Foto ©Niklas Heimbokel: Das Team von Hanseatic Help

Der Sommer 2015 war ein besonderer Sommer in Deutschland, ja in der ganzen Welt - tausende Menschen machten sich auf den Weg nach Europa. Es war der Sommer, in dem der Begriff „Flüchtlingswelle“ durch die sozialen Medien geisterte. Der Sommer, in dem die Bilder vom kleinen Alan Kurdi um die Welt gingen, der im Mittelmeer ertrunken war. Es war auch der Sommer, in dem Bundeskanzlerin Merkel sagte „Wir schaffen das“ und Bundesinnenminister Thomas de Maizière warnte, die große Hilfsbereitschaft der tausenden ehrenamtlichen Helfer in Deutschland dürfe nicht überstrapaziert werden.

Es waren tatsächlich Tausende, die in Deutschland zusammenkamen, um zu helfen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kleiderkammer, die damals in den Hamburger Messehallen entstand. Dabei war das Ganze anfangs gar nicht geplant. Nachdem einige Hamburger ihre Altkleider vor eine Notunterkunft für Flüchtlinge in den Messehallen abgaben, ließ der Pressesprecher die Halle B7 öffnen. Man könne ja da ein paar Spenden abgeben. Was dann passierte, war beeindruckend: Innerhalb weniger Wochen war die 105 Meter lange und 75 Meter breite Halle voll mit Kleidung – und Menschen. An einigen Tagen kamen mehr als 1.500 Ehrenamtliche, um Altkleider zu sortieren und zu verpackten. An nur einem Tag, an nur einem Ort!

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Foto ©Niklas Heimbokel: Messehallen von oben 

Die Menschen, die hier halfen, sahen nicht so aus, als seien sie überstrapaziert. Vielmehr wirkten sie befreit von ihrer Ohnmacht. Denn das Geniale war: In der Kleiderkammer konnte jeder mit anpacken. „Man musste kein Fachmann oder krasses Organisationstalent sein, um hier helfen zu können“, sagt Arnd Boekhoff. Er war einer der ersten Helfer, der sich durch Kleidung für Kinder, Männer und Frauen wühlte, Pappkartons beschriftete und Startersets für Flüchtlinge packte. Es gab keine umständlichen To-Do-Listen, keine verpflichteten Termine, keinen Vertrag.

Jeder Helfer war willkommen. Man musste sich nur ein Namensschild auf die Brust kleben und einfach loslegen.

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Foto ©Niklas Heimbokel: Namensschilder 

Al Jazeera, BBC und der Spiegel – sie alle schickten ihre Journalisten in die Halle B7 in Hamburg, um zu begreifen, was hier gerade vor sich ging. „Wir sind im Himmel gestartet. Aber uns war klar, dass die Aufmerksamkeit und die Euphorie nicht für immer anhalten würde“, sagt Boekhoff.

Doch das sollte nur der Anfang sein, fand Boekhoff: „Die Monate in den Messehallen waren nur die ersten Schritte eines Marathons.“ Als die Räumung der Messehallen bevorstand, gab es noch immer tonnenweise Sachspenden, die sortiert und verteilt werden mussten. Deshalb setzten sich Boekhoff und 32 seiner Mitstreiter im Oktober 2015 zusammen, nur zwei Monate nach der Eröffnung der Kleiderkammer, und gründeten Hanseatic Help. Mittlerweile ist der Verein preisgekrönt: Vor ein paar Wochen überreichte die Bundeskanzlerin Hanseatic Help den Sonderpreis des Startsocial-Wettbewerbs 2017.

Heute ist Hanseatic Help viel mehr als eine Kleiderkammer für Geflüchtete: Auch Obdachlose, Kinderheime und Frauenhäuser werden mit Sachspenden versorgt. Die Zahlen sind beeindruckend: Rund 4,5 Millionen Sachspenden wurden bereits verteilt! Regelmäßig beliefert der Verein rund 150 Einrichtungen in Hamburg. Alles was hier nicht gebraucht wird, geht in Krisenregionen wie Syrien, den Irak, Griechenland, Sizilien oder Haiti. Mehr als 80 Hilfstransporte schickte Hanseatic Help schon auf die Reise. Zudem beteiligt sich Hanseatic Help an einem Modellprojekt der Bundesregierung, das junge Flüchtlinge und Arbeitslose, in den Arbeitsmarkt integrieren soll.

Und als wäre das all das noch nicht genug, arbeitet Boekhoff schon wieder an einer neuen Idee: Mit anderen Hamburger Flüchtlingsorganisationen will Hanseatic Help eine Initiative auf den Weg bringen, die Flüchtlinge dabei unterstützt, ihren Lebenslauf zu schreiben. „Integration funktioniert: Wir brauchen nur Anstrengung und Geduld.“

Editorial

Gerechtigkeit fordern

Von der Kleiderkammer zur riesigen Initiative: Das ist Hanseatic Help

Ein Beitrag von Jana Sepehr