In diesen Tagen kommen Politiker*innen von SPD, Grünen und FDP zu Koalitionsverhandlungen in Berlin zusammen. Das Ziel: Die Grundlage für die nächste Bundesregierung legen. 

Nachdem Deutschland am 26. September gewählt hat und keine Partei eine absolute Mehrheit erzielen konnte, gilt es jetzt, eine neue Koalition für die nächsten vier Jahre zu bilden. 

SPD, die Grünen und FDP stellen mit 416 von 736 Sitzen im Bundestag die Mehrheit. Nach den Sondierungsgesprächen, in denen die Parteien die groben Linien ihrer Zusammenarbeit entwickelt haben, geht es jetzt darum, die Details ihrer zukünftigen Zusammenarbeit in den Koalitionsverhandlungen zu erarbeiten. 

So entsteht ein Regierungsfahrplan, in dem dargelegt werden soll, was die nächsten vier Jahre alles verändert und angepackt werden soll. Im besten Fall steht auch schon fest, wie sie die neuen Vorhaben bezahlen. 

Aber wie können wir uns diese Verhandlungen überhaupt vorstellen und warum ist wichtig, was da passiert?
Wir haben ein paar Fragen und Antworten für dich zusammengetragen: 

Wer verhandelt da genau was?

Knapp 300 Politiker*innen kommen in insgesamt 22 Facharbeitsgruppen zusammen. Ziemlich viele, aber es gibt auch genug zu besprechen. Jeweils vier bis sechs Politiker*innen aus jeder der drei Parteien kommen in den Arbeitsgruppen zusammen und besprechen sieben große Themenblöcke: Moderner Staat und Digitalisierung, Klimaschutz, Arbeitswelt, Familie und Kinder, Freiheit und Sicherheit, Äußeres und Verteidigung, Staatsfinanzen.

Das Ziel der Arbeitsgruppen: Jeweils ein Papier mit konkreten Vorschlägen erarbeiten, das  laut der Nachrichtenagentur Reuters nicht länger als sechs Seiten lang sein darf. Ganz wichtig dabei: Es muss klar werden, was die jeweiligen politischen Maßnahmen kosten und wie sie finanziert werden sollen.

Welchen Zeitplan gibt es?

Am 27. Oktober fiel der Startschuss für die Gespräche und wir waren auch vor Ort, um den Verhandler*innen wichtige Botschaften mit auf den Weg zu geben.

Die Rahmenbedingen sind laut Informationen der Tageszeitung taz klar formuliert: Verhandelt wird unter der Woche von 11 bis 17 Uhr. Damit zeigt die Ampel-Koalition bereits jetzt, dass Familienfreundlichkeit ein wichtiges Thema für sie ist, denn auch unter den Verhandler*innen befinden sich Mütter und Väter. 

Die Verhandlungspartner*innen wollen die Gespräche bis zum 10. November um 18 Uhr abschließen. Dann legen die verschiedenen Arbeitsgruppen Positionspapiere zu ihren Themenbereichen vor.

Anschließend sollen die Hauptverhandler*innen, bestehend aus den Parteispitzen (darunter die Spitzenkandidat*innen Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Christian Lindner), die offenen Fragen und Knackpunkte klären. 

Wenn all das so klappt, könnte Ende November der Koalitionsvertrag fertig sein, der von den drei Parteien jeweils intern bestätigt werden muss. Dies geschieht im Fall der Grünen mit einer digitalen Mitgliederbefragung, bei der FDP sowie vielleicht auch bei der SPD auf einem Sonderparteitag.

In der Woche des Nikolaustags, rund um den 6. Dezember, könnte Olaf Scholz dann im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.

Was hat das mit einer gerechten Welt zu tun?

Unheimlich viel, denn Deutschland trägt als eines der wohlhabendsten Länder der Welt eine große Verantwortung. Dafür muss die neue Regierung globale Gerechtigkeit in den Fokus rücken und Entwicklungszusammenarbeit sowie humanitäre Hilfe nachhaltig gestalten und angemessen finanzieren. 

Und die Uhr tickt, denn die nächste Bundesregierung steht vor großen Aufgaben: Die Zahl der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, steigt wegen der COVID-19-Pandemie erstmals seit 30 Jahren wieder an. Das Ziel, extreme Armut bis 2030 zu beenden und damit die Global Goals, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, zu erreichen, ist akut gefährdet. 

Was fordert Global Citizen für die Verhandlungen?

Um sicherzustellen, dass Deutschland einen entscheidenden Beitrag für eine gerechte Welt leistet, setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland sein internationales Versprechen einhält und mindestens 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitstellt. Wir fordern somit, das 0,7-Prozent-Ziel im Koalitionsvertrag zu verankern.

Gleichzeitig fordern wir einen Kurswechsel in der globalen Pandemiebekämpfung: Für einen weltweit gerechten Zugang zu Impfstoffen braucht es einen massiven Ausbau der Impfstoffproduktion auch in Ländern des globalen Südens. Der Ausbau kann nur gelingen, wenn das notwendige technologische Wissen von großen Pharmakonzernen geteilt wird und Impfstoffpatente für die Zeit der Pandemie freigegeben werden. Dafür müssen sich die Koalitionsparteien einsetzen!

Die 20 reichsten Länder der Welt, darunter Deutschland, sind außerdem für 80% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden jedoch die ärmsten Menschen der Welt. Wir fordern daher, dass Deutschland sich bis 2030 zur Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 70 Prozent verpflichtet. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland seinen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung bis 2025 von vier auf acht Milliarden Euro jährlich erhöht. 

Wie kann ich die Verhandlungen beeinflussen?

Auch wenn die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, kannst du aktiv werden und die Parteien, die zusammen sitzen, auffordern, globale Themen ausreichend mitzudenken. Das geht ganz einfach: Schließe dich unserer Forderung an, das  0,7-Prozent-Ziel im Koalitionsvertrag zu verankern und sende jetzt unseren Tweet an die Ampel-Parteien.

Und wie immer gilt: Nutze deine Stimme, denn die kann #ZukunftSchaffen! Was wünschst du dir von der neuen Bundesregierung? Nimm ein kurzes Video auf, in dem du mitteilst, was für dich das wichtigste globale Thema ist. Wir schneiden die Beiträge zu einem Video zusammen und überreichen es der neuen Bundesregierung und den neu gewählten Abgeordneten im Bundestag.

Global Citizen Explains

Gerechtigkeit fordern

Ampel-Koalitionsverhandlungen: Alles, was du wissen musst

Ein Beitrag von Friederike Meister