Flüchtlinge Willkommen zu heißen ist ein Anfang. Doch um wirklich in Deutschland anzukommen, brauchen Flüchtlinge Freunde: Deshalb gründeten drei Berliner die Initiative Start with a Friend”.

Das erste Treffen von Babette Hnup und Hussam Al Zaher fiel ins Wasser: Es war im Sommer 2016 in Hamburg, sie wollten spazieren gehen, doch es regnete in Strömen. Kein Problem, dachte Babette, dann setzen wir uns eben in ein Café. Doch es war Ramadan. Während Babette ihren Kaffee schlürfte, saß Hussam neben ihr – ohne etwas zu trinken. „Das war eine komische Situation“, sagt Babette.

Die kulturellen Unterschiede waren anfangs offensichtlicher als das Gemeinsame. Nach und nach entdeckten die Beiden, was sie verbindet: Babette, 46, ist Videojournalistin in Hamburg. Hussam, 30, schrieb in seiner Heimat Damaskus für eine Wochenzeitung. Beide wollen die Gesellschaft informieren und dazu beitragen, dass sich Menschen unterschiedlicher Kulturen miteinander austauschen – sie wollen Brücken bauen, statt Mauern entstehen zu lassen.

Dass sich Babette und Hussam kennengelernt haben, verdanken sie natürlich ihrer Offenheit gegenüber Menschen anderer Kulturen. Aber auch der Initiative „Start with a Friend“, die Locals und Refugees zusammenbringt.

Die Idee zu dem Projekt hatten drei Freunde aus Berlin.

Wir waren überzeugt, dass Integration nur durch eine aktive Teilhabe an der Gemeinschaft gelingen kann

Sarah Rosenthal, Mitgründerin von Start with a Friend

Im Jahr 2014 hatten sie die Idee zu diesem Projekt, ein Jahr später gründeten sie den Verein, erhielten zahlreiche Preise und bildeten mehr als 2.500 Tandems in ganz Deutschland. Die Locals sollen Geflüchteten den Zugang in ihr Lebensumfeld erleichtern und dabei helfen, ihre neuen Mitmenschen besser kennenzulernen.

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Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse spielen bei dem Matching der Tandems eine große Rolle. Aber feste Regeln gibt es nicht: „Die Tandems sind so individuell wie die Menschen selbst“, sagt Sarah. „Wichtig ist uns, dass die Beziehungen persönlich, unkompliziert, langfristig und vor allem auf Augenhöhe sind.“ Und bestenfalls soll eine Freundschaft entstehen – so wie bei Babette und Hussam.

Wir können einander jede Frage stellen, die uns in den Sinn kommt“, sagt Babette. Doch die Beiden verbindet noch mehr als ihre Freundschaft: Gemeinsam gründeten sie das Online-Magazin „Flüchtling“. Schon bei ihrem zweiten Treffen vertraute Hussam Babette seine Idee an und fragte, ob sie ihm helfen wolle. „Ehrlich gesagt hatte ich am Anfang die Befürchtung, dass Hussam sich zu viel zumuten würde und ich dann einen Haufen Arbeit hätte“, sagt Babette. Trotzdem sagte sie zu. Und räumt nun ein: „Meine Befürchtung bewahrheitete sich nicht.“

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Babette bewundert Hussam für seine Art, ohne Hemmungen auf Menschen zuzugehen und dafür, wie er es schafft, „in kürzester Zeit unzählige Follower auf Facebook zu gewinnen“, sagt Babette und lacht. Nach einem halben Jahr folgen bereits mehr als 4.500 Menschen der Facebook-Seite „Flüchtling-Magazin“. Heute sind es mehr als 12.000. 

Das Magazin ist ein Schlüssel, um miteinander zu diskutieren und in einen Austausch zu treten“, sagt Hussam. Als er nach Deutschland kam, dachte er, die meisten Deutschen seien ausländerfeindlich, denn „Schuld waren die Medien, sie schrieben immer über die Rechtsextremen.“ Er hatte Angst vor den Menschen in seiner neuen Heimat und sie vor ihm, glaubt er. Aber eigentlich, findet Hussam, sei es gar nicht so schwer Ängste abzubauen:

Vorurteile entstehen meist nur, weil wir uns nicht kennen.

Deshalb wollte Hussam das „Flüchtling-Magazin“ aufbauen – damit es einen multikulturellen Austausch gibt und damit Flüchtlinge selbst erzählen können, wer sie sind, was sie erlebt haben, was sie fühlen. In einem seiner Texte schreibt Hussam: „Wir sind Geflüchtete, kommen aus unterschiedlichen Ländern, in denen es nur Diktatur gibt. Wir kommen aus Ländern, in denen es sehr viel Angst gibt. Wir dürfen nicht sagen, was wir denken und was wir glauben. Wir wollen in einem Land leben, in dem es Freiheit gibt. Freiheit ohne Angst.“ Das ist Hussams Traum, so nachvollziehbar und so klar. Denn wer will nicht in Freiheit leben?

Editorial

Gerechtigkeit fordern

„Start with a Friend”: Wenn Fremde zu Freunden werden

Ein Beitrag von Jana Sepehr