Es kribbelt in den Händen und Füßen. Also los jetzt! Helfen, irgendwie! Mit anpacken, einfach mal was machen und nicht nur bloß zusehen. Aber wie bloß? Wo anfangen? Und wen kann man denn mal fragen?

An alle, denen in letzter Zeit solche oder ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen sind - seid gewiss, ihr seid nicht allein. Wir alle sind ja nicht auf den Kopf gefallen und wissen wie und wo man sich informieren kann. Aber manchmal ist es trotzdem schlichtweg schwierig, den richtigen Anfang zu finden, vor allem angesichts der Tatsache, dass Hilfe überall gebraucht wird, aber man selbst nicht so richtig weiß, ob gerade 'ich' auch behilflich sein kann. Das letzte was man will ist ja im Weg stehen.

Ich persönlich finde es in solchen Fällen immer hilfreich, anderen zu lauschen, die den ersten Schritt gemacht haben. Meistens bringt das bei mir den entscheidenden Anstoß, aktiv zu werden weil man denkt: Hey, das klingt gut, das kann ich auch, das mach ich!

Eine dieser motivierenden Geschichten kommt von Miriam. Die 25-jährige arbeitet als Product Managerin in einem Handelshaus in Hamburg und hat beschlossen: Jetzt mach ich was. Und das Ergebnis ist eben so schön, voller spannender Erfahrungen wie auch höchst zufriedenstellend. Hier ist Miriams Geschichte:  

Angefangen hat alles mit Facebook. Ich bin auf die Gruppe „Kleiderkammer Messehallen“ aufmerksam geworden und beigetreten. Die Gruppe ist ein Zusammenschluss freiwilliger Helfer, die in den Messehallen in Hamburg ehrenamtlich arbeiten und aushelfen, wo sie können.

Als ich dann zwei Urlaubstage vor mir hatte, war klar was zu tun ist. Ich habe meinen kompletten Kleiderschrank ausgemistet und meine Nachbarn gefragt, ob auch Sie ein paar Klamotten abzugeben haben, die ich mitnehmen kann.DieResonanz war überwältigend. Ich hatte mir vorgestellt mit ein paar Tüten auf meinem Fahrrad zu den nahe gelegenen Messehallen zu fahren, aber da wusste ich noch nicht,dass mir meine Nachbarn ganze Koffer voll mit Spenden vor die Tür stellen würden.

Also kurz umdisponiert und dann mit der Unterstützung meiner Mama und sämtlichen ungenutzten Kleidungsstücken,die noch von mir und meinem Bruder in meinem Elternhaus übrig geblieben sind, den Koffern und Tüten meiner Nachbarn und meiner eigenen Ausbeute, zu den Messehallen.

Da kamen wir an und waren erst Mal überrascht von dem regen Treiben. Wir haben alles abgegeben und ich habe am Empfang gleich gefragt,ob ich noch helfen könne. „Klar, jede Hand wird gebraucht. Mach dir ein Namensschild und frag gerne wer noch Hilfe braucht“. 
Also hab ich mir ein Namensschild aus Kreppband gemacht und bin gleich bei der Schuh-Sortierung hängengeblieben. Sortiert wird nach 1. Wahl, 2. Wahl und Müll. Los geht’s! Paare Sammeln, Größe auf die Sohle schreiben, Gummiband drum und ab ins Regal.

Die ganze Halle B6 sieht aus wie ein chaotischer, aber gesitteter Ameisenhaufen der durch das Verständnis der Nächstenliebe und der Idee „Einfach mal machen und anpacken“ zusammengehalten wird und lebt. Niemand steht rum, sondern jeder hilft wo und wie er kann. Freiwillige bringen Spenden vorbei, versorgen die Helfer mit Essen und Trinken und packen eben auch einfach mit an, wo Hilfe gebraucht wird.
Ständig rotieren und wechseln die Helfer, einer muss los, ein anderer kommt hinzu und was getan werden muss ist entweder offensichtlich oder wird kurz von einem anderen Freiwilligen „überliefert“ - so wie es ihm vorherauch mal jemand gesagt hat.

Ich blieb den ganzen Nachmittag da und die Zeit verging wie im Fluge. Man fühlt sich wie von einer Woge der „Anpack-Euphorie“ mitgerissen und danach war ich zwar wirklich erschöpft,aber auch zutiefst zufrieden. Und das Schöne: Man ist ganz automatisch unter Gleichgesinnten und lernt super spannende Leute kennen.

Zum Beispiel James –ein Frisör aus Hamburg, der ebenfalls das erste Mal da war und mit seinen Kollegen versucht, einen provisorischen Frisörsalon aufzubauen, um Flüchtlingen anzubieten, sich kostenlos die Haare schneiden zu lassen.
Kurz vor meinem Aufbruch habe ich dann rumgefragt ob Morgen auch Hilfe benötigt wird – „Ja dringend. Morgen früh ist Ausgabe an die Flüchtlinge“. Gefragt – Gesagt – Getan.

09:30 Uhr, Halle B6. Noch ist es relativ ruhig, aber schon jetzt werden Kisten gepackt, rumgeschoben und Klamotten auf Tischen nach Größen sortiert und mit Klebestreifen beschriftet, um die Ausgabe später zu erleichtern.

Es folgt eine Hygieneeinweisung, alle ziehen sich Handschuhe an und wir bilden Teams mit jeweils einer Helferin die Arabisch, Farsi oder ähnliches spricht und direkt vorne an der Ausgabe stehen wird.Alle begrüßen sich, sind aufgeregt und freuen sich.

Dann geht's los. Die Türen werden von der Security geöffnet und Gruppe für Gruppe strömt herein – Familien, Paare, Angehörige oder Freunde. Albanisch, Farsi, Arabisch – alles durcheinander. Erstversorgung mit Starterkits, zwischen Umtausch und dem Auffüllen von Hygieneartikeln. Es wird laut, hektisch, traurig, herzzerreißend, anstrengend und manchmal auch unangenehm, aber alle machen mit, rufen sich gesuchte Artikel entgegen, rennen, laufen, suchen.„Herren Turnschuhe in Größe 43 bitte“ – Hin und Her.

Ich wollte ursprünglich nur ein paar Stunden bleiben – am Ende war es 17 Uhr, bis ich mich müde aber glücklich auf den Nachhauseweg machte, mit dem Gefühl im Gepäck, dass so wenig dazu gehören kann zu helfen, wenn man „einfach mal macht“.

Miriam Cremer


Wer sich nach Miriams Erfahrungsbericht ebenfalls motiviert fühlt mit anzupacken, dem seien hier ein paar erste, wertvolle Tipps und Anlaufstellen gegeben:

- Auf der Seite von ProAsyl findet man eine Deutschlandkarte, auf der viele lokale Initiativen eingetragen sind. Anklicken, reinzoomen, was passendes finden. 

- Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Diakonie, aber auch lokale kirchliche Verbände und Vereine haben inzwischen online oft eine Sonderseite eingerichtet und/oder stellen eine Telefonnummer bereit, um denjenigen Auskunft zu geben, die helfen wollen. Einfach mal online stöbern, es findet sich mit Sicherheit etwas in eurer oder in der nächstgelegenen Stadt.   

- Auf dieser Seite vom NDR findet ihr eine Liste an Onlineportalen aus Hamburg, Niedersachen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, die verschiedene Möglichkeiten bieten, aktiv zu werden. Über Kleiderspenden bis hin zu Vor-Ort aktiv mithelfen ist alles dabei.

- Oder aber ihr startet eure eigene Aktion! Was spricht dagegen? Genau: Nichts! Wie wär's wenn ihr Miriams Initiative folgt und einfach mal im Freundeskreis und in der Nachbarschaft rumfragt, wer saubere, noch tragbare Kleidung und Schuhe übrig hat und spenden möchte? Auch hier der Tipp: wendet euch an die Diakonie, an kirchliche Verbände und /oder einer Initiative in eurer Stadt und fragt nach, wo ihr Kleidung abgeben könnt. 

Editorial

Gerechtigkeit fordern

Ich bin weder vom Roten Kreuz noch von der Feuerwehr - wie kann ich trotzdem aktiv Flüchtlingen helfen?

Ein Beitrag von Aileen Elsner