In der Nähe des Polarkreises bereitet sich die nördlichste Stadt Schwedens auf eine große Veränderung vor. Nein, keine Gesetzesänderungen, auch keine neuen Verkehrsregel und nein, auch die nordischen Einwohner ändern sich nicht.

Die Stadt Kiruna macht sich bereit, umzuziehen.

Nach jahrzehntelangem Eisenerzabbau hat der Boden, auf dem die Stadt derzeit steht, die Fähigkeit verloren hat, das Gewicht menschlicher Aktivitäten weiter zu tragen. Daher wird Kiruna nun circa zwei Meilen (rund 3,2 km) von ihrer jetzigen Position in Richtung Osten verlegt.

Kiruna zählt damit zu eine der ersten Städte, die jemals komplett verlegt wurden, weil die Menschen die natürliche Umwelt zu stark verändert und damit unbewohnbar gemacht haben. Kivalina in Alaska ist ebenfalls eine solche Stadt - und wird wahrscheinlich nicht die letzte sein. Laut 'The Guardian' könnten allein in den nächsten zehn Jahren Millionen von Menschen aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels aus ihren Häusern und ihrer Heimat vertrieben werden - eine noch nie dagewesene Migrationsbewegung.

Die Stadt Kiruna kann daher als eine Art Fallstudie betrachtet werden, die stellvertretend die Herausforderungen einer Gemeinde zeigt, mit denen Menschen in Zukunft auf der ganzen Welt konfrontiert sein könnten.

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In einem Werbevideo der schwedischen Regierung steigt der Erzähler mit der Frage ein, die vielleicht jedem, der von dem Vorhaben hört, auf den Lippen liegt:

„Wir sind hierher gekommen, um herauszufinden, warum eine Stadt umziehen muss... und wie man sowas macht.“

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Seit über hundert Jahren ist die Geschichte Kirunas fest an den Betrieb der staatlichen Bergbaugesellschaft LKABgebunden. Das Unternehmen gründete die Stadt im Jahr 1900 und ist nach wie vor der Hauptarbeitgeber in Kiruna. Ohne die Stadt könnte es keine Bergwerke geben. Aber ohne die Bergwerke würde es auch kein Kiruna geben.

Dieses Paradoxon trat in den Vordergrund, als Geologen von LKAB im Jahr 2004 entdeckten, dass der Bergbau in der Nähe der westlichen Grenze der Stadt das Risiko birgt, die ganze Stadt zusammen brechen zu lassen.

Den Bergbau einfach zu schließen würde jedoch bedeuten, dass der Großteil der 18.000 Einwohnern Kirunas arbeitslos wird. Aber die Stadt zu verlassen würde bedeuten, dass niemand mehr im Bergbau arbeiten würde.

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Eine innovative Lösung musste her. Und in typisch schwedischer Manier wurden Architekten aufgefordert, Ideen vorzuschlagen. Hier kam die schwedische Firma 'White' ins Spiel.

Ihr Plan, der sich unter 57 anderen Ideen von Konkurrenzfirmen durchsetzte, war es, die gesamte Stadt buchstäblich aus der Gefahrenzone zu räumen. Auf ihrer Webseite ist zu lesen:

„Mit beispiellosem Ehrgeiz stellt das Projekt die Frage: Ist es möglich, eine Stadt an einen neuen Ort zu verlegen, neu aufzubauen und gleichzeitig die einzigartige Identität der Stadt und ihrer Bewohner zu bewahren?"

Das auf 20 Jahre ausgelegte Projekt "Kiruna 4-ever" sieht vor, die Innenstadt langsam aber sicher immer weiter richtung Osten rücken zu lassen, indem Strukturen abgebaut und ein paar Kilometer weiter rekonstruiert werden. Wichtige Gebäude und Häuser sollen auf dem Rücken von massiven Lastwagen transportiert werden.

Eines dieser Gebäude ist die historische Kirche von Kiruna, die 2001 sogar zum schönsten Gebäude Schwedens gewählt wurde.

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Kirunas Regierung hat ausgerechnet, dass die Kosten für den Umzug der gesamten Stadt bei etwa einer Milliarde Dollar liegen wird. Darin enthalten sind auch die Kosten für den Kauf von Häusern von Bewohner zu 25% über dem Marktpreis, damit diese in ihre neuen Häuser im 'neuen' Kiruna umziehen können.

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Ladeninhaberin Johanna Lindgren Ringholt erzählte Reportern, dass sie ihren Laden in Kiruna bereits in vierter Generation betreibt und sie nicht vorhabe, dass zu beenden, wenn sich alles bewegt.

„Wir wohnen hier seit 1933", sagte sie und deutet auf die ikonische Leuchtreklame, die über ihrem Laden hängt. „Die Leute wissen vielleicht nicht, wer wir sind, aber sie wissen, was das 'Centrum House' ist! Daher ist es wichtig, das Schild mitzunehmen.“

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Gerechtigkeit fordern

Häuser, Kirche, Einwohner - eine ganze Stadt in Schweden wird verpackt und zieht um

Ein Beitrag von Andrew McMaster