Die Tänzerin bereitet sich gerade auf ein Vortanzen bei einer professionellen Tanzakademie vor, deren Ausbildung ihr hoffentlich ermöglicht, die ganze Welt zu bereisen. Ihr Langzeitziel aber ist es, eines Tages ihre eigene Akademie für Ballett und darstellende Künste zu eröffnen - eine Akademie für alle Menschen, egal welche Hautfarbe man hat oder welcher Religion man angehört.”

„Wir müssen endlich verstehen, dass anders zu sein etwas ist, worauf man stolz sein sollte”, sagt Kurlow. „Die Kunst bleibt nie stehen, sondern entwickelt sich immer weiter und viele unterschiedliche Ballerinas zu haben macht die Welt nur noch wundervoller.”

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Ein Beitrag von Sarah Wood