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Um die COVID-19-Pandemie zu beenden, muss die Weltgemeinschaft die Entwicklung und Bereitstellung von Tests, Behandlungsmethoden und Impfungen voranbringen. Dabei ist der gerechte Zugang zu diesen Maßnahmen für alle Menschen, überall, essentiell. Nutze deine Stimme für eine gesunde Welt und werde hier im Rahmen unserer Global Goal: Unite for Our Future aktiv.

Bestehende Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung führen dazu, dass vor allem Menschen, die in Armut leben, am stärksten von Pandemien betroffen sind – und oft als letztes Hilfe erhalten.

Die Coronavirus-Pandemie wirkt daher wie ein Vergrößerungsglas für Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung von Menschen weltweit. Diese ungleiche Versorgung zeigt sich in den unterschiedlichen Verläufen der COVID-19-Pandemie in reichen und ärmeren Ländern, sowie in den Unterschieden zwischen reicheren und ärmeren Gemeinden innerhalb einzelner Länder.

Wir haben mit zwei Expert*innen über diese Ungleichheit in globalen Gesundheitssystemen gesprochen. Darüber, welchen Einfluss sie auf das Leben von Menschen nimmt und wie wir dazu beitragen können, diese Ungleichheiten abzubauen.

Wenn die eigene Gesundheit von der eigenen Kaufkraft abhängt

“Einfach gesprochen, bedeutet gesundheitliche Ungleichheit, dass Menschen unterschiedliche Chancen auf ein gesundes Leben haben, und dass einige Teile der Gesellschaft eine schlechtere Gesundheit aufweisen – oft, weil sie nicht denselben Zugang zu Gesundheitsdiensten haben oder weil diese Dienste nicht auf ihre Bedürfnisse angepasst sind”, sagt Louise McGrath, Programmdirektorin des britischen Gesundheitsinstituts Tropical Health and Education Trust (THET) gegenüber Global Citizen.

“Ursachen dafür können soziale Umstände sein, etwa durch eine bestimmte Anfälligkeit für Krankheiten aufgrund unzureichender Ernährung, oder die Unfähigkeit, sich die Fahrt zu einer Gesundheitseinrichtung zu leisten, oder die Kosten für die medizinische Versorgung zu tragen", fügte sie hinzu.

McGraths Arbeit am THET umfasst den Aufbau von Partnerschaften zwischen Krankenhäusern und anderen Institutionen in Großbritannien, sowie Gesundheitsorganisationen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, Schwachstellen in den weltweiten Gesundheitssystemen zu ermitteln und den Wissensaustausch zwischen Ländern für den Aufbau stabiler Systeme zu fördern.

In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zahlen Menschen ihre Gesundheitsversorgung oft aus eigener Tasche, selbst in öffentlichen Krankenhäusern, erklärt McGrath. Zudem kann die gesundheitliche Versorgung auch vom eigenen Wohnort abhängen – so ist zumeist einfacher, ein qualitativ hochwertiges Krankenhaus in einer Stadt zu finden, als in einer ländlichen Region. Zudem mangelt es oft an Informationen darüber, welche Gesundheitsdienste verfügbar sind, sodass viele Menschen nicht nach Behandlungsmethoden suchen, auch wenn sie diese theoretisch wahrnehmen könnten, so McGraths.

Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen für Menschen in Armut und auf der Flucht nicht umsetzbar

Doch auch wenn sich Informationen des öffentlichen Gesundheitswesens erfolgreich verbreiten, ist es für ärmere Gemeinden dennoch schwierig, diese Gesundheitsmaßnahmen umzusetzen.
Während der Coronakrise werden diese Hürden besonders sichtbar. Menschen, die in Armut leben, können sich nicht an Kontakt- und Ausgangssperren halten. Viele ihrer Existenzen hängen davon ab, jeden Tag Arbeit zu finden, da viele von der Hand in den Mund leben. Regelmäßiges Händewaschen ist auch keine Option, wenn selbst der Zugang zu sauberem Wasser fehlt.

Menschen auf der Flucht sind ebenfalls besonders gefährdet. In den überfüllten Flüchtlingslagern dieser Welt sind Abstandhalten und zuhause bleiben unmöglich. Über 80 Prozent der Geflüchteten weltweit lebt derzeit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet. Sanitäre Anlagen, Trinkwasser und Gesundheitsversorgung sind auch für sie oft Mangelware.
Zudem sind Kinder, die in extremer Armut aufwachsen, besonders gefährdet, an vermeidbaren Gesundheitsproblemen und Krankheiten zu leiden. Das erklärt Kathryn Bolles, stellvertretende Direktorin für Gesundheit und Ernährung bei der Kinderrechtsorganisation Save the Children, gegenüber Global Citizen.

Unterversorgte Kinder sterben oft an vermeidbaren Krankheiten

"Wir wissen, dass die am stärksten gefährdeten Kinder – oft in Gebieten, die sich Konflikte oder mangelnde Versorgung auszeichnen oder in den ärmsten Vierteln einer Gemeinde oder eines Landes – unverhältnismäßig oft an Krankheiten sterben, die vollkommen vermeidbar sind", so Bolles.

Save the Children setzt sich für die Bereitstellung von Gesundheitsversorgung und Impfprogrammen ein, um Kinder vor diesen vermeidbaren Krankheiten zu schützen.

Bolles betont die enormen Fortschritte, die in den vergangenen 20 Jahren bei der Reduzierung der Todesfälle durch Malaria, Durchfallerkrankungen und sogenannten Säuglingskrankheiten erzielt wurden.
So ist die jährliche Todesrate infolge von Durchfall bei Kinder zwischen 2000 und 2017 um 60 Prozent zurückgegangen. Dennoch bleibt Durchfall noch immer die zweithäufigste Todesursache für Kinder unter fünf Jahren.

"Wir konzentrieren uns auf diese [besonders gefährdeten] Kinder, weil sie noch nicht die Grundlagen haben, die sie zum Überleben und zur Entwicklung brauchen", sagt Bolles. "Wir beobachten zudem, dass Mädchen oft schneller ins Abseits geraten als Jungen... wenn ein Mädchen keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung, Ernährung und Bildung hat, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie ein Kind bekommt, das dann ebenfalls unter einem schlechten Gesundheitszustand leidet", so Bolles.  

Zwar konnten bei der Kindersterblichkeitsrate für Kinder im Alter von fünf Jahren und jünger erhebliche Fortschritte erzielt werden. Zwischen 1990 und 2013 ist diese um fast 50 Prozent gesunken. Dennoch bleibt viel zu tun, damit kein Kind mehr an vermeidbaren Krankheiten sterben muss. Bolles fürchtet zudem, dass die Folgen der COVID-19-Pandemie die bereits erzielten Fortschritte nun wieder zunichte machen könnten.

Soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung

"Wie wird sich COVID-19 auf ein bereits angeschlagenes Gesundheitssystem auswirken?”, fragt Bolles. "In Italien kommen 40 Ärzt*innen auf 10.000 Menschen, während im Senegal nur ein*e Ärzt*in auf 10.000 Menschen kommt... Bangladesch hat eine Bevölkerung von 160 Millionen, aber nur 2.000 Beatmungsgeräte."

Aber in einem wohlhabenden Land zu leben, bietet auch keinen garantierten Schutz vor der Pandemie. So tragen Arbeitnehmer*innen mit niedrigem Einkommen ein höheres Risiko als Menschen mit höherem Einkommen, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Gründe dafür sind neben dem Lebensstil und anderen persönlichen Entscheidungen, auch strukturelle Unterschiede – denn Menschen mit weniger Einkommen, sind öfter auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und in Bereichen wie dem Einzelhandel tätig, wo sich Kontakt zu anderen Menschen kaum vermeiden lässt.

In den USA und in Großbritannien haben Studien gezeigt, dass People of Colour oder Menschen, die einer ethnischen Minderheit angehören, unverhältnismäßig hohe Infektions- und Opferzahlen im Zusammenhang mit COVID-19 aufweisen.

Diese Ungleichheit bestand allerdings auch schon vor dem Coronavirus. So können Männer aus den ärmsten Vierteln der USA damit rechnen, aufgrund gesundheitlicher Ungleichheit durchschnittlich 15 Jahre früher zu sterben, als Männer aus den reichsten Vierteln. Bei Frauen beträgt der entsprechende Unterschied in den USA zehn Jahre.

Was wir tun können, um diese Ungleichheiten langfristig abzubauen

Bolles erklärt, dass die Arbeit, die bereits zur Stärkung der globalen Gesundheitssysteme geleistet wurde, erwiesenermaßen eine positive Wirkung hat, die unbedingt fortgesetzt werden muss. Dazu gehören etwa verfügbare Gesundheitseinrichtungen, sowie das Engagement der Gemeinden, um Gesundheitsinformationen in den Umlauf zu bringen.

Aber die Zeit drängt: Die COVID-19-Länderstatistiken müssten genau beobachtet und verfügbare Mittel sofort in die Stärkung der Gesundheitssysteme investiert werden, die dem Druck nur schwer standhalten können.

"Wir müssen unbedingt verhindern, dass die grundlegende Gesundheitsversorgung während dieser Krise aussetzt. Auch wenn wir mit COVID-19 konfrontiert sind, müssen wir mit den Routineimpfungen fortfahren, denn wir können nicht zulassen, dass es gleichzeitig zu einem Masernausbruch kommt", fügt sie hinzu. "Wir müssen auch weiterhin Moskitonetze ausliefern [um das Malariarisiko zu verringern]", so Bolles.

Gerechter Zugang zu Gesundheit auch im Kampf gegen COVID-19 unerlässlich

Ein weiteres Problem, das es im Kampf gegen COVID-19 zu überwinden gilt, ist laut McGrath die mangelhafte Verteilung und Bereitstellung von Schutzausrüstungen und anderen Sicherheitsmaßnahmen, vor allem für die Beschäftigten im Gesundheitswesen weltweit.

Das Etablieren vertrauenswürdiger Beziehungen und Partnerschaften zwischen Ländern sei zudem laut McGrath von hoher Bedeutung, um die Gesundheitssysteme weltweit zu stärken.

"Die Herausforderung, alle Menschen mit der angemessenen Gesundheitsversorgung zu erreichen, besteht darin, sicherzustellen, dass das Gesundheitssystem als Ganzes funktioniert", so McGrath. "Wenn es zwar Gesundheitspersonal gibt, nicht aber die Ausrüstung, um die Dienste umzusetzen, dann gerät das System ins Wanken".

Das Wichtigste, was jetzt und in Zukunft getan werden müsse, so McGrath, sei sicherzustellen, dass alle Bausteine ineinandergreifen.

Editorial

Armut beenden

Über globale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung – und wie wir sie beheben können

Ein Beitrag von Helen LockPia Gralki  und  Adam Critchley