So haben Global Citizens und Rihanna dazu beigetragen, dass mehr Kinder zur Schule gehen können

Autor*innen: Jana Sepehr und Camille May

Evan Rogers

Rihanna ist es gewohnt, auf großen Bühnen zu stehen – doch an diesem Tag ist das Publikum ein ganz anderes als sonst. Der Superstar steht an der Tafel einer Grundschule in Malawi. Vor ihr: Dutzende Kinder, die ihre Augen auf Rihanna richten und die Ergebnisse der Matheaufgabe im Chor rufen. Sie sitzen dicht an dicht auf dem kahlen Fußboden. In diesem Klassenraum gibt es keine Stühle und Tische. Eine Lehrerin ist normalerweise dafür zuständig, die rund 100 Kinder zu unterrichten – nur heute haben sie Star-Besuch. 

Draußen vor dem Gebäude sitzt eine weitere Schulklasse unter einem Baum und lernt im Freien rechnen, lesen und schreiben. “Muzu ist eine schöne Schule, aber wir haben auch einige Probleme und Herausforderungen”, sagt Wongani Nyirenda, einer der Schüler.

Im Januar 2017 besuchte Rihanna gemeinsam mit der Globalen Bildungspartnerschaft (Global Partnership for Education, kurz GPE) und Global Citizen die Muzu Grundschule in Malawi. 

Rund 70 Prozent der Bevölkerung in dem ostafrikanischen Land leben in extremer unter Armut (Stand 2016), das heißt von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag. Mehr als ein Drittel der Menschen können weder lesen noch schreiben.

Der Bildungsnotstand in Malawi ist ein großes Problem. Zwischen 70 und 75 Prozent der Kinder hier besuchen eine Grundschule, doch nur acht Prozent machen einen Abschluss an einer weiterführenden Schule (Stand 2016). Doch um Kindern Zukunftsperspektiven zu schaffen und ihnen die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, brauchen sie die Schulbildung. 

“Manchmal esse ich nichts, weil wir Zuhause nichts zu essen haben”, sagt Wongani Nyirenda. “Aber es macht mir nichts aus, wenn ich morgens nichts esse, wenn ich später Unternehmer bin, werde ich genug zu essen haben.”

Bildung weltweit: Das Ziel der Globalen Bildungspartnerschaft 

Damit der Traum von Wongani wahr wird, setzt sich die GPE weltweit für gute Schulbildung ein. Die GPE will Kindern und Jugendlichen in Ländern wie Malawi, Senegal und dem Jemen Zukunftsperspektiven ermöglichen, indem der Zugang zu Bildung und auch die Qualität der Schulen systematisch verbessert wird. 

Das Ziel von GPE ist es, Bildungssysteme so zu stärken, dass sie den Kindern das Lernen erleichtern und gleichzeitig für mehr Chancengleichheit sorgen. So sollen auch  für benachteiligte Gruppen – Mädchen, Kinder mit Behinderung oder von Konflikten betroffene Kinder und Jugendliche – die Chancen auf gute Schulbildung steigen. Die GPE will dafür sorgen, dass das Ziel Nummer 4 der nachhaltigen Entwicklungsziele (Global Goals) der Vereinten Nationen (UN) erreicht wird und jedes Kind auf der Welt Zugang zu einer gerechten, hochwertigen Bildung bekommt. 

“Die GPE ist ein großartiges Instrument, um der globalen Herausforderung, nämlich allen Menschen Bildungsangebote zu ermöglichen, auch global begegnen zu können”, lobt Olaf in der Beek (FDP), Bundestagsabgeordneter und Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche  Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die GPE arbeitet mit Partnern weltweit zusammen, um ihr Vorhaben zu erreichen. Internationale Organisationen wie die UNESCO, UNICEF und die Weltbank, zivilgesellschaftliche Organisationen und der Privatsektor unterstützen die GPE. Zudem gehören 68 Entwicklungsländer, in denen die Organisation aktiv ist und 20 Geberländer – eines davon ist Deutschland – zu den Partnern von GPE. 

“Durch eine höhere Unterstützung der GPE fließt nicht nur mehr Geld in Maßnahmen der Grundbildung, sondern es kommt dadurch auch zu einem echten Wandel in den Empfängerländern”, sagt in der Beek weiter. “Länder, die gemeinsam mit GPE Bildungsmaßnahmen durchführen, müssen auch selbst einen Beitrag für Bildungsausgaben leisten. Das ist wichtig, denn langfristig wollen wir, dass die heutigen Empfängerländer Bildung nicht nur aus eigener Kraft finanzieren können, sondern vor allem auch wollen. GPE zeigt also ganz konkret vor Ort, wie wichtig gute Bildungssysteme für die wirtschaftliche Entwicklung und den Weg aus der Armut sind.”

Damit GPE die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, um Bildung weltweit zu verbessern, setzen wir von Global Citizen uns dafür ein, dass mehr Regierungen einen Beitrag leisten und ihre Investitionen erhöhen. 

Global Citizen und GPE: Der Kampagnenstart in Deutschland

2017 startete die erste Global Citizen Kampagne, adressiert an die deutsche Bundesregierung, um Grundbildung in Entwicklungsländern zu stärken.

“Jahrelang war Deutschlands Beitrag an GPE vergleichsweise niedrig – vor allem gemessen an Deutschlands Gesamtausgaben für Entwicklungszusammenarbeit”, sagt Carolin Albrecht, Deutschlanddirektorin von Global Citizen. Gerade einmal 7 Millionen Euro pro Jahr gab die Bundesrepublik 2016 an GPE. Die erste kleine Erhöhung – nach Jahren der Stagnation – wurde im Herbst 2016 im Parlament beschlossen: Ab 2018 sollten nicht mehr nur 7 Millionen, sondern 9 Millionen Euro pro Jahr an GPE gehen. Doch dieses Geld reichte bei weitem nicht aus. 

"Wie schaffen wir es, Engagement für wichtige Kampagnen, wie zum Beispiel die internationale Bildungskampagne GPE, innerhalb und außerhalb des Parlamentes zu erreichen? Hier wie dort schadet es nicht, wenn prominente Botschafter und Botschafterinnen aus Politik und Gesellschaft kraftvoll für die Sache werben und sich einbringen”, sagt Sonja Steffen, Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für den Etat des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Der Einsatz für höhere Ausgaben für GPE war Teil der Kampagne, die wir im Vorfeld zum G20-Gipfel in Hamburg und zu unserem ersten Global Citizen Festival in Deutschland auf den Weg gebracht haben. 

Schon damals stand fest, dass GPE für Februar 2018 eine Finanzierungskonferenz plante. Unser Ziel war es, Deutschland und andere G20-Staaten dazu zu bringen, die Gelder für GPE zu erhöhen. 

Global Citizen Festival Hamburg: Die ersten Reaktionen der Bundesregierung 

Doch um dieses Ziel zu erreichen, braucht es Geduld und Durchhaltevermögen – und natürlich zahlreiche Global Citizens, die aktiv werden. 

Wir starteten mit einer Petition, die von 100.422 Menschen weltweit unterschrieben wurde. Und ermutigten Global Citizens, an einer E-Mail-Aktion teilzunehmen, um den G20-Sherpas zu sagen, weshalb sie sich stärker für Bildung weltweit einsetzen sollen. Auch via Twitter forderten Global Citizens die Regierungen von Deutschland, Großbritannien und Dänemark dazu auf, mehr Einsatz zu zeigen. All diese Aktionen waren Teil der Kampagne, die im Vorfeld des ersten Global Citizen Festivals in Deutschland stattfand. 

Am 6. Juli 2017 war es dann soweit. Am Vorabend des G20-Gipfels kamen beim Global Citizen Festival unter dem Motto “Pop meets Policy” Musikstars, Politiker*innen und rund 11.000 Global Citizens in Hamburg zusammen, um friedlich für eine bessere Welt einzustehen – und Künstler*innen wie Coldplay, Shakira, Ellie Goulding und Pharrell Williams live zu sehen. 

Doch nicht nur die Auftritte der Stars wurden mit Spannung erwartet, sondern auch die der Politiker*innen. Denn das ist der Moment, zu dem jene Politiker*innen auf die Bühne dürfen, die konkrete finanzielle Zusagen machen und auf die Aufrufe von Global Citizens, die im Vorfeld des Events getätigt wurden, einzugehen. 

Franziska Warner war eine der Global Citizens, die an den Aktionen teilgenommen und sich mit ihrem Einsatz ein Festivalticket verdient hat. “In den Momenten, als ich an einer Petition teilnahm oder einen Tweet verschickt habe, war mir gar nicht klar, dass es tatsächlich etwas bringen würde. Aber das Gefühl, dass man wirklich zu wichtigen Veränderungen beigetragen hat, ist unbeschreiblich”, sagt Warner. “Das war für mich das beeindruckendste Gefühl des Abends.”

Bildung spielte bei dem Global Citizen Festival in Hamburg eine besonders große Rolle. Der damalige argentinische Präsident Mauricio Macri kündige auf der Global Citizen Bühne an, als nächster G20-Gastgeber das Thema Bildung zum ersten Mal auf die G20-Agenda zu setzen. Und auch Sängerin Shakira sprach sich auf der Bühne für die Unterstützung von GPE aus. 

Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg betonte die Bedeutung von weltweiter Bildung: “Wir müssen in junge Menschen weltweit investieren (...). Und Bildung ist die beste Investition”, sagte Solberg. Sie verkündete, dass Norwegen die Ausgaben für weltweite Bildung verdoppelte, um Organisationen wie GPE zu unterstützen. “Jedes Kind hat das Recht auf eine freie und qualitativ hochwertige Bildung”, so Solberg. 

Das Bundesentwicklungsministerium reagierte während der Kampagne auf Facebook und Twitter auf unsere Aufforderungen mit den Worten: “Education is Key” (Bildung ist der Schlüssel) – aus diesem Grund habe Deutschland seine Gesamtausgaben für Bildung auch deutlich erhöht und innerhalb von drei Jahren nahezu verdoppelt. “Doch eine konkrete Antwort auf unsere aktuelle Forderung und eine finanzielle Zusage zu GPE blieben aus”, sagt Carolin Albrecht. Die Kampagnenarbeit ging weiter – und dann kam Rihanna ins Spiel. 

Rihanna als Botschafterin für Bildung

Als GPE-Botschafterin setzt sich Rihanna seit Jahren für die Bildung von Mädchen und Jungen weltweit ein. Auch sie setzt darauf, dass Online-Aktivismus Großes bewegen kann. Und so ermutigt sie nicht nur andere, ihre Stimme zu erheben, sondern wird auch selbst aktiv. 

Immer wieder nutzt Riri ihre Reichweite, um auf Twitter mit Politiker*innen anzusprechen und sie in aller Öffentlichkeit dazu aufzufordern, mehr Gelder für Bildung auszugeben.

2017 twitterte sie etwa den französischen Präsidenten Emmanuel Macron an und bat ihn um mehr Unterstützung für Bildung weltweit. Kurze Zeit später lud der Präsident die Sängerin zu einem Treffen nach Frankreich ein. Gemeinsam mit seiner Frau Brigitte Macron sowie Global Citizen Gründer Hugh Evans diskutierten sie über die Finanzierung von GPE. 

Rihannas Aufruf an Angela Merkel: Werden Sie Ihren Einsatz für Bildung erhöhen? 

Am 18. September 2018 wurde Rihanna abermals aktiv und rief erstmals auch die Bundesregierung auf, Bildung zu priorisieren. Sie forderte ebenfalls die Regierungen von Japan, Finnland und Neuseeland dazu auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. 

Mal wieder stand ein Global Citizen Festival vor der Tür – diesmal das erste auf afrikanischem Boden. Anlässlich des weltberühmten Menschenrechts-Aktivisten Nelson Mandela, der im Jahr 2018 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, fand im Dezember das Global Citizen Festival: Mandela 100 in Johannesburg, Südafrika, statt. Da sollten die Regierungen ihre Zusagen machen. 

Da Kanzlerin Merkel keinen eigenen Twitter-Account hat, richtete Riri ihr Anliegen stellvertretend an Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert sowie das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) unter der Leitung von Gerd Müller. Seiberts Antwort kam prompt. 

Nach drei Stunden antwortete der Regierungssprecher: “Danke für deine Nachricht und dein Engagement Rihanna! Der Zugang zu Bildung ist ein Grundrecht für jeden. Deutschland ist ein aktiver Unterstützer für Bildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Wir planen unser Engagement für Bildung in Entwicklungsländern weiter auszubauen.”

Auch das BMZ stimmte zu: “Bildung ist der Schlüssel, um extreme Armut zu beenden. Das BMZ stellt jedes Jahr 550 Mio. Euro zur Verfügung, um Bildung weltweit zu finanzieren und wird seine Zusagen erhöhen.”  

Ein guter Anfang, der hoffen ließ! Doch das war noch keine finale Zusage. Also ging die Arbeit von Global Citizen weiter, mit dem Ziel die Zusage von Angela Merkel und anderen Regierungschefs bis zum Festival in Südafrika zu bekommen. 

Merkels Zusagen anlässlich des Global Citizen Festivals: Mandela 100 in Südafrika in 2018

Wie vor jedem Global Citizen Festival lief auch diesmal die politische Arbeit bis kurz vor dem großen Eventtag auf Hochtouren. Während Global Citizens rund um die Welt fleißig aktiv wurden, unsere Petitionen unterschrieben und an E-Mail- und Twitter-Aktionen teilnahmen, versuchten wir mit unserem Global Citizen-Team hinter den Kulissen zusätzlich Druck aufzubauen, um Politiker*innen und Unternehmen davon zu überzeugen, finanzielle Zusagen zu machen, um extreme Armut zu beenden, Gleichberechtigung voranzutreiben – und natürlich auch Bildung für alle zu verbessern. 

In einer Videobotschaft anlässlich des Global Citizen Festival: Mandela 100 verkündete Angela Merkel den Beschluss des Parlaments, den jährlichen Beitrag Deutschlands für GPE für 2019 von 18 auf 37 Millionen Euro zu erhöhen. In diesem Jahr legte die Bundesregierung sogar nochmal nach und erhöhte den Beitrag für 2020 auf 50 Millionen Euro.

“Die Erhöhung des deutschen Beitrags für die GPE auf 50 Millionen Euro ist ein großartiges Zeichen und ein toller Etappensieg. Es muss aber auch klar sein, dass wir jetzt auch langfristig dafür sorgen müssen, dass der deutsche Anteil steigt”, sagte Olaf in der Beek. 

Coronabedingte Erhöhung: Weitere 25 Millionen Euro aus Deutschland 

Die COVID-19-Pandemie trifft verschiedene Bereiche unseres Lebens – und hat uns einmal mehr vor Augen geführt, dass Krisen ärmere Menschen oft stärker treffen und sich so Ungleichheiten verschärft. 

Das gilt auch für das Thema Bildung, denn Millionen Kinder können wegen der Pandemie nicht zur Schule gehen. Deshalb hat Deutschland GPE weitere 25 Millionen Euro für GPEs Covid-19-Hilfspaket zugesagt, um den negativen Auswirkungen der Pandemie auf Bildung weltweit entgegenzuwirken.

Wir halten fest: Innerhalb von vier Jahren hat Deutschland den Jahresbeitrag für GPE um ganze 43 Millionen Euro erhöht – von 7 auf 50 Millionen. Und Global Citizens rund um die Welt haben mit mehr als 600.000 Unterschriften, Tweets und E-Mails einen wesentlichen Beitrag zu diesem Erfolg geleistet. 

Auch GPE lobt den Einsatz von Global Citizen. Geoffrey Adlide, Direktor für Advocacy und Kommunikation sagt: “Global Citizen gelingt ein großartiger Mix aus Pop und Politik, der Künstler*innen, Aktivist*innen und inspirierende Menschen zusammenbringt, um gemeinsam extreme Armut zu beenden. Gemeinsam mit anderen Partnern aus der Zivilgesellschaft hat Global Citizen die deutsche Regierung dazu aufgerufen, ihre Bemühungen zu verstärken, um weltweite Bildung zu verbessern. Das hat massgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland seinen Beitrag an GPE gleich dreimal verdoppelt hat – von sieben Millionen (2017) auf 18 Millionen (2018), dann auf 37 Millionen (2019) und schließlich auf 75 Millionen Euro (2020).”

Die Kampagnenarbeit von Global Citizen geht weiter, damit alle Kinder weltweit zur Schule gehen können, lesen, schreiben und rechnen lernen und ihr volles Potenzial entfalten können. Auch GPE startet in diesen Tagen eine weitere Kampagne für das nächste Replenishment: Um ihr Ziel zu erreichen, fordert GPE die Bundesregierung auf, ihre Zusagen ab 2021 auf 110 Mio. Euro jährlich zu erhöhen. 

“Bildung ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben und ein entscheidender Motor im Kampf gegen Armut”, sagt Carolin Albrecht. “Die Corona-Krise zeigt schmerzlichst, welche vielfältigen Auswirkungen die Schließungen von Schulen und das Ausbleiben von Bildung auf Kinder hat. Deswegen werden wir uns bei Global Citizen weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass jedes Kind, egal wo es geboren ist, Zugang zu 12 Jahren kostenloser, chancengerechter und hochwertiger Bildung hat und werden auch weiter dran bleiben, um die Bundesregierung aufzufordern, einen gerechten Beitrag zu leisten und die Mittel für GPE auf 110 Millionen jährlich zu erhöhen."