Neue Studie gibt Hoffnung: Korallenriffe sind widerstandsfähiger, als gedacht

Autor*innen:
Pia Gralki, Joe McCarthy und Erica Sánchez

Michael Webster

Warum das wichtig ist
Mehr als ein Viertel aller Meeresbewohner leben mit den weltweiten Korallenriffen in einer Koexistenz. Doch die steigenden Temperaturen und die Meeresverschmutzung werden für die artenreichen Lebensräume im Meer zur Bedrohung. Im Rahmen der nachhaltigen Entwicklungsziele fordern die Vereinten Nationen (UN) Länder weltweit dazu auf, den Schutz der Meere voranzutreiben. Du kannst dich hier mit uns für den Umweltschutz einsetzen.

Ihr Schicksal schien besiegelt: Expert*innen sagen schon seit Längerem voraus, dass Korallenriffe bis zum Ende des Jahrhunderts ausgestorben sein könnten. Ihre größte Bedrohung: Die weltweit steigenden Temperaturen, durch die sich die Weltmeere weiter aufheizen.

Doch eine aktuelle Studie der Coral Reef Alliance gibt Anlass zur Hoffnung. Der Anfang Juli im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichte Bericht schätzt, dass Korallenriffe nicht nur überleben dürften – sie könnten in Zukunft sogar eine Renaissance erleben.

Um das herauszufinden, untersuchten die Forscher*innen die Widerstands- und Entwicklungsfähigkeit von Korallenriffen weltweit. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Korallenriffe sich in den kommenden Jahren kontinuierlich an die sich ändernden Umweltbedingungen anpassen könnten. Die Voraussetzung: Eine auf Kooperation ausgelegte, neue Regulierung von Schutzmaßnahmen auf der ganzen Welt.


Laut Forscherteam konzentrierten sich bisherige Schutzmaßnahmen vorwiegend auf Korallenarten, die in sogenannten “Klimarefugien“ leben – also in kühleren Gewässer, die vom Klimawandel noch relativ verschont geblieben sind. Dieses Vorgehen folgt dem Wissensstand, nach dem Korallen sehr empfindlich auf Temperaturwechsel reagieren. Ein zu hoher Temperaturanstieg würde die fragilen Lebewesen zwangsläufig bei lebendigem Leibe kochen, so das vorherrschende Bild.

Doch die Wissenhschaftler*innen der Coral Reef Alliance möchte die Korallenriffe nicht einfach diesem Schicksal – auch als das Phänomen der “Korallenbleiche” bekannt – überlassen.

Sie schlagen vor, die Beobachtungen auch auf Korallen in den Regionen auszuweiten, die vom Klimawandel stärker betroffen sind. Nur so könnte ein umfassender Ansatz entwickelt werden, um die Überlebenschance aller Korallenriffe weltweit zu erhöhen.

Die Forscher*innen nehmen sogar an, dass Korallen in wärmeren Gewässern neue Überlebensstrategien entwickeln und sich damit gegenüber anderen Korallenarten in Zeiten des Klimawandels durchsetzen könnten.

“Regulierungen für den Umweltschutz, die Fischerei und für ähnliche Bereiche neigen dazu, sich auf einzelne Gebiete zu beschränken“, sagt Michael Webster, Geschäftsführer der Coral Reef Alliance, gegenüber Global Citizen.

Durch eine umfassende Auswertung von Daten über die Auswirkungen des Klimawandels, den Zustand der Ozeane und der Korallenriffe konnten die Forscher*innen nachweisen, dass Korallen widerstandsfähiger sind, als angenommen.


Da jedes Jahr Milliarden von Babykorallen zwischen verschiedenen Riffen wandern, sehen die Forscher*innen der Coral Reef Alliance die Möglichkeit, die widerstandsfähigsten unter ihnen ausfindig zu machen und großflächig anzusiedeln.

"Jedes Mal, wenn alte Korallen absterben und neue Korallen hinzukommen, entsteht eine größere Vielfalt. Und die Chance, die richtige Korallenart zur richtigen Zeit und am richtigen Ort anzusiedeln", sagte Webster. “Unsere Untersuchungen zeigen, dass wir über eine neue Struktur von Korallenriffen nachdenken sollten, anstatt nur eine Art von Riff zu schützen.“

Das erklärt Webster an folgendem Beispiel: “In einer Region, in der unterschiedliche Babykorallen durch Meeresströmungen miteinander in Berührung kommen, sollten wir diese Vielfalt nutzen, damit sich die Korallen in ihren Eigenschaften ergänzen können. Einige von ihnen sind von Natur aus an heißere, kühlere oder durchschnittliche Temperaturen angepasst. Diese Korallen müsste man weitläufig verteilen, wodurch die Riffe eine Vielzahl unterschiedlich angepasster Babykorallen hervorbringen könnten.“


Das Forscherteam der Coral Reef Alliance nahm die Überlebenschance der Korallenriffe für die nächsten 500 Jahre in den Blick und stellte fest, dass die stärksten Umweltveränderungen in den kommenden einhundert Jahren stattfinden werden. Danach sollte bzw. müsste es der Menschheit gelungen sein, den Klimawandel einzudämmen. Nur so könnte die Umwelt sich erholen und ein neues Gleichgewicht herstellen.

Die Korallenriffe, die diesen Zeitpunkt überleben, sollten widerstandsfähig genug sein, um auch in Zukunft Bestand zu haben, so Webster. “Gut ausgeglichene Korallenriffe werden es leichter haben, zu überleben, ihren Artenreichtum zu erhalten und sich an höhere Temperaturen zu gewöhnen", sagt er.

Doch wie können effiziente Regulierungsmaßnahmen für Korallenriffe aussehen? Prinzipiell gelten hier dieselben Richtlinien wie für den Schutz der Meere im Allgemeinen: der Meeresverschmutzung vorzubeugen, der Überfischung entgegenzuwirken und den Schiffs- und Frachtverkehr einzudämmen. Auf lange Sicht müssten zudem Treibhausgasemissionen stark reduziert werden.



Webster erklärt, dass Länder wie die Fidschi-Inseln im Südpazifik und die Inselgruppe Palau im westlichen Pazifik vormachen, wie der Schutz von Korallenriffen idealer Weise aussehen kann. Auf den Fidschi-Inseln wurden lokale Gemeinden, die auf die Korallenriffe angewiesen sind, gefördert, um Schutzmaßnahmen selbst anzuleiten. In Palau hat die Regierung eines der größten Meeresschutzgebiete weltweit eingerichtet.

Beide Ansätze haben langfristiges Potential, Korallenriffe auch in Zukunft gedeihen zu lassen, so Webster.

“Diese Studie zeigt uns, dass, wenn wir gemeinsam an diesem Problem mit einigen klugen Strategien und im richtigen Ausmaß arbeiten, dann können wir uns Hoffnung auf das Überleben der Korallenriffe auf der ganzen Welt machen“, sagt Webster.