“Mit großer Macht kommt große Verantwortung” – der Spruch wäre nicht in allen Spiderman-Filmreihen so prägnant inszeniert, wenn nicht sehr viel Wahrheit dahinter stecken würde.

Im echten Leben gibt es keine Superheld*innen – jedenfalls nicht so, wie sie von Marvel dargestellt werden. Aber auch hier gilt das Prinzip, dass mächtige Personen oder Organisationen Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf viele Menschen haben können und dass es deswegen wichtig ist, diese Entscheidungen mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein anzugehen. 

Ende Juni kommen die Staats- und Regierungschefs von sieben einflussreichen Industriestaaten und Demokratien beim G7-Gipfel in Bayern unter Deutschlands Vorsitz zusammen. Beim Gipfel darf es nicht nur leere Worte geben – wir brauchen eine gemeinsame und globale Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit. Genau hier müssen die G7-Staaten Verantwortung übernehmen.

Laut Weltbank wurden 100 Millionen Menschen durch die COVID-19-Pandemie in extreme Armut getrieben und bestreiten ihr Leben von weniger als 1,90 US-Dollar (rund 1,80 Euro) am Tag. Nun stellt ein neuer Bericht der Beratungsfirmen Eurasia Group und DevryBV Sustainable Strategies fest, dass durch die zunehmende Ernährungsunsicherheit weitere 200 Millionen Menschen von extremer Armut betroffen sein könnten. COVID-19, die Klimakrise, Konflikte und Kriege befeuern die Hungerkrise, Inflation und wirtschaftliche Instabilität. Doch gerade jetzt darf das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (UN) und die Bekämpfung extremer Armut nicht aus dem Blick geraten. Reiche Länder müssen JETZT in Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe investieren.

Es liegt in der Verantwortung der G7, die globalen Krisen zu bestreiten 

Fakt ist: Die 20 reichsten Länder der Welt sind für 80 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung verursacht beispielsweise mehr als doppelt so viele Emissionen wie die ärmsten 50 Prozent. Auch wenn sie bis jetzt von den Auswirkungen eher indirekt betroffen waren (obgleich die Flutkatastrophe im Juli 2021 eine andere Geschichte erzählt) und derzeit die ärmsten Regionen der Welt unter der Klimakrise leiden, haben sie die Verantwortung, diesen Missstand aufzuheben. Ähnlich sieht es auch mit anderen Herausforderungen aus, die die Welt derzeit bestreiten muss. 

Zudem ist Entwicklungszusammenarbeit in keinstem Fall ein Akt der Wohltätigkeit, sondern dient dem Eigeninteresse der G7-Länder. Durch die COVID-19-Pandemie wurde uns allen klar, dass Krisen nicht vor menschengemachten Grenzen Halt machen. Auch das inzwischen stark ineinander verwobene Weltwirtschaftssystem hat Auswirkungen auf alle Länder, sodass eine Krise in Asien auch uns betrifft. Ohne globale Antworten werden uns die globalen Krisen überall und immer wieder einholen. 

Investitionen in Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sind keine Frage des Budgets, denn die G7 produzieren ein Drittel der weltweiten Wirtschaftskraft. Hierbei geht es eher um den politischen Willen. 

G7 müssen 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen

Bereits im Oktober 1970 beschloss die Weltgemeinschaft, dass einkommensstarke Länder 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitstellen sollen. Diesem Ziel kommen bis heute nur wenige reiche Länder nach. Im Jahr 2021 stellten beispielsweise die G7-Staaten insgesamt etwas mehr als 135 Milliarden US-Dollar (rund 128 Milliarden Euro) bereit. Hätten sie jedoch das 0,7-Prozent-Ziel eingehalten, wären es insgesamt über 315 Milliarden US-Dollar (rund 300 Milliarden Euro) gewesen. 

Damit sie ihre Zusagen einhalten, müssen Nichtregierungsorganisationen, Aktivist*innen, Politiker*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Global Citizens wie du Druck auf die wohlhabenden Länder ausüben. Wir fordern die G7-Staaten auf, ihr Jahrzehnte altes Versprechen einzulösen und jährlich mindestens 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen.

Das Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels muss den Menschen zugute kommen, die weltweit am dringendsten Unterstützung brauchen und zur langfristigen Bekämpfung von Armut und Hunger beitragen. So haben 2015 beispielsweise viele wohlhabende Länder die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe für einkommensschwache Länder weltweit gekürzt, um die Ausgaben zur Unterstützung von Geflüchteten im Inland zu decken. Diese Ausgaben sind natürlich wichtig, doch sie dürfen nicht zulasten bereits bestehender Zusagen für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe gehen. Bei der Antwort auf den Krieg in der Ukraine darf also nicht der gleiche Fehler gemacht werden wie bei der Antwort auf den Krieg in Syrien. Die absolut essentielle Unterstützung geflüchteter Menschen im Inland muss zusätzlich zu den versprochenen 0,7 Prozent geleistet werden. Wir dürfen eine Krise nicht mit einer anderen aufrechnen.    

Deutschland hat in den letzten zwei Jahren das 0,7-Prozent-Ziel erreicht

Am 6. Juni 2022 äußerte sich UN-Generalsekretär António Guterres auf Twitter

"Es gibt jüngste Anzeichen dafür, dass einige Länder tiefe Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe in Erwägung ziehen – eine Umkehrung früherer Zusagen. Das ist alarmierend. Ich fordere sie dringend auf, dies noch einmal zu überdenken, da diese Kürzungen schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Ärmsten haben werden." 

Zu den Ländern, die ihre Mittel bereits gekürzt haben, gehört zum Beispiel das Vereinigte Königreich und es besteht die Gefahr, dass weitere Länder diesem Beispiel folgen werden.

Deutschland hat als einziges G7-Land in den vergangenen zwei Jahren das 0,7-Prozent-Ziel erreicht und wird es voraussichtlich auch 2022 tun. Damit ist die Bundesregierung in einer starken Positionen, die G7-Partner aufzurufen, das Gleiche zu tun. Da Deutschland den Vorsitz des diesjährigen Gipfels innehat, kann die Bundesregierung die Agenda hier maßgeblich beeinflussen.   

Was muss beim G7-Gipfel passieren, damit eine starke Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe gewährleistet werden kann?

Die G7 müssen sich dazu verpflichten, das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen oder gar zu übertreffen. Dabei dürfen die Ausgaben zur Unterstützung von Geflüchteten im Inland sowie die Kosten für abgegebene COVID-19-Impfstoffe nicht auf die 0,7 Prozent angerechnet werden. Gleichzeitig müssen die G7 sicherstellen, dass die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe tatsächlich den Menschen in den einkommensschwächsten Ländern weltweit zugute kommen.

Wenn auch du dich für ein Ende extremer Armut und starke Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe einsetzen willst, dann unterstütze unsere Forderungen und werde mit uns aktiv. 

Advocacy

Armut beenden

Wie die G7-Staaten mit einfachen Schritten Verantwortung übernehmen können

Ein Beitrag von Nora Holz