Pandemie, Inflation, Krieg und Klimakrise: Das Wort „Krisenmodus“ war das Wort des Jahres 2023 und vor allem junge Menschen blicken Studien zur Folge pessimistisch in die Zukunft. Für den neuen Haushalt hat die Bundesregierung fast 2 Milliarden Euro bei der Entwicklungszusammenarbeit gestrichen – damit ist diese Zukunft noch weiter gefährdet. Denn diese Kürzungen haben Konsequenzen. Nicht nur für Deutschland – für die ganze Welt.
1. Die Verschärfung humanitärer Katastrophen
Deutschland und die USA sind mit Abstand die größten Geber von Entwicklungsgeldern auf der Welt. Wenn die Bundesregierung hier also kürzt, wird diese Lücke nicht einfach geschlossen. Und gerade jetzt steigt der Bedarf an Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit rapide an. Vor allem, wenn es um humanitäre Hilfe geht.
Noch nie waren weltweit so viele Menschen auf der Flucht. Gleichzeitig kürzt die Bundesregierung den Etat des Auswärtigen Amtes für humanitäre Entwicklung um 18 %. Das sind 478 Millionen € weniger als im Jahr 2023.
Die Anzahl von Menschen, die hungern, hat sich seit 2022 um mindestens 10 % erhöht. Das heißt, dass seit 2022 weltweit 20 Millionen Menschen mehr an Hunger leiden. Vor allem in Haiti, Jemen, Afghanistan und Somalia hat sich dieses Problem verschärft. Gleichzeitig hat die Bundesregierung ihren Beitrag zum Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) um ganze 26 % gekürzt. Das sind etwa 20 Millionen € weniger als im Vorjahr.
Besonders schwer fallen die Kürzungen aber in einem anderen Feld aus: Beim Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Die COVID-19-Pandemie hat die Fortschritte in der globalen Gesundheitsversorgung oder zum Beispiel bei der Armuts- und Hungerbekämpfung zunichte gemacht. Die Pandemie hat zudem oftmals existierende Krisen sogar verschärft. Entwicklungszusammenarbeit setzt aber da an, wo viele der Krisen auf der Welt entstehen. Und viele Länder sind von diesen Geldern abhängig – oft da sie vom Global Norden genau in diese Situation gebracht wurden.
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt zum Beispiel in Ländern, in denen die Regierung mehr für die Tilgung von Schulden ausgibt als für zwei der wichtigsten Pfeiler einer nachhaltigen Entwicklung: Bildung und Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig kürzt die Bundesregierung den Etat des BMZ um 8 % – ca. 940 Millionen Euro.
Gerade jetzt, im „Krisenmodus“, in einer Zeit, in der globale Krisen eher mehr werden als weniger, braucht es mehr und nicht weniger Unterstützung für Länder des Globalen Südens. Diese müssen diese Krisen nämlich oft ausbaden. Doch auch für Deutschland und andere Länder des globalen Nordens sind diese Sparmaßnahmen ziemlich schlechte Nachrichten.
Der Grund dafür steckt in der Ursache, warum Deutschland überhaupt so viel Geld in die Entwicklungszusammenarbeit gesteckt hat. Und es ist die zweite tragische Konsequenz aus den Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit.
2. Deutschland schießt sich ins eigene Bein
Probleme, die in der deutschen Öffentlichkeit besprochen werden, haben oft ihren Ursprung in einer globalen Krise oder einem Krieg. Sei es Inflation oder die dramatische Lage rund um Geflüchtete, all das wird durch Entwicklungszusammenarbeit bekämpft.
Deutschland zieht aber auch ganz konkrete wirtschaftliche Vorteile aus Investitionen in Entwicklungszusammenarbeit. Denn Investitionen in andere Länder sind gleichzeitig politische Annäherungen. Afrika und Südostasien gelten oft als einkommensschwache Regionen, gehören aber gleichzeitig zu den aufstrebenden Gebieten der Welt. Deutschland profitiert als Exportnation sehr von wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zu diesen Ländern und sollte gerade dort an der nachhaltigen Entwicklung interessiert sein.
Mit der Kürzung von Entwicklungsgeldern schwächt die Bundesregierung sich selbst, weil Krisen schwerer bekämpft werden können. Aber auch auf politischer Ebene: Deutschland verliert internationales Ansehen und Einfluss.
Das ist aber nicht alles. Man könnte ja jetzt denken: Was ist denn jetzt so schlimm daran, dass die Bundesregierung mal ein bisschen Geld spart? Das Land ist selbst nach der Kürzung immer noch einer der größten weltweiten Geldgeber in der Entwicklungszusammenarbeit.
Das Ding ist: Es zeichnet sich gerade auf globaler Ebene ein sehr gefährlicher Trend ab. Und durch Deutschlands Kürzungen könnte dieser Trend weiter eskalieren.
3. Andere Länder könnten es Deutschland nachmachen
Gerade weil Deutschland in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit so bedeutend ist, können Kürzungen fatal sein. Wenn ein großer Akteur wie Deutschland sein Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit zurückfährt, könnte diese Agenda auch für andere Länder an Priorität verlieren. Und dieser Trend ist schon in vollem Gange.
Das Vereinigte Königreich hat in den letzten Jahren deutliche Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit vorgenommen. Mit verheerenden Folgen für die sexuelle und reproduktive Gesundheit in Ländern wie Afghanistan, Malawi, Nigeria oder Pakistan. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat kurz nach der deutschen Kürzung den französischen Entwicklungsetat um fast 800 Millionen Euro gekürzt. Selbst die Entwicklungsetats von Ländern wie Norwegen und Schweden, die als Vorreiter in der Entwicklungszusammenarbeit gelten, geraten unter Druck durch den anhaltenden Aufstieg rechtspopulistischer Parteien.
Und das kommt noch dazu: Für 2025 diskutiert die Bundesregierung weitere Kürzungen für das BMZ von bis zu 1 Milliarden €. Dabei hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eigentlich vereinbart, mindestens 0,7 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. So würde sie diese Vorgabe nicht mehr erreichen. Gleichzeitig wäre das potenziell weiteres Futter für diesen ohnehin schon gefährlichen Kürzungstrend in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
Die Welt ist mit komplexen Herausforderungen konfrontiert: Die Auswirkungen der Pandemie, die Klimakrise, geopolitische Instabilität – der „Krisenmodus“. Die Notwendigkeit einer robusten und nachhaltigen internationalen Zusammenarbeit war noch nie so groß. Es ist unerlässlich, dass die Bundesregierung ihr Versprechen hält, keine weiteren Kürzungen vornimmt und und ihr Engagement für internationale Hilfe und Solidarität bekräftigt. Unsere gemeinsame Zukunft hängt davon ab.
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