Dr. Christoph Hoffmann ist Forstwirt und seit 2017 Mitglied des Bundestags. Er ist entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, fordert mehr Klimaschutz und Multilaterale Programme für die Entwicklungszusammenarbeit.

Herr Hoffmann, 2019 steht der Entwicklungszusammenarbeit mit insgesamt rund 10,2 Milliarden deutlich mehr Geld zur Verfügung, als noch in diesem Jahr. In einer Bundestagsrede sagten Sie, das alleine sei kein Grund zu feiern. Was genau muss denn passieren, damit Entwicklungszusammenarbeit effizienter wird?

Wenn es um humanitäre Nothilfe geht, hilft mehr Geld sofort. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, ist ein gutes Beispiel: Sie können und müssen das Leben von Flüchtlingen in Camps durch mehr Geld sofort positiv beeinflussen.

Bei Entwicklungszusammenarbeit geht es hingegen darum, für mehr Wohlstand in Entwicklungsländern zu sorgen. Dafür braucht es mehr als schnelles Geld: Es braucht einen nachhaltigen, vielschichtigen Plan, der messbar ist. In Deutschland fehlen die konkreten Ziele allerdings, wenn es um Maßnahmen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit geht. Bei uns gibt es Jahresbudgets, das heißt: Pro Jahr muss ein bestimmter Geldbetrag ausgegeben werden. Das führt oft dazu, dass gen Jahresende noch mal Druck gemacht wird, Gelder für laufende Projekte auszugeben. Aber das ist nicht effizient. Ein Vorbild wären in diesem Fall die USA, die Fonds anlegen. Wann immer ein Projekt erfolgreich umgesetzt wurde, wird das Geld dafür abgerufen. Ein anderes gutes Beispiel sind die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nation. Das sind klare Ziele und Zahlen, anhand derer sich prüfen lässt, was wirklich erreicht wird.

Das Ziel, das jedes entwickelte Land pro Jahr 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit ausgibt, wurde im Jahr 1972 bei einer Versammlung der Vereinten Nationen beschlossen. Deutschland schaffte dies nur ein einziges Mal. Ist dieses Ziel dann heute überhaupt noch relevant?

Das 0,7 Prozent-Ziel ist eine ungefähre Größe, die der Orientierung dient. So kann man sichergehen, dass alle Industriestaaten einen gerechten Beitrag in der Welt leisten. Für das kommende Jahr werden 10,2 Milliarden aus staatlicher Hand kommen, das sind rund 0,51 Prozent unseres BNEs. Hinzu kommen noch sieben bis acht Milliarden von Nichtregierungsorganisationen und privaten Partnern – dadurch ist der Gesamtanteil, den Deutschland leistet, deutlich höher.

Was wird von deutscher Seite getan, um die am wenigsten entwickelten Länder zu unterstützen?

Darauf fehlt in der deutschen Entwicklungspolitik derzeit eine Antwort. Es wäre wichtig, multilaterale Ansätze zu verfolgen. Wir müssen enger mit anderen Staaten, vor allem auf EU-Ebene, und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten – ganz besonders, wenn es um Investitionen in Bildung geht.

Gerechtigkeit heißt gleiche Chancen.

Der “Marshallplan mit Afrika” ist eine neue Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Er soll einer Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten dienen. Wie sinnvoll ist diese Initiative?

Den Namen halte ich für äußerst unglücklich. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA Deutschland mit dem Marshallplan auf die Füße geholfen: Rund 200 Millionen Amerikaner halfen 80 Millionen Deutschen nach der Zerstörung. Die Situation in Afrika und auch die Größenverhältnisse sind ganz andere: Selbst wenn wir ganz Europa zusammen nehmen, sind wir 350 Millionen gegenüber 1,5 Milliarden Afrikanern.

Dennoch: Die Idee, die Privatwirtschaft anzukurbeln in den afrikanischen Staaten und deutschen Unternehmen den Zugang zum afrikanischen Markt zu erleichtern, ist gut. Seit dem G20-Gipfel 2017 in Hamburg, wo es die erste Ankündigung des Vorhabens gab, warten wir allerdings auf konkrete Ergebnisse.

Was sind die drei wichtigsten Themen, auf die die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ihr Augenmerk richten sollte?

Dazu gehören definitiv die Förderung von Bildung und die Ausbildung von Fachkräften sowie Privatinvestitionen.

Aber mindestens genauso wichtig ist die Prävention: Wir müssen afrikanische Regierungen in Good Governance (Anm.d.Red. gute Regierungsführung) schulen. Und wir müssen rechtzeitig erkennen, wenn Staatschefs autokratische Züge annehmen, wie es beispielsweise gerade in Tansania passiert. Da müssen wir als Europa geschlossen Stoppschilder hochhalten, damit diese Regierungen merken, dass sie damit nicht durchkommen.

Was muss passieren, damit das Thema Entwicklungspolitik mehr Aufmerksamkeit bekommt?


Es gibt einen Teil in der Gesellschaft, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst – denken Sie an die “Dritte-Welt-Läden”. Zudem ist den Menschen durch die Migrationsbewegungen in den vergangenen Jahren klar geworden, dass es globale Konsequenzen hat, wenn die Ungleichheit in der Welt groß ist. Dank des Internets kann man sich anschauen, wie es woanders zugeht. Das zeigt dem ein oder anderen hierzulande, wie prekär die Lebensbedingungen einiger Menschen sind. Das ist eine Form des Austausches. Doch da geht noch viel mehr: Ich bin dafür, dass ein Austausch zwischen Kommunen in Deutschland und beispielsweise in Afrika verstärkt werden muss, damit das Verständnis, das Interesse und die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung wächst.

Auch Global Citizens haben uns Fragen rund ums Thema Entwicklungszusammenarbeit geschickt. Eine davon lautet: Wie können Sie und wir eine Zukunft aufbauen, in der niemand zurückgelassen wird?

Das Schlüsselwort ist Bildung. Dann ist das Wesentlichste getan. Dennoch haben wir ganz unterschiedliche Umgebungen, Ressourcen und kulturelle Gegebenheiten in den Ländern und Regionen der Welt. Der Kontinent Afrika ist viel reicher als Europa – gigantische Rohstoffvorräte, Wasserkraft und Solarenergie. Doch was fehlt, ist gute Regierungsführung. Da müssen wir unterstützen.

Editorial

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Ein Beitrag von Jana Sepehr