Es könnte gut passieren, dass man bei einer Wanderung durch das Antiatlas Gebirge im Südwesten Marokkos einen halbfertigen Zaun sieht und sich fragt, was der da zu suchen hat. Nun, in Wirklichkeit handelt es sich aber nicht um einen Zaun, sondern um sogenannte Nebelkollektoren!

Die Organisation Dar Si Hmad hat hier eines der größten Nebel-Auffang und Verteilungssysteme errichtet. Diese sollen die abgelegenen, ländlichen Amazigh Gemeinschaften mit Trinkwasser versorgen. 


Denn die Gegend im Südwesten Marokkos ist von Dürre und Trinkwassermangel geprägt. Jährlich fallen durchschnittlich unter 200 mm Regen - in Berlin sind es im Gegensatz dazu durchschnittlich 590 mm im Jahr. Der Regen ist natürlich nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt. Hier am Rande der Sahara herrschen lange Trockenzeiten und zwischen Juli und August steigt das Thermometer gerne auf über 40 Grad. Die Wüsten breiten sich aus und viele Gebiete sind aufgrund des Wassermangels nicht mehr für die Landwirtschaft nutzbar. Einige Familien müssen deshalb abwandern, um überleben zu können.

Allerdings ist die Landschaft die Hälfte des Jahres stark vernebelt. So entstand die Idee, Nebelnetze mit dem offiziellen Namen CloudFisher zu errichten. Eigentlich ist dies eine alte, traditionelle Technik, welche die Menschen auf den Kanarischen Inseln bereits vor Jahrhunderten nutzten. In Kombination mit unserer heutigen Technik ist man so in der Lage, sauberes Wasser auf umweltfreundliche Weise zu gewinnen.

Nebel fischen - so geht's 

Die Nebelnetze werden zwischen zwei Stahlstangen gespannt. Der Wind drückt dann den Nebel durch das Netz, in welchem sich Tröpfchen fangen. Die Tröpfchen kondensieren und werden in einem Behälter am Boden aufgefangen. Auf diese Weise kann selbst ein einzelner CloudFisher - mit einer Fläche von 9 qm - zwischen 36 und 126 Litern pro Tag sammeln. Es wurden sogar schon Spitzenwerte von über 600 Litern pro Tag gemessen!

Das gesammelte Wasser wird dann durch Rohre in die Aït Baâmrane Region weitergeleitet und zu einem geringen Teil mit mineralreicherem Grundwasser angereichert. So können rund 400 Menschen durch den Bau von über 600 qm Nebelkollektoren mit Wasser für ihren täglichen Gebrauch versorgt werden.

Die Vision der Dar Si Hmad Organisation ist es, “nachhaltige Lebensgrundlagen zu schaffen und einen Zugang ressourcenarmer Dorfgemeinschaften zu Bildung und Wohlstand zu ermöglichen”. Denn ein weiterer großer Vorteil - neben der Versorgung mit Trinkwasser natürlich - ist die Zeit, die nun eingespart werden kann.
Bisher waren es die Frauen und Mädchen der Dörfer, die dafür verantwortlich waren, ihre Familien mit Wasser zu versorgen. Hierfür mussten sie oft kilometerweit laufen und horrende Preise für ihr Wasser zahlen. 

Diese Zeiten sind nun vorbei. Die Frauen, die traditionell die “Wasser-Hüter” in dieser Region sind, werden im stattdessen darin ausgebildet, die Wasserrohre selbst in Stand zu halten. Die jungen Männer der Dorfgemeinschaften werden zusätzlich zu Fachkräften für den Bau von Nebelkollektoren ausgebildet.

Gleichzeitig hat Dar Si Hmad eine sogenannte "Wasserschule" für die Kinder aus den umliegenden Dörfern eröffnet. Ihr Ziel ist es, die Gemeinschaft für Wasser und Wasserknappheit zu sensibilisieren und den Kindern eine Möglichkeit zu bieten, ihre natürliche Umgebung und wissenschaftliche Technologien zu entdecken.

Und zu guter Letzt (aber nicht minder unwichtig): Die Wasserverfügbarkeit ermöglicht es den Menschen, in ihren Dörfern zu bleiben und ihr Vieh zu behalten, welches sie bisher häufig während Dürrezeiten verkauften mussten.

Der Bau von Nebelkollektoren ist eine wirklich zukunftsweisende Idee, indem eine alte Tradition wie diese hier wieder aufgegriffen und technisch verfeinert wird. 

Zwar können CloudFisher - bis jetzt - nicht in allen Regionen der Welt, in denen Nebel vorkommt, errichtet werden, da es verschiedene Typen von Nebel gibt, die zum Teil nicht so viel Wasser tragen wie der Nebel über dem Antiatlas Gebirge. Doch die Gewinnung von Wasser durch Nebelkollektoren ist eine effiziente und nachhaltige Alternative, die es ermöglicht, selbst in wasserarmen Regionen die wertvolle Ressource auf umweltfreundliche Weise zur Verfügung zu stellen. Denn trotz zunehmendem Ressourcenschutz wird die Nachfrage nach Wasser weiterhin steigen und die Welt ist auf Innovationen wie diese hier angewiesen.

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Ein Beitrag von Katrin Kausche