Das Ziel von Global Citizen ist es, extreme Armut zu beenden – jetzt und überall. Damit dieses Ziel Wirklichkeit wird, gibt es die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (UN), auf Englisch Sustainable Development Goals (SDGs) oder auch Global Goals genannt. 2015 wurden die 17 Ziele verabschiedet, um Frieden und Wohlstand sowie Maßnahmen gegen die Klimakrise zu gewährleisten. Das Ganze soll bis 2030 erreicht werden. 

Seit 2015 setzen wir uns für die SDGs ein und suchen immer wieder nach kreativen Ideen, um Global Citizens weltweit dafür zu begeistern, aktiv zu werden. Um ehrlich zu sein – das ist kein leichtes Unterfangen, denn oftmals hapert es schon am Start. Ein gutes Beispiel ist das Schulsystem in Deutschland, dass sich trotz Globalisierung, Pandemie und Digitalisierung nicht großartig verändert hat und wenig Platz für Kreativität und Praxiserfahrung bietet. 

Wie würde es wohl aussehen, wenn eine Anleitung zu Aktivismus und Nachhaltigkeit bereits fest im Schulplan verankert wäre?

Die Buchautoren Stefan Junker und Professor Wilfried Hoppe haben genau das mit ihrem SDG-Schulbuch #WirHANDELN! versucht, damit junge Menschen mit einfachen Schritten aktiv werden und ihre Zukunft selbstwirksam mitgestalten können.

Herr Junker stand uns Rede und Antwort zu unseren brennendsten Fragen:

Wie ist Ihnen die Idee zur Erstellung des Lehrbuchs gekommen?

Ich arbeite seit 15 Jahren mit Professor Wilfried Hoppe zusammen und es war schon immer unser Herzensprojekt, Schüler*innen die Gelegenheit zu bieten, selbstwirksam zu handeln. Also kam uns irgendwann die Idee: Wir müssen ein Buch machen!

Bis dato hatte immer die Zeit gefehlt, aber während der COVID-19-Pandemie  konnten wir es endlich in die Tat umsetzen. An einigen Schulen gibt es schon das Format FREI DAY, bei dem Schüler*innen ihre eigenen Ideen für Nachhaltigkeit umsetzen können und die nachhaltigen Entwicklungsziele stehen dabei im Zentrum.

Da Wilfried Hoppe und ich beide Buchautoren sind, wussten wir, bei welchem Verlag wir uns melden wollten und haben uns dann 2020 ans Schreiben gesetzt. Für das Layout hatten wir Unterstützung von einem Design Studio in Berlin. Alle Beteiligten waren Feuer und Flamme und auch diejenigen, die wir für das Buch interviewt haben, waren gerne Teil von diesem Projekt. 

In welchem Bereich haben Sie selbst viel dazu gelernt, als Sie das Buch erstellt haben?

Wir haben vor allem durch die vielen Interviews wie mit Luisa Neubauer viel dazugelernt, die uns noch Tipps mitgegeben hat. Aber auch das Feedback der vielen Schulklassen, mit denen wir das Schulbuch immer wieder getestet haben, hat uns neue Erkenntnisse gebracht. Persönlich hat es mich sehr bereichert, zu erfahren, wie viele positive Beispiele des Handelns es bereits gibt. Die öffentliche Berichterstattung nimmt ja zumeist das Negative auf. 

Daher war es auch eines unserer Anliegen, mit den 18 Gesichtern des Handelns zu zeigen, was bereits getan wird. Wir kennen ja alle die Herausforderungen, vor denen wir stehen, aber dass so viel bereits getan wird, das hat auch die Schüler*innen überrascht. 

In vielen Klassen gab es diesen “Echt?”-Moment, bei dem die Schüler*innen fragten, ob sie das wirklich so machen und umsetzen dürfen. Wichtig war hierbei, ihnen eine Struktur zu geben, denn der Weg zum Handeln kann manchmal etwas lang sein. 

Durch die schiere Menge an Handlungsmöglichkeiten ist es nämlich schwierig, sich zu entscheiden. 

Wir wollten auch den positiven Aspekt des Aktivwerdens und eher für als gegen etwas sein. Was die Schüler*innen auch überrascht hat: Im Schulbuch gibt es keine Aufgaben, sondern Anhaltspunkte, wie sie ihre eigenen Ideen umsetzen können. 

In Ihrem Schulbuch stellen Sie #18GesichterDesHandelns vor. Was erhoffen Sie sich mit der Vorstellung dieser Aktivist*innen zu erreichen?

Ich sehe uns alle als Aktivist*innen, ob für eine gute oder schlechte Zukunft. Bei den 18 Gesichtern wollten wir sie vor allem so divers wie möglich halten, ob bekannte oder unbekannte Menschen, jung oder alt. Es gibt so viele Leute, die etwas Gutes tun und die Vielfalt ihrer Gesichter sollte dafür sorgen, dass sich jede*r damit identifizieren und sagen kann: Cool, die machen ja auch was!

Es ist auch was anderes, als zu sagen: “Greenpeace engagiert sich.” Eine einzelne Person ist greifbarer und nahbarer, man kann ihr folgen und sie vielleicht auch kontaktieren. Im Endeffekt sind es ja Menschen, die hinter allem stehen und wir können mehr bewegen, wenn wir uns zusammentun. 

Welches Global Goal ist für Sie am meisten Herzensthema?

Diese Frage ist ganz schwer zu beantworten, denn die Sustainable Development Goals sind für mich ein wahres Geschenk. Was das 2015 für ein Zeitfenster war, als die ganzen Entscheidungsträger*innen sich zusammengesetzt und sie unterschrieben haben! Das ist heute undenkbar. 

Wir können diese Ziele als Chance nutzen, um in Deutschland ein Aha-Erlebnis beizusteuern. Hier sind sie noch sehr unbekannt. Guckt man nach Norwegen, dann sind die Schüler*innen da sehr gut über die Global Goals informiert. Im Sommer sehen wir zum Beispiel, wie wichtig das SDG 13, das Engagement zur Bekämpfung der Klimakrise, ist. Durch die Invasion Russlands in die Ukraine zeigt sich deutlich, wie wichtig Menschenschutz und SDG 16 sind. Es geht darum, dass wir alle gemeinsam auf dieser kleinen blauen Perle leben können. 

Im Lehrbuch stellen Sie sechs Schritte des Handelns vor. Diese unterteilen sich wie folgt:
#WirWerdenNeugierig
#WirLernenDazu
#WirRecherchieren
#WirEntwickelnIdeen
#WirSchließenUnsZusammen
#WirHANDELN!
Haben Sie diese bereits in Bildungseinrichtungen besprochen? Was waren die Ergebnisse?

Wir haben beim Austausch mit den Schüler*innen gemerkt, dass wir eine Struktur benötigen, die dynamisch und greifbar ist und ihnen Halt gibt. Dabei haben wir vieles ausprobiert. Wenn einer dieser Schritte fehlt, dann scheitert das angefangene Projekt auch. Man braucht Inspiration und Neugier und das Know-how, wie man an Informationen herankommt und recherchiert. 

Ein ganz entscheidender Schritt war der Zusammenschluss von Schüler*innen, damit sie nicht alleine dastehen. Eine Hürde ist natürlich auch, Kontakt mit Entscheidungsträger*innen oder Aktivist*innen aufzunehmen, E-Mails zu schreiben und die Leute zu finden, die sie für ihr Handeln benötigen. Aber wenn sie mit den Menschen gesprochen haben, ist es ein ganz anderes Erlebnis, als nur vorm Computer zu sitzen, denn plötzlich werden die Ideen größer, kriegen mehr Aufmerksamkeit und dann gelingt es auch, das Ganze umzusetzen. 

Die Struktur ist ein wichtiger Bestandteil, also sollten sich die Lehrer*innen auf die Projektbegleitung konzentrieren, während die Schüler*innen die eigentlichen Chef*innen sind. 

Woran liegt es, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele in Deutschland weitestgehend unbekannt sind und wie können wir das ändern? 

Wenn ich das wüsste, würde ich es sofort ändern. Das Buch dient als kleiner Beitrag, damit alle davon erfahren. In unserer komplexen Welt haben wir uns auf diese 17 Ziele geeinigt. Es ist eigentlich fast schon zu einfach, denn wir müssen nur unsere Lebensgewohnheiten und die Interessen unserer Wirtschaft ändern.

Wir müssen aus unserer jetzigen Situation den Mut finden und sagen: So kann es nicht weitergehen, wir brauchen einen Cut. Wir sollten uns ein Beispiel an Ländern nehmen, die in Sachen Nachhaltigkeit schon viel weiter sind als wir und diese Maßnahmen dann in Deutschland umsetzen. Das würde zum Beispiel ein Tempolimit mit sich ziehen. 

Wir gehören zu einem der reichsten Länder der Erde, warum können wir nicht auch vorangehen und sagen: So wie es jetzt ist, geht es nicht weiter. 

Damit das in den Schulen passiert, will der Verlag seinen neuen Atlas zusammen mit unserem Buch vorstellen. Inzwischen gibt es auch Fortbildungen, Newsletter und Vorträge mit dem großen Ziel, dass alle Schüler*innen das Buch in den Händen halten werden. 

Coldplay und ihr Einsatz für die Global Goals sind ebenfalls Teil des Buches. Was ist so besonders am Aktivismus der Band?

Wir haben Coldplay aus zweierlei Gründen mit ins Buch genommen:

  1. Die Band ist sehr bekannt und hat hohe Sympathiewerte.
  2. Mit ihrer neuen Tour hat sie sich einem großen Engagement verschrieben und setzt damit ganz neue Maßstäbe. 

Durch ihre Reichweite kommt das auch bei den Jugendlichen an. Zudem haben sie die Partnerschaft mit Global Citizen und nutzen Social Media für ihren Aktivismus, was super attraktiv für die Zielgruppe ist. Hier kann ich mit Tausenden anderen eine E-Mail an den Bundeskanzler schreiben und auf diese Weise Aufmerksamkeit erregen.

Global Citizen spannt auch nochmal einen großen Rahmen um alle nachhaltigen Entwicklungsziele – auf eurer Seite kann man zu allen 17 Zielen aktiv werden. Die Nachrichtenlage der Welt kann einen schon mal hoffnungslos machen, doch Coldplay sorgt dann wieder für gute Stimmung – all die Nachhaltigkeitsinitiativen der Band zeigen, dass eine andere Welt möglich ist.

Das Schulbuch #WirHANDELN! von Wilfried Hoppe und Stefan Junker.

Was wünschen Sie sich von jungen Menschen im Einsatz für eine gerechte Welt?

Ich würde den ganzen Spieß umdrehen. Was diese Generation, insbesondere durch Fridays for Future geleistet hat, ist einfach großartig. Wir können so dankbar dafür sein, dass die Jugend uns den Spiegel vorhält und die größten Themen unserer Zeit trotz des hartnäckigen Widerstandes von Wirtschaft und Lobbyist*innen anprangern. 

Wir werden die globalen Herausforderungen nicht lösen, wenn wir Jung und Alt voneinander trennen, sondern wenn wir es gemeinsam schaffen. Wir als Erwachsene stehen noch mehr in der Verantwortung, den Kurs hin zu einem anderen Lebensstil und nachhaltigen Miteinander zu gestalten. Die Jugend muss am längsten mit den Herausforderungen klarkommen, also haben wir die große Verantwortung, ihnen eine gute Zukunft zu ermöglichen. 

Trotz der Verantwortung möchte ich keinen Druck ausüben und insbesondere den Lehrkräften sagen: Wir müssen uns davon lösen, es “richtig” machen zu wollen. Wir machen schon viel gut, wenn wir den Schüler*innen den Freiraum geben, sich im Sinne der Global Goals einzubringen. Wir müssen weg gehen von der Denke: Ich bereite alles vor und weiß, wie es ausgeht. So sieht Bildung im 21. Jahrhundert einfach nicht mehr aus. Es geht nicht mehr darum, Fähigkeiten und Wissen zu vermitteln, sondern es anwenden, ohne zu wissen, wie das Ergebnis aussieht. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen Selbstwirksamkeit erfahren und wissen: Ich bin wichtig, ich kann etwas bewirken. Wenn die Schule das schafft, dann haben wir es schon richtig gemacht. 

Vielen Dank, Herr Junker!

Sehr gerne. 

Wenn auch du dich für das SDG-Schulbuch #WirHANDELN! interessierst und dich für eine nachhaltige und gerechte Zukunft stark machen willst, dann werde mit uns aktiv und gewinne mit etwas Glück das Schulbuch als Reward

Global Citizen Asks

Armut beenden

Wie können junge Menschen zu Aktivist*innen für Gerechtigkeit & Nachhaltigkeit werden?

Ein Beitrag von Nora Holz