Speicher hat eine, Graben-Neudorf, Osterwald und Voßwinkel sowieso und Gemeinden in ganz Deutschland und Österreich denken ebenfalls darüber nach: die Rede ist von Mitfahrerbänken. Ein simples Konzept mit großer menschlicher Wirkung. Wichtigster Bestandteil: Nachbarschaftshilfe.

Manchmal kann das Leben auf dem Land zur logistischen Herausforderung werden, wenn man kein eigenes Auto besitzt. Denn häufig befindet sich der nächste Arzt, Bäcker oder Supermarkt nicht in unmittelbarer Nähe sondern schonmal im nächsten oder übernächsten Dorf. Wenn jetzt auch noch der Bus nur zweimal am Tag fährt, dann ist guter Rat teuer. Wie soll man nur von A nach B kommen?  

Hüttingen bei Lahr in der Eifel.
Image: Loranchet

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Ganz einfach: Fahr einfach bei deinem Nachbarn mit! Aber nun das Telefonbuch durchzutelefonieren, um zu sehen, wer in der nächsten Stunde zum Einkaufen fährt, dauert zu lange. Deshalb hat sich die Verkehrspsychologin Ursula Berrens aus Bitburg etwas besonderes einfallen lassen.

Zusammen mit dem Caritasverband Westeifel entwickelten sie die Idee, sogenannte 'Mitfahrerbänke' in dem kleinen Ort Speicher aufzustellen. Damit wollen sie Menschen in der durchaus abgelegenen Gemeinde die Fahrt ins nächste Dorf erleichtern, wenn der Bus mal wieder erst in vier Stunden fährt.

So funktioniert's 

An den wichtigsten Ausfahrten aus Speicher wurden türkisfarbige Bänke aufgestellt. Hier kann jeder Bewohner Platz nehmen. Mit Hilfe von Schildern neben jeder Bank wird vorbeifahrenden Autofahrern angezeigt, wohin der Wartende auf der Bank gerne mitgenommen werden möchten. So kann jeder Fahrer schnell und einfach sehen, wer wohin will und entscheiden, ob er jemanden mitnehmen kann. 

Und zu lange muss man normalerweise auf der Bank nicht warten. Denn die Autos fahren „praktisch im Minutentakt von Speicher nach Orenhofen oder Beilingen oder Bitburg“. So entstehen tolle spontane Fahrgemeinschaften, die sowohl Autofahrern als auch Mitfahrern viel Spaß machen. 

Mitmachen und sich auf 'Mitfahrerbänke' setzen kann also jeder - ausgeschlossen allerdings sind Kinder. Die Mitfahrgelegenheit soll nur von Personen über 16 Jahren genutzt werden.

Hier stehen die Mitfahrerbänke in und um Speicher.

Das Konzept überzeugte inzwischen nicht nur die Menschen in der Eifel. Deutschlandweit erfährt Ursula Berrens Idee immer mehr Zuspruch. Viele ebenfalls abgelegene Gemeinden folgten dem Beispiel bereits und installieren ähnliche Mitfahrerbänke. So zum Beispiel die Gemeinde Osterwald in Niedersachsen.

„Uns erreichen ständig neue Anfragen“, sagt Ursula Berrens.

Mitfahrerbänke sind eine hervorragende Idee, um in ländlichen Regionen die Mobilität der Bewohner nicht zum Stillstand zu bringen. Alles, was man dazu braucht, sind ein paar Bänke - die man meistens bereits schon vorhanden hat - und offene Nachbarn, die sich gegenseitig helfen.

Auch der Zusammenhalt untereinander kann so besonders gestärkt werden. Und ganz nebenbei wird mit diesem Konzept auch noch die Umwelt geschont, denn warum den Weg ins nächste Dorf mit vier Autos zurücklegen, wenn man genauso gut in ein Auto passen würde?

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Ein Beitrag von Katrin Kausche