So kämpft Anab für gesundheitliche Aufklärung von geflüchteten Frauen

Autor:
Jana Sepehr

Warum das wichtig ist 
Die Bildung und Gesundheit von Frauen sowie die Gleichstellung der Geschlechter sind entscheidende Bestandteile der 17 Global Goals, die die Vereinten Nationen (UN) bis 2030 erreichen wollen. Mit der Gründung von Space2groW hat Anab Mohamud in Berlin dazu beigetragen, geflüchtete Frauen gesundheitlich aufzuklären und ihnen Zugang zum Berliner Gesundheitssystem zu vermitteln. Dafür wird sie am 19. Dezember mit dem Global Citizen Germany’s Hero Award ausgezeichnet, der mit Unterstützung von Vodafone vergeben wird. 

Wenn man Anab Mohamud fragt, wer ihr Vorbild ist, muss sie nicht lange überlegen: “Meine Großmutter.” 

Anab kommt aus Somalia – einem Land, in dem seit 30 Jahren Bürgerkrieg herrscht. Seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 kommt das Land nicht zur Ruhe: Militärische Konflikte zwischen Warlords, Clans und diversen Milizen verhindern Frieden und Sicherheit der Bevölkerung. 

Der Klimawandel bedroht das Leben der Menschen in Somalia, die vorwiegend als Nomaden und Halbnomaden von der Vieh- und Landwirtschaft leben, zusätzlich. Gemeinsam mit ihrer Schwester wuchs Anab bei ihrer Großmutter auf. Als Anab noch ein Kind war, zog die kleine Familie von einem Dorf und einer Stadt in die nächste. 2014 ließ Anab, 21, ihr Leben in Somalia hinter sich und kam alleine nach Deutschland. Sie lebte zunächst in einer Unterkunft für Geflüchtete in Dortmund, bis sie nach Berlin geschickt wurde. 

Anders als die meisten Somalierinnen war Anab in ihrer Heimat zur Schule gegangen, lernte Englisch. “Das hat mir in Deutschland sehr geholfen.”

Anab erkannte, dass sie anderen Frauen helfen kann 

In Deutschland angekommen, machte Anab eine Ausbildung als psychosoziale Trainerin und begann, in einer Unterkunft für Geflüchtete zu arbeiten. Anab erkannte schnell, dass vielen Frauen der Zugang zu Gesundheitsversorgung fehlt. Sie wussten nicht, wie und wo sie einen Arzttermin vereinbaren konnten. Vor allem das Wissen rund um Familienplanung, Frauengesundheit und Verhütungsmittel fehlte vielen. 

Immer wieder dachte sie an die Worte ihrer Großmutter – hilf anderen, wenn du kannst. Übernimm Verantwortung. Sei Teil der Lösung, wenn du dir Veränderung wünscht. “Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Lücke füllen kann.”

Und so entstand 2017 die Idee zu Space2groW. In Workshops und Einzelberatungen bringt die Organisation geflüchteten Frauen Themen wie Verhütung, Schwangerschaftsvor- und -nachsorge, den weiblichen Zyklus und mehr näher. Was Anab mit den Frauen in ihren Workshops gemeinsam hat, ist die Fluchtgeschichte und die Erfahrung, aus einer anderen Kultur zu kommen. Neu in Deutschland zu sein. 

“Ich hatte Glück, Frauen aus vielen verschiedenen Ländern zu treffen, mit unterschiedlichen Kulturen."

Anab lebte mit Frauen aus Somalia, Irak und Afghanistan zusammen und habe viel über die unterschiedlichen Kulturen gelernt. 

Anfangs musste Anab sich das Vertrauen erst erarbeiten

Doch diese Unterschiede stellten sie auch vor Herausforderungen. Sie musste sich das Vertrauen vieler Frauen erarbeiten – und auch oft das der Ehemänner. “Manche sind sehr religiös. Sie haben ihren Frauen nicht erlaubt, die Workshops zu besuchen. Da musste ich oft Überzeugungsarbeit leisten”, so Anab. “Ich verstehe die Männer – sie haben einen anderen Hintergrund. Ich versuche ihre Kultur zu verstehen, ihnen den Raum zu geben und den Dialog zu suchen.” Oft hatte sie damit Erfolg. 

Skepsis spürte sie anfangs auch von deutschen Expert*innen in ihrem Umfeld: “Ich merkte, dass einige dachten: Wer ist sie, dass sie diese Arbeit machen kann? Sie kommt doch aus Somalia und hat hier keine Ausbildung gemacht.”

Doch Anab ließ sich davon nicht beirren. Andere Frauen schlossen sich ihr und Space2groW an. Bald wurden Workshops und Gespräche nicht nur auf Somali und Englisch, sondern auch auf Deutsch, Farsi und Arabisch berlinweit angeboten. Mehr als 900 Frauen haben die Workshops von Anab und ihren Kolleginnen bis heute besucht. 

Für Anab ist es besonders entscheidend, dass Frauen dazu befähigt werden, über ihren eigenen Körper zu entscheiden und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie weiß, wie schwierig es sein kann, sich in einem neuen Land und einer neuen Kultur zurechtzufinden – ohne zu wissen, wie das Leben für sie weitergeht. Doch dann denkt sie an ihre Großmutter, die ihr gelehrt hat, immer an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. 

Mittlerweile arbeitet sie am Aufbau eines neuen Projekts, das sich auch mit Frauengesundheit beschäftigt, aber darüber hinaus gegen Depression und häusliche Gewalt aktiv werden will. Sie will Familien zudem unterstützen, Kinder mit zwei Kulturen großzuziehen. Denn durch ihre Fluchterfahrung und ihr neues Leben in Berlin weiß Anab, welche Rolle Kultur für unser tägliches Leben und unsere Identität spielt. 


Das Engagement von Anab und die Arbeit der Organisation wurden schon mehrfach ausgezeichnet: 2018 erhielt Space2groW den deutschen Integrationspreis, 2019 war sie nominiert für den deutschen Engagementpreis und den Farbe Bekennen Award. Nun erhält Anab den Global Citizen Germany Hero Award, der in diesem Jahr im Rahmen von Global Citizen Prize erstmals verliehen wird. Wer in der Jury saß, erfährst du hier. Die Watch Party von Global Citizen Prize findet am 20. Dezember um 19 Uhr auf unserer Facebookseite statt. Alle Infos zum Prize findest du hier.