Die aktuelle Bundesregierung hatte einen denkbar schweren Start. Die Koalition aus SPD, FDP, und Die Grünen hatte nicht nur mit den Folgen der Pandemie und der sich verschärfenden Klimakrise zu kämpfen, sondern kurz nach ihrem Amtsantritt auch mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Energieknappheit, Inflation, und Lieferengpässe bei wichtigen Rohstoffen waren die Folge. 

Die Bundesregierung stand damit einer Reihe von Problemen gegenüber – und erntete zugleich viel Kritik. Denn es gab zu viele Streitereien zwischen den Koalitionspartnern, zu wenig Klimaschutz, ausufernde Debatten um die Schuldenbremse, das Heizungsgesetz und vieles mehr. 

Das Ansehen der Regierung hatte zur Halbzeit der Legislaturperiode im September einen Tiefpunkt erreicht. 

Doch ist die Regierung wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Was hat die Ampelkoalition bisher tatsächlich erreicht? Wir haben uns die Ergebnisse mal angeschaut – vor allem mit Blick auf Klimaschutz, Gleichberechtigung, humanitäre Hilfe und Entwicklungspolitik. 

Wie ist die Zwischenbilanz der aktuellen Regierung insgesamt im Vergleich zu ihrer Vorgängerin? 

Die positive Nachricht zuerst: In den ersten 20 Monaten ihrer Regierungsarbeit hat die Ampel-Koalition bereits knapp zwei Drittel (64 Prozent) ihres ambitionierten Koalitionsvertrages entweder umgesetzt (38 Prozent) oder mit der Umsetzung begonnen (26 Prozent). Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum. 

Dennoch hat die Regierung von Bundeskanzler Scholz deutlich mehr offene Baustellen als ihre Vorgängerin im gleichen Zeitraum. Das liegt auch daran, dass sie sich deutlich mehr vorgenommen hat, als die alte. 

Zum Vergleich: Die Große Koalition hat 2018 insgesamt 296 Einzelversprechen niedergeschrieben. Die Ampel-Koalition hat 453 konkret vereinbarte Regierungsvorhaben festgelegt – also ganze 157 Vorhaben mehr. 

Dennoch: In absoluten Zahlen hat die jetzige Regierung mit 174 statt 154 erfüllten Versprechen etwas mehr geschafft, als die vorherige, heißt es in der Bertelsmann Studie.

Wie steht es um die Ziele rund um den Klimaschutz? 

Die Ausbauziele für erneuerbare Energien wurden drastisch angehoben und zahlreiche Hindernisse bereits aus dem Weg geräumt. Jedoch bleibt das Versprechen vom „Kanzler für Klimaschutz“, wie Olaf Scholz auf Wahlkampfplakaten warb, nach zwei Jahren im Amt ein uneingelöstes Versprechen, urteilt etwa Greenpeace in einem Bericht. 

Konkret heißt es in dem Koalitionsvertrag: „Wir werden national, in Europa und international unsere Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Pfad ausrichten […] Dabei sichern wir die Freiheit kommender Generationen im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. […] Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen.“

Zur Halbzeit fehlte jedoch eine konsequente Ausrichtung des Regierungshandelns am 1,5-Grad-Ziel.

Nun hat die Bundesregierung anlässlich der COP28 in Dubai konkrete Pläne zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels verkündet und beschloss eine Strategie zur Klimaaußenpolitik. Die Strategie "bündelt die klimapolitischen Ziele und Maßnahmen der verschiedenen Ressorts, definiert Prioritäten und schafft einen Fahrplan für kohärentes Regierungshandeln in der Klimaaußenpolitik", teilten die Bundesministerien für Auswärtiges, Wirtschaft, Umwelt und Entwicklungshilfe mit. 

Nun müssen diesen Worten auch Taten folgen. Während die Strategie ein guter Anfang ist, wurde bei der COP28 zu wenig über konkrete Finanzierungsmaßnahmen gesprochen. Global gesehen liegt der faire Anteil Deutschlands an der Klimafinanzierung bei 8 Milliarden jährlich bis 2025 und sollte erreicht werden. Um das nachvollziehen zu können, braucht es eine transparente, einheitliche und zeitnahe Berichterstattung über die Klimafinanzierung.  

Welche Erfolge wurden bisher rund um humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit erzielt? 

Im Bereich humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gibt es leider wenig Positives zu vermelden. Im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, die Ausgaben für Krisenprävention, Deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit genauso hoch ausfallen zu lassen, wie die Ausgaben für Verteidigung auf Grundlage des Haushaltes 2021. Doch dieses Vorhaben wurde nicht erfüllt. Im Gegenteil: Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine stiegen die Mittel für Verteidigung rasant und wurden von den Geldern für Entwicklungszusammenarbeit vollständig entkoppelt. Ein gebrochenes Versprechen.

Die sogenannte ODA-Quote (kurz für: Official Development Assistance, zu deutsch: öffentliche Entwicklungsleistungen) soll bei mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) liegen. Das bedeutet: Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, 0,7 Prozent des BNEs für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Dieses Ziel haben die wohlhabenden Staaten bereits vor über 50 Jahren geschlossen – doch nur allzu oft wird es verfehlt. 

Wie seit 2020 hat Deutschland auch im vergangenen Jahr sein 0,7 Prozent Ziel zwar erreicht. Der Grund dafür ist, dass ein Großteil der Gelder im Inland für ukrainische Geflüchtete eingesetzt wurde; 14,75 Milliarden Euro gingen an die Ukraine – das entspricht 7,8 Prozent der ODA-Ausgaben.

Während die Hilfen für Geflüchtete unabdingbar sind, kritisieren Expert*innen seit Jahren, dass Ausgaben für Geflüchtete in Industriestaaten keine Kernaufgabe von Entwicklungszusammenarbeit sind – und deshalb auch nicht als ODA-Ausgaben angerechnet werden sollten. Denn diese Gelder werden nicht genutzt, um die Entwicklung in ärmeren Ländern voranzutreiben oder die Bevölkerung vor Ort nachhaltig zu unterstützen.

Während die ODA Ausgaben im Jahr 2022 für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen um ganze 53 Prozent stiegen, sanken die Ausgaben für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Dennoch gelang es zumindest, die versprochenen 0,2 Prozent des BNE für die ärmsten Länder des Globalen Südens einzusetzen.

Insgesamt fielen die Zusagen rund um Entwicklungszusammenarbeit aber ohnehin dünn aus: Nur vier der insgesamt 453 Versprechen aus dem Koalitionsvertrag beziehen sich auf das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 

Außerdem sind die geplanten Haushaltskürzungen im kommenden Jahr für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe besorgniserregend. Waren für 2023 noch 12,16 Milliarden Euro eingeplant, sind dem Entwurf des Bundeshaushalts vom Sommer dieses Jahres zufolge nur noch 11,52 Milliarden Euro im Jahr 2024 eingeplant. Im Hinblick auf die andauernde Haushaltskrise nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möchte die Koalition den Haushalt des Entwicklungsministeriums für 2024 um weitere 400 Millionen Euro verkleinern. In den Folgejahren sind weitere Kürzungen geplant.

Welche Maßnahmen braucht es, um mehr für die globale Gesundheit zu tun?

Zur Bekämpfung von Polio und anderen Infektionskrankheiten weltweit sind die Impfallianz Gavi und die GPEI (Global Polio Eradication Initiative) zentrale Partner. Um mehr Planungssicherheit zu gewährleisten, braucht es eine mehrjährige Verpflichtung und stabile Finanzierungen, die bisher nicht gegeben sind. Beispielsweise werden für die Bekämpfung von Polio finanzielle Zusagen nur Jahr für Jahr getätigt, was eine langfristige Planungssicherheit verhindert. 

Welche Fortschritte müssen für die Erreichung von Gleichberechtigung passieren?

Das Außen- und Entwicklungsministerium legten im März 2023 feministische Leitlinien vor. Das Ziel dieser Leitlinien liegt dabei vor allem auf den drei “Rs”: auf den Rechten, der Repräsentanz und Ressourcenausstattung von Frauen und marginalisierten Gruppen.

Die Strategie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die Leitlinien für eine feministische Außenpolitik, die das Auswärtige Amt erarbeitet hat, sind eng aufeinander abgestimmt und ergänzen sich. 

Die Ungleichbehandlung von Frauen durch Außenpolitik zeigt sich in ganz unterschiedlichen Bereichen, etwa der Klimaaußenpolitik. Laut Vereinten Nationen (UN) sind 2021 bis zu 80 Prozent der Menschen, die aufgrund klimabedingter Katastrophen fliehen mussten, Frauen gewesen. Auch in Bezug auf die Wahrung von Frieden und Sicherheit sollen Gesundheits- und Klimapolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit mitgedacht werden. Denn Frauen sind häufig stärker von (Klima-)krisen und Katastrophen betroffen als Männer. All das soll durch die Leitlinien in Zukunft gezielt berücksichtigt werden.

Entscheidend ist nun, dass den Worten nun auch Taten folgen! Das Ziel der Bundesregierung muss umgesetzt werden, über 90 Prozent der deutschen bilateralen Entwicklungsgelder in Maßnahmen zu investieren, die Geschlechtergerechtigkeit mindestens im Nebenziel verfolgen. Zudem muss die deutsche Bundesregierung klar messbare Indikatoren einer feministischen Entwicklungspolitik entwickeln. 

Gleichzeitig braucht es die finanziellen Mittel, um die Ziele tatsächlich zu verfolgen. Die Welt steht derzeit vor großen humanitären Herausforderungen, die sich infolge von Kriegen, Klimakrise und Inflation zugespitzt haben. Deswegen wären Haushaltskürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit fatal und würden auch dazu führen, dass Fortschritte bei der Gleichberechtigung ins Stocken geraten.

Global Citizen Explains

Gerechtigkeit fordern

Halbzeit der Ampelkoalition – Wo stehen wir und wo ist noch Luft nach oben?

Ein Beitrag von Jana Sepehr