Dass die Antarktis dahinschmilzt, haben Wissenschaftler bereits vor einigen Jahren erkannt. Doch es geht alles viel schneller, als bisher angenommen. Das hat ein Forscherteam nun herausgefunden.

Die 84 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von mehr als 44 internationalen Organisationen bilden die “Ice Sheet Mass Balance Inter-comparison Excercise” (IMBIE), einen Zusammenschluss der das Schmelzen der Antarktis genau analysiert. Mit Daten von 24 Satelliten, die sie systematisch vergleichen. Was sie herausgefunden haben, ist erschreckend.

Ihre in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Analyse zeigt, dass die Antarktis seit 2012 zu einem alarmierend hohen Anstieg des Meeresspiegels führt. Bislang dachten Forscher noch, die Antarktis sei deutlich robuster, als die Arktis. Doch die neuen Erkenntnisse zeichnen ein neues Bild.

Zwischen 1992 und 2012 verlor die Antarktis jährlich 76 Milliarden Tonnen Eis. Schon diese Zahl ist unvorstellbar hoch. Dann aber verdreifachte sich die Menge binnen weniger Jahre: Zwischen 2012 und 2017 waren es 219 Milliarden Tonnen pro Jahr, wie die Daten von IMBIE zeigen. Damit ist das schmelzende Eis rund um den Südpol für 18 Prozent des ansteigenden Meeresspiegels verantwortlich.

Insgesamt drei Billionen Tonnen Eis haben sich in den vergangenen 25 Jahren verflüssigt.

Drei Billionen! Um diese Zahl nur im Ansatz begreifen zu können, hat Josef Zens vom Geoforschungszentrum in Potsdam für DIE ZEIT ein kleines Gedankenexperiment gemacht und sie auf Sekunden runtergerechnet. Pro Sekunde gehen 3.800 Tonnen Eis verloren. „Das sind ungefähr 150 Tanklaster“, erklärt Zens. „Stellen Sie sich vor, Sie würden pro Sekunde 150 solcher Laster auf der Autobahn überholen.“ Immer noch schwer vorstellbar. Man müssten dann wohl mit Lichtgeschwindigkeit an ihnen vorbeifahren, was in der Praxis wohl eher schwierig.

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Doch was ist der Ausweg? Lässt sich das Szenario umkehren? Wohl kaum. Aber es muss was unternommen werden, um den Verlauf zumindest zu verlangsamen, da sind sich Forscher und Klimaexperten einig.

Wie sich die Antarktis in den kommenden Jahrzehnten tatsächlich verändern wird, ist ungewiss. Denn keiner weiß genau, welchen Einfluss Ozeanströme, Lufttemperatur und Schneefall auf das Eis haben. Doch um das Schmelzen des Eises zu verringern, könne nur eine schnelle Minimierung des Ausstoßes von Treibhausgasen helfen, schreibt ein Team aus Forscherinnen und Forschern in einer Pressemitteilung.

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Klimaforscher halten es daher für essenziell, die Dynamik der Antarktis zu verstehen, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. „Ende der 90er Jahre hätten die wenigsten solch einen rapiden Anstieg des Massenverlustes in der Antarktis für möglich gehalten, da bis dato die Antarktis als sehr stabiles und aufgrund ihrer Größe auch als träges System verstanden wurde“, sagte Veit Helm, der als Glaziologe am Alfred-Wegener-Institut an IMBIE beteiligt ist, der ZEIT.

Bisher ist es nur ein Gedankenexperiment, die 150 Tanklaster beladen mit schmelzendem Eis, die man in einer Sekunde auf der Autobahn überholt. Doch schmilzt das Eis in dem Ausmaß weiter, steigt der Meeresspiegel rasant und könnte schon bald große Teile der Küsten unter Wasser setzt. 

Editorial

Umwelt schützen

Die Antarktis schmilzt

Ein Beitrag von Jana Sepehr