Diese Epidemiologin beantwortet COVID-19-Fragen auf Instagram

Autor:
Jacky Habib

Amanda Lopez for Global Citizen

Im Februar 2020, als das COVID-19-Virus erstmals weltweit in die Schlagzeilen geriet, begann das Telefon von Jessica Malaty Rivera ununterbrochen zu brummen. Freund*innen und Familienangehörige der Epidemiologin für Infektionskrankheiten wandten sich zunehmend besorgt mit Fragen an sie. 

"Meine Freund*innen kennen meinen beruflichen Hintergrund und wissen, dass ich bei der Arbeit einen Bezug zu neu auftretenden Krankheiten habe. Sie schickten mir alle möglichen Fragen: Was ist das SARS-CoV-2? Was ist eine Pandemie? Was bedeutet Herdenimmunität? Sie stellten mir all diese Fragen und ich dachte, vielleicht mache ich einfach ein paar [Instagram] Stories für sie, damit ich nicht den ganzen Tag private Nachrichten schreiben muss", erzählte sie Global Citizen.

Rivera, die zu diesem Zeitpunkt etwa 1.000 Follower*innen hatte und auf deren Instagram-Account hauptsächlich Fotos von ihren Kindern und Familienurlauben zu sehen waren, begann, Inhalte über das Virus zu posten. Sie nahm komplexe wissenschaftliche Informationen und wandelte sie in jargonfreie, verständliche Details um. 

Sie begann mit der Beantwortung der häufigsten Fragen, die ihr gestellt wurden. Schon bald fing sie an, Fragen der Öffentlichkeit in Form von Wochenend-AMAs ("ask me anything"-Segmente) auf ihrem Instagram-Konto zu beantworten. 

Durch die immer interaktiveren Inhalte gewann sie eine große Anhängerschaft. Rivera erhielt Tausende von Fragen und wählte etwa 50 aus, um Antworten im Selfie-Stil zu filmen, was bei ihren Follower*innen gut ankam.

"Es hat sich zu einem wissensdurstigen, unersättlichen Publikum gewandelt, von dem ich nie geahnt hatte, dass es in diesem Medium existiert", erklärte sie.

When the pandemic hit, Jessica Malaty Rivera took to Instagram to educate friends.
When the pandemic hit, Jessica Malaty Rivera took to Instagram to educate friends.
Image: Amanda Lopez for Global Citizen

Zwischen März und Dezember 2020 wuchs die Zahl von Riveras Follower*innen auf 170.000. Mittlerweile folgen ihr über 336.000 Menschenauf Instagram – und ihre Community wächst stetig. 

Unerlässlich nutzte sie die Plattform, um über das Coronavirus, Impfstoffe und ganz allgemein über pandemiebezogene Gesundheitsinformationen aufzuklären. Dabei kommt sie immer wieder auch auf die COVID-19-Impfstoffe zu sprechen, um das Vertrauen in diese zu stärken und die "Infodemie" der Fehlinformationen im Internet einzudämmen.

Doch die Bekämpfung von Mythen und Fehlinformationen sei ein endloser Job, so Rivera. "Ich würde nie schlafen, wenn ich nur [Mythen] entlarven würde.” Stattdessen fokussiere sie sich darauf, sachliche, zugängliche Daten weiterzugeben. 

"Es kann manchmal mehr schaden als nützen, wenn man sich auf das Widerlegen von Mythen konzentriert. Man muss diesen Trend nämlich nicht nur mit verlässlichen Informationen überwältigen, sondern auch kommunizieren, dass diese Dinge keinen starken Einfluss auf die [Social Media-]Feeds und die Köpfe der Menschen haben sollten", erklärte sie. Besser sei es, selbst “mit guten Daten vorzupreschen."

Rivera zufolge fänden sich in vielen Bereichen der Gesellschaft Menschen mit einer sehr zögerlichen Haltung gegenüber Impfstoffen. Laut ihr gehörten dazu auch BIPOC-Gemeinschaften, die durch medizinische Experimente und medizinischen Rassismus traumatisiert seien. Ihrer Ansicht nach läge es in der Verantwortung der medizinischen Gemeinschaft, das Vertrauen dieser Menschen in die Impfstoffe zu stärken, indem sie deren Sicherheit umfassend nachweisen.

Jessica Malaty Rivera is using Instagram to educate an audience of over 336,000 people about the coronavirus, vaccines, and pandemic-related health information.
Jessica Malaty Rivera is using Instagram to educate an audience of over 336,000 people about the coronavirus, vaccines, and pandemic-related health information.
Image: Amanda Lopez for Global Citizen

Rivera postet in den sozialen Medien abwechselnd auf Englisch, Arabisch und Spanisch und ist eine leidenschaftliche Verfechterin von Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion in der Wissenschaft. 

"Die Wissenschaft und die akademische Welt ist eine sehr von weißen Männern dominierte Welt. Man sieht nicht viele Menschen, die wie ich aussehen. Aber es gibt uns und wir werden immer mehr", sagte sie.

Obwohl Women of Color bei der Bekämpfung der Pandemie an vorderster Front stehen – etwa Kizzmekia Corbett, deren Forschung dazu beigetragen hat, die COVID-19-Impfstoffe zu ermöglichen –, gibt es noch immer strukturelle Hürden für diese Frauen.

“Es gibt viel ‘Mansplaining’ und ‘Gaslighting’, und es wird [Women of Color] nicht erlaubt, die gleichen Führungsrollen in der Wissenschaft einzunehmen. Es liegt mir sehr am Herzen, [unsere] Stimmen zu erheben", sagte Rivera.

Trotz der Resonanz, die sie mit ihrer Aufklärungsarbeit in den sozialen Netzwerken erzeugt hat, betreibt sie diese weiterhin ausschließlich als Nebenprojekt in ihrer Freizeit – sofern sie denn welche übrig hat. Denn eigentlich ist sie Forscherin am Boston Children's Hospital und gehört außerdem zum Netflix-Team für Infektionsprävention. Dort unterstützt sie den Produktionsriesen in der Erstellung von COVID-19-Sicherheitsprotokollen und der Teststrategie an den Drehsets. Und als wäre das noch nicht genug, ist sie auch noch COVID-19-Expertin für die Sender CNN und NBC. 

In ihrer Funktion als leitende Wissenschaftskommunikatorin für das COVID Tracking Project übernimmt sie seit mittlerweile über einem Jahr eine Schlüsselrolle in der Aufzeichnung, Rückverfolgung und Systematisierung von COVID-19-Daten in den USA.

(L) Jessica Malaty Rivera is photographed at her home in California in July 2021. (R) Rivera's work materials and social media platform are pictured. Rivera has amassed an audience of over 336,000 who are learning about the coronavirus.
(L) Jessica Malaty Rivera is photographed at her home in California in July 2021. (R) Rivera's work materials and social media platform are pictured. Rivera has amassed an audience of over 336,000 who are learning about the coronavirus.
Image: Amanda Lopez for Global Citizen

Das COVID Tracking Projekt wurde von Journalist*innen des Verlags The Atlantic ins Leben gerufen. Als Rivera sah, dass diese für einen Artikel über COVID-19-Tests nicht genügend Daten zur Verfügung hatten, schickte sie ihnen eine Nachricht und erklärte sich bereit,den Verlag zu unterstützen.

"Innerhalb einer Stunde wurde ich zu jedem Slack-Kanal hinzugefügt und ich sagte [ihnen], dass mich meine ganze Karriere auf genau diesen Moment vorbereitet hat", sagt sie.

Rivera, die sich in den letzten 15 Jahren mit der Erforschung von Infektionskrankheiten, der öffentlichen Gesundheitspolitik und dem Einsatz für Impfstoffe befasst hat, war sofort bereit, der breiten Öffentlichkeit wissenschaftliche Begriffe und Daten zu erklären. 

Das COVID Tracking Project veröffentlicht wöchentliche und zweiwöchentliche Analysen von COVID-19-Tests und den damit verbundenen Daten. Milliarden von Menschen haben sie gelesen. Zudem wurden die Daten in Tausenden von medizinischen Fachzeitschriften, in allen Nachrichtenredaktionen der USA und von der CDC sowie dem Übergangsteam von Präsident Joe Biden zitiert, und nicht zuletzt als Grundlage für seine COVID-19-Pläne verwendet. 

"Meine Arbeit dort ist bei weitem die sinnvollste, die ich in meiner gesamten Laufbahn gemacht habe und machen werde... In einer Zeit, in der ich das Gefühl habe, dass COVID-19 so viel Verlust verursacht hat und sich viele Menschen betrogen fühlten, konnte ich sie durch meine Arbeit verbessern", sagte Rivera. 

Sie fügte hinzu: "Es war aber auch sehr hart für mich. Ich habe sechs Monate lang fast jede Nacht geweint, wenn ich mir die Daten ansah, weil ich gleichzeitig bemerkte, wie Freund*innen ins Flugzeug stiegen und verreisten. Ich dachte: 'Leben wir in verschiedenen Universen?' Es war sehr beunruhigend. Ich hatte einige wirklich dunkle Tage."

Inzwischen ist Rivera geimpft und fokussiert ihre Energie darauf, andere zu ermutigen, sich ebenfalls impfen zu lassen. Sie sagte, es sei "eine der uneigennützigsten Dinge, die man tun kann", um diejenigen zu schützen, die anfälliger sind oder die nicht für die Impfung in Frage kommen. 

Sie ist der Überzeugung, dass der Zusammenhalt in der Gemeinschaft das Fundament für öffentliche Gesundheit ist. Darum hilft Rivera ihrer Online-Community, auch deren Offline-Gemeinschaften zu schützen. 

Jessica Malaty Rivera is photographed in her home in California in July 2021.
Jessica Malaty Rivera is photographed in her home in California in July 2021.
Image: Amanda Lopez for Global Citizen

Wenn uns das Jahr 2020 etwas über globale Gesundheit gelehrt hat, dann ist es die Relevanz von Impfstoffen. Die Serie “World's Best Shot” erzählt die Geschichten von Impfstoff-Aktivist*innen auf der ganzen Welt.

Diese Serie wurde mit Unterstützung durch die Bill and Melinda Gates Stiftung ermöglicht. Jeder der Beiträge ist redaktionell unabhängig erstellt worden.