Marketingexperten empfehlen, dass wir uns mehr auf unser Herz als auf unseren Verstand verlassen, wenn wir Entscheidungen treffen. Ob wir einen politischen Kandidaten wählen, einen Kauf tätigen oder eine Wohltätigkeitsorganisation unterstützen: in der Regel geben unsere Emotionen den Ausschlag.

Unternehmen nutzen das natürlich aus, und gemeinnützige Organisationen bilden da keine Ausnahme.

Wir alle kennen diese Werbespots – der herrenlose Welpe, das hungernde Kind. Wohltätige Organisationen verwenden solche Bilder, um Mitleid zu erregen und Spenden zu generieren. Sie manipulieren also unsere Emotionen - ist das ein Problem?

Beim „Poverty Porn“, auch als „Armuts-Voyeurismus“ bezeichnet, werden Bilder von hungernden oder unter Krankheiten oder Kriegen leidenden Menschen gezeigt, um beim Betrachter eine emotionale Reaktion auszulösen. Und es funktioniert – diese Arten von Bildern generieren nachweislich mehr Spenden als Bilder von glücklichen Menschen. Das Problem ist, dass diese Bilder komplexe Sachverhalte sehr vereinfachen und falsch darstellen – die Betrachter werden falsch informiert und gefährliche Stereotypen zementiert. Außerdem werden die Menschen in den Bildern ihrer Würde beraubt und als Objekt dargestellt, daher der Begriff „Porno“.

Und diese bittere Realität existiert tatsächlich. Die Menschen in Entwicklungsländern leiden unter Problemen wie Hunger und Krankheiten, und Entwicklungshilfe ist ein wichtiger Schritt bei der Lösung dieser Probleme.

Doch hinter dieser traurigen Wahrheit steckt weit mehr als gezeigt wird.

Wo sind die Kinder, die Fußball spielen, die Freunde, die beim Essen zusammen lachen, oder die stolzen Eltern, die sich liebevoll um ihre Kinder kümmern? Und was ist mit der Frauengruppe, die sich wöchentlich trifft und Lösungen zur Verbesserung des Lebens in der Gemeinschaft erarbeitet, oder mit den Lehrern, die in ihrer Freizeit Schülern mit Problemen helfen?

„Poverty Porn“ stellt nicht nur arme Menschen falsch dar, sondern auch die Armut selbst. Es wird die Vorstellung verbreitet, dass Armut einfach als Mangel an materiellen Ressourcen oder körperliches Leiden definiert werden kann und das führt dazu, dass die Menschen annehmen, eine schnelle Spende helfe. In Wahrheit gibt es viele andere Aspekte, wie die Rolle der jeweiligen Regierung und Kommunalverwaltung, die Sozialstruktur, Landwirtschaft, Geschlechterrollen und die Geschichte des betroffenen Gebiets.

Global Citizen will eine Bewegung voller Aktivismus und nicht Wohltätigkeit schaffen, aber „Poverty Porn“ macht genau das Gegenteil. In diesen Bildern wirken die in Armut lebenden Menschen grundlegend anders als die Menschen in den Industrieländern. Zudem festigen sie die Vorstellung, dass die Hilfeempfänger hoffnungslose Opfer seien, die sich im Gegensatz zu ihren leistungsfähigen Spendern nicht selbst helfen können.

Wir sind der Überzeugung, dass eine Bewegung, welche die extreme Armut beenden will, von Menschen angeführt werden muss, die selbst in extremer Armut leben, und dass unsere Aufgabe darin besteht, sie auf jede erdenkliche Art zu unterstützen. Anstatt wohltätig aktiv zu sein, wollen wir uns für Gerechtigkeit einsetzen. Als Global Citizen haben wir die Möglichkeit und die Pflicht, dies zu tun. Schließ dich der Bewegung an und werde heute noch aktiv.

Editorial

Gerechtigkeit fordern

Das Problem mit dem "Armuts-Voyeurismus"

Ein Beitrag von Christina Nuñez