Warum das wichtig ist
Sprache gestaltet unsere Wirklichkeit. Deshalb ist es wichtig, Worte bedacht zu wählen und von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob die Worte, die wir wählen, angemessen, nicht diskriminierend oder rassistisch sind. Deshalb ist es richtig, auch die Namen von Straßenschildern und U-Bahnstationen auf den Prüfstand zu stellen. Werde mit uns gegen Rassismus und Diskriminierung aktiv.

Die Forderung, der U-Bahnstation Mohrenstraße einen neuen Namen zu geben, ist nicht neu. Einer, der nicht diskriminierend und rassistisch ist, sollte her – doch dabei taten sich die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sichtlich schwer.

Am vergangenen Freitag verkündeten die BVG, die Station in "Glinkastraße" umbenennen zu wollen. Der Name erinnert an den russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka, der von 1804 bis 1857 lebte und ganz in der Nähe des U-Bahnhofes verstarb. Auch eine Straße um die Ecke des Bahnhofs ist bereits nach ihm benannt – und so habe der Vorschlag ganz praktische Gründe, argumentiert die BVG. 

Praktisch vielleicht – und dennoch keine gute Wahl. Denn Glinka war Antisemit. Er bezeichnete den Pianist Anton Rubinstein unter anderem als “frechen Zhid”, als “zu deutsch” und “zu jüdisch”, schreibt die Jüdische Allgemeine.

Das Unwissen darum war groß. Einige Politiker*innen begrüßten den Vorschlag der Umbenennung in die Glinkastraße. Franziska Giffey (SPD) wusste wohl nichts vom Antisemitismus des russischen Komponisten Glinka, als sie sagte: “Ein großartiges Zeichen der BVG gegen Rassismus, Hass und Hetze.” Das ist kein Vorwurf, aber zeigt, dass wir uns mit der Geschichte auseinandersetzen und es besser machen müssen. 

Die Suche nach einem geeigneten Namen ging also weiter. Auch in den Medien und auf Twitter wurden Vorschläge laut. Man könne die Station doch auch nach Nelson Mandela oder Georg Floyd benennen, schlug Özcan Mutlu, Abgeordneter der Grünen vor. Das Bündnis Decolonize Berlin forderte, den U-Bahn-Halt nach Anton Wilhelm Amo zu benennen. Der 1703 in Ghana geborene Amo kam als Sklave an den Braunschweiger Hof und wurde später der erste afrikanische Philosoph in Deutschland. 

Mit einer Benennung nach Anton Wilhelm Amo würde die BVG den kolonial-historischen Bezug des Ortes auslöschen und ihre Chance für die Ehrung einer Persönlichkeit afrikanischer Herkunft im Berliner Stadtbild nutzen, so Decolonize Berlin in einer Pressemitteilung.

Die aktuelle Debatte rund um die Umbenennung der U-Bahnstation Mohrenstraße in Berlin, zeigt: Es ist nicht einfach, es richtig zu machen. Und es ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen Aktivist*innen auf die Straße gehen, Politiker*innen ins Straucheln geraten und Unternehmen ins Fettnäpfchen treten. Wie jede Debatte und jeder Diskurs ist auch dieser komplex. Er kostet Zeit, Mühe und Willenskraft, Fortschritte zu machen.

Doch nicht alle finden diese Anstrengungen offenbar notwendig. “Die Causa Mohrenstraße wird zur Farce” titelte etwa der Journalist und Herausgeber der Welt, Thomas Schmid. Und schrieb weiter: “Es bringt nichts, wenn wir versuchen, die Straßenschilder, an denen wir täglich vorbeilaufen, so zu gestalten, als liefen wir an uns selbst und unserer Fortschrittlichkeit vorbei.” 

Warum sollten wir den Anspruch, Fortschritte zu machen, an dieser Stelle aufgeben? Denn wann ist man schon mal gut damit beraten, für das Jetzt und Hier damit zu argumentieren “früher war das eben so, also belassen wir es dabei”? Wir entwickeln Autos mit elektrischen Motoren, um unsere Umwelt zu schützen. Wir erneuern Häuser, weil sie unseren Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. Wir erlassen neue Gesetze, um sie an unsere heutige Lebensrealität anzupassen. Wir verändern unsere Sprache, um sie unseren Werten, unserer Identität und der Gesellschaft, in der wir leben (wollen), anzupassen. 

Die Welt ist ständig im Wandel – und das ist gut so. Warum sollten wir dann vor Straßenschildern und Namen von U-Bahnstationen Halt machen, die diskriminierend, antisemitisch oder rassistisch sind?  

Opinion

Gerechtigkeit fordern

Mohrenstraße: Warum die Diskussion um die Umbenennung der U-Bahnstation uns weiterbringt

Ein Beitrag von Jana Sepehr