Die meisten werden sich wahrscheinlich noch an den Wahlkampf in den USA erinnern, der letztes Jahr am 8. November seinen Höhepunkt fand: an dem Tag ging es für die Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump um alles oder nichts. Wer wird ins Weiße Haus einziehen?

In Europa gingen viele schlafen mit dem sicheren Gefühl, am nächsten Morgen in einer Welt aufzuwachen, in der die USA ihre erste Präsidentin sehen würde. Es kam anders.

„Ich hoffe sehr, dass Sie alle ihre Stimme nutzen und wählen gehen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Ihre Zukunft davon abhängt“, sagte Kandidatin Clinton noch am Vorabend der Wahl.

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Schauen wir uns kurz an, was passiert war

Sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump waren sich sicher, sie könnten die Wahl unter anderem für sich entscheiden, in dem sie bestimmte Wählergruppen ‘aktivieren’, die normalerweise weniger zahlreich bei Wahlen vertreten sind. Für die Demokratin waren das die jungen Wähler. Trump hingegen setzte vermehrt darauf, bildungs- und einkommensschwache Wähler an die Wahlurne zu kriegen.

Und noch etwas wurde in der US-amerikanischen Wahl klar: Auf Prognosen kann man sich nicht verlassen. Zwar entschieden sich am Ende zahlenmäßig mehr individuelle Wähler für Hillary Clinton, doch diese waren auf weniger Bundesstaaten verteilt, so dass Trump letztendlich mehr Wahlmänner erhielt, womit ihm die Präsidentschaft sicher war.

Die Moral von der Geschicht:

Das Ergebnis hätte anders ausfallen können. Denn es waren gerade einmal 58% aller Wahlberechtigten, die über die Zukunft ihres Landes abgestimmt hatten. Was wäre gewesen, wenn es 65% oder sogar 100% gewesen wären?

Okay. Und jetzt? Wie stehts um die Wahlbeteiligung in Deutschland?

Schön und gut. Das war in den USA. Aber Deutschland ist nicht die USA. In Deutschland gibt es keine Wahlmänner, sondern Erst- und Zweitstimme. Stimmt. Nichtsdestotrotz gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden Ländern.

Auch in Deutschland gehen Menschen, die ein niedriges Einkommen haben, weniger häufig wählen als Besserverdiener. Das ging aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor, die nach der letzten Bundestagswahl durchgeführt wurde. Dieser Umstand schafft ein politisches Ungleichgewicht, denn wenn ein so großer Teil einer Wählerschaft nicht von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, treten die Interessen dieser Leute schnell in den Hintergrund.

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Gleiches zeigt sich auch bei den jungen Wählern. Vor vier Jahren gingen gerade einmal 60 Prozent der 21- bis 26-Jährigen zur Wahlurne, um ihre Stimme abzugeben. Das führte dazu, dass mehr ältere als jüngere Wähler das Wahlergebnis beeinflussten. Und auch das führt zu Ungleichheiten, denn die jüngeren Wähler werden von vielen der politischen Entscheidungen, die in den nächsten Jahren getroffen werden, stärker betroffen sein als die älteren (teils pensionierten) Wähler: wie steht es zum Beispiel um die Bildungschancen im Land, wie hoch soll der Mindestlohn sein oder kommt doch das bedingungslose Grundeinkommen?

Butter bei die Fische: Warum gehen Leute nicht wählen?

Bei der letzten Bundestagswahl 2013 lag die Wahlbeteiligung in Deutschland bei 71,5 Prozent. Das hört sich gegenüber den USA toll an, weil prozentual mehr Wähler ihre Stimme abgegeben haben. Aber: Im Vergleich zu vorherigen Bundestagswahlen seit 1949 ist die Wahlbeteiligung stark zurückgegangen (1972 gingen noch sage und schreibe 91,1(!) Prozent zur Wahl). Haben wir einfach kein Interesse mehr an Politik?

Jein. Eine Theorie ist, dass wir heutzutage häufig meinen, zu beschäftigt zu sein, um zum Wahllokal zu gehen. Das gilt vor allem für Landtags- oder Europawahlen. In den USA zeigte sich das gleiche zum Beispiel auch bei den Zwischenwahlen im Jahr 2014: mehr als 28% der Wahlberechtigten haben ihre Stimme nicht abgegeben, weil sie zu beschäftigt waren, und weitere 16% hatten einfach kein Interesse.

Man kann aber nicht nur die Gleichgültigkeit mancher Wähler für die maue Wahlbeteiligung verantwortlich machen. Für viele kann es auch schwierig sein, zum Wahllokal zu kommen. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, ist die Briefwahl, die jeder Deutsche ohne Angabe von Gründen beantragen kann (übrigens auch für die deutschen Staatsbürger, die im Ausland leben).

Vielleicht könnte Deutschland sich für die Zukunft auch überlegen, Online-Wahlen anzubieten. In Estland ist das schon gang und gäbe. Mittlerweile geben dort schon mehr als ein Viertel aller Wähler ihre Stimme online ab. 

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Die Wahrheit

Viele Nicht-Wähler glauben, dass ihre Stimme nichts verändern kann und Wählen zu gehen daher einfach „keinen Sinn macht“. Außerdem fühlen sich viele junge Wähler von den Parteien und ihren Wahlkampfthemen nicht angesprochen. Wenn es zum Beispiel vermehrt um das Thema Rente geht, schalten viele junge Leute schnell ab. Durchaus verständlich.

Genau so bewegen wir uns aber in einem Teufelskreis: je weniger junge Menschen wählen gehen, desto mehr konzentrieren sich Parteien auf die Themen, die ihre tatsächliche Wählerschaft, also ältere Menschen, interessieren. Was wiederum mehr junge Menschen abschreckt.

Würden jedoch mehr junge Wähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, würden sie eine größere Gruppe darstellen und somit auch ein stärkeres Gegengewicht zu einer älteren Wählerschaft. Und obendrein Politikern beweisen, dass Politik nicht etwas ist, für das sich nur die ältere Generation interessiert.

Die absolut wichtigste Erkenntnis ist allerdings:

Indem man zu Hause bleibt und nicht wählen geht, verpasst man nicht nur die Chance, die Zukunft mitzugestalten, sondern stärkt ungewollt auch andere, zum Beispiel extreme Parteien, deren Unterstützer mit ziemlich hoher Sicherheit ihre Stimme abgeben werden. Und das ist Fakt.

Also.

Jeder Wahlberechtigte hat alle vier Jahre die Chance, die Zukunft Deutschlands mitzuentscheiden und diese Chance sollte jeder nutzen. Deshalb gilt: ein Global Citizen sein, die Bundestagswahl am 24. September in euren Kalender eintragen, am besten auch Freunde und Familie daran erinnern und dann auch wählen gehen!

Editorial

Gerechtigkeit fordern

US-Wahl, Brexit - ihr erinnert euch? Gut. Denn jetzt sind wir dran!

Ein Beitrag von Katrin Kausche