Meine Ex-Freundinnen werden euch bestätigen können, dass ich durchaus ein eher ungewöhnlicher Typ bin (im positiven Sinne...hoffe ich zumindest). Wenn es zum Beispiel um Urlaub geht, will ich nicht in einem All-Inklusive Hotel am Strand liegen, ich will im Dschungel Ruandas nach Gorillas suchen. Seit 5 Jahren überlege ich nun schon, ob ich es schaffen könnte, 26 Tage lang das Alphabet zu essen (Tag Eins: Äpfel, Aprikosen, Avocados. Tag Zwei: Brot, Bohnen, Broccoli. Kniffelig wird's bei I, J und K).

Wann immer mich mal wieder eine dieser (wie ich finde) großartigen Ideen packt, lande ich oft in den kuriosesten Ecken des Internets, Dinge lesend von denen ich nicht mal wusste, dass ich überhaupt danach gesucht habe (hab ich auch nicht).
Egal. An einem dieser Tage bin ich auf Svalbard gestoßen, eine Gruppe norwegischer Inseln, ziemlich weit weg vom norwegischen Festland und mitten drin im nördlichen Polarkreis. Svalbard ist unfassbar kalt und das Zuhause von gerade mal 2642 Menschen. Und weil es echt ziemlich weit nördlich liegt (Svalbards einzige Stadt behauptet von sich, die nördlichste Stadt der Welt zu sein) gibt es das Phänomen der Mitternachtssonne so ziemlich den ganzen Sommer über - und verdammt viel Dunkelheit im Winter. Ihr fragt euch, wie viel 'verdammt viel' ist? Sagen wir so: wenn die Sonne am 26. Oktober untergeht, geht sie nicht vor dem 15. Februar wieder auf. Oh ja. Kaum vorstellbar wie viele Menschen kurz vor dem Valentinstag zum Sonnenstudio rennen. Wirklich.  

Image: Bjørn Christian Tørrissen

Und Polarbären, es gibt Polarbären. POLARBÄREN. Spätestens jetzt war mein Interesse geweckt, diesen Ort unbedingt mal besuchen zu wollen und schwupps hatte ich parallel ein zweites Browserfenster auf, um nach Flügen zu suchen (die übrigens wesentlich günstiger sind als Flüge nach Grönland, nur falls ihr euch wundert...weil ich mich gewundert habe). Okay, zurück zu meinem eigentlich Browserfenster, denn inzwischen hatte ich das wohl kurioseste und interessanteste über Svalbard entdeckt. Und wie der Titel dieser Artikel relativ unspektakulär schon verraten hat: es gibt einen unterirdischen Apokalypse-Notfall Bunker für Nahrungsmittel. Und nein, ich habe keinen Zutritt dazu, du hast keinen Zutritt dazu, Polarbären haben keinen Zutritt und ich schätze mal, Zombies sind ebenso wenig willkommen.

Ein Bunker in der Nähe des Nordpols...

Richtig gehört. Der Bunker wurde 2008 ins Leben gerufen und befindet sich 120 Meter tief in einem Sandsteinberg. Und es gibt noch einen Grund warum keinem von uns Zutritt gewährt wird. In dem Bunker gibt es keine festangestellten Mitarbeiter oder Angestellte, die uns die Tür öffnen könnten. Dafür ein ziemlich ausgeklüngeltes und ernstzunehmendes Sicherheitssystem, also packt den Diedrich wieder weg.

Image: Mari Tefre/Svalbard Globale frøhvelv

Nahrungsmittel also. Um gleich allen Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: nein, wir sprechen hier nicht von der Art und Weise, wie ein Supermarkt Nahrungsmittel bereit hält, sondern wir sprechen von Samen. Und nicht nur Samen von Pflanzen die wir aus der gewöhnlichen Landwirtschaft kennen, sondern Samen von jedweden Pflanzen. Das ganze Unterfangen nennt sich 'Svalbard Global Seed Vault' (Svalbards globaler Samenbunker - klingt ein wenig befremdlich, aber na gut, ihr wisst worum es geht) und im Jahr 2015 zählte die Sammlung bereits sage und schreibe 840.000 Samenproben von über 4000 verschiedenen Pflanzenarten. Alle in luftundurchlässigen, versiegelten Aluminiumtüten, bei -18 Grad Celsius gelagert. Und das ist erst der Anfang...die Einrichtung hat die Kapazität, 2.5 Milliarden Samen zu beherbergen.

Der Bau dieser unterirdischen Samen-Gefriertruhe wurde von der norwegischen Regierung in Auftrag gegeben und wird sowohl von Norwegen, sowie einer 'Trust Organisation' bestehend aus Finanzmitteln der Regierungen und privaten Finanzgebern betrieben.

Warum? Warum Warum Warum?

'Weil's krass ist' ist mit Sicherheit keine ausreichende Erklärung für so viel Aufwand. Und der wahre Grund hinter dieser Aktion ist ernsthaft und wahrhaftig wichtig. Denn dieser Bunker ist unser Werkzeugkasten für die Menschheit und die Welt, jetzt als auch in der Zukunft.

Während es zahlreiche Samenbanken (Leute, wir sprechen immer noch von Pflanzen, also schön aufgepasst). Nochmal. Während es zahlreiche Samenbanken auf der Welt gibt, ist der 'Svalbard Global Seed Vault' so etwas wie der unverwüstliche Plan B, falls mit den anderen was schief gehen sollte. Fassen wir zusammen: dieser Bunker ist nicht nur abgeschieden, er ist wie kein zweiter von jedweder Zivilisation entfernt, in einer geologisch betrachtet ziemlich stabilen Zone, unter einem zugefroren Berg vergraben und finanziert von einer Regierung, die für ihre finanzielle Stabilität bekannt ist. Sollten die anderen Samenbanken abbrennen, kontaminiert werden, sonst wie ruiniert, das Equipment ausfallen, einem nuklearen Angriff ausgeliefert, von Asteroiden, Armeen oder Überschwemmungen heimgesucht werden - Svalbard ist zur Stelle. Mit Samen.

Das ist noch keine zu 100% befriedigende Antwort

Okay, um den Kreis rund zu machen, müssen wir noch klären, warum Biodiversität so wichtig ist, und warum wir nicht einfach einen Bunker bauen und dort die 100 weit verbreitetsten Pflanzensamen der Welt bunkern und fröhlich in die Hände klatschend 'Problem gelöst' rufen.

Biodiversität

Biodiversität oder aber auch 'biologische Vielfalt' - bezeichnet genau das: die Vielfalt lebender Organismen auf unserem Planeten und innerhalb eines spezifischen Ökosystems. Jahr für Jahr kommen wir dem Geheimnis näher, wie Pflanzen und Tiere auf unserer Erde miteinander verbunden sind und wie sich durch dieses feine Zusammenspiel ein Kaleidoskop der Artenvielfalt ergibt. Doch wir wissen bei weitem noch nicht genug. Geht man zum Beispiel davon aus, dass jede einzelne Pflanze und jedes einzelne Tier wichtig ist, da sie alle miteinander zusammen hängen, ist es durchaus sinnvoll und nachhaltig, Biodiversität zu schützen, um letztendlich das ganze System zu schützen. Inklusive uns. 

Image: Worldislandinfo

Zurück zum Thema Lebensmittel. Unsere Welt wird durchaus besser und besser darin, Lebensmittel herzustellen - was angesichts der wachsenden Bevölkerungszahl ein Glück ist. Auf der anderen Seite kann man aufgrund der Globalisierung feststellen, dass die Menschen nach und nach überall auf der Welt anfangen, das gleiche zu essen. Ich meine, vor einer Handvoll Jahrhunderte wurden grundlegende Nahrungsmittel wie Mais, Kartoffeln und Reis nur dort gegessen, wo es auch angebaut wurde. Ein Mittagessen hing also stark davon ab, wo man sich gerade befand.

Im 21. Jahrhundert allerdings haben wir eine Situation erreicht, in der unsere Supermärkte zwar bis unter die Decke mit Lebensmitteln ausgestattet sind, aber wenn man es genau nimmt und man mal hinter die Kulissen schaut, aus was einzelne Komponenten eigentlich bestehen, dann stellt man fest, dass wir weltweit betrachtet gerade mal eine Handvoll Lebensmittelpflanzen im großen Stil anbauen, im Vergleich zu dem, was die Welt zu bieten hat. Wir werden also nach und nach immer abhängiger von einem kleinen Kreis an Getreidesorten zum Beispiel.

Wenn jetzt ein unvorhergesehenes Ereignis eintrifft (eine Naturkatastrophe zum Beispiel), die es im schlimmsten Fall unmöglich macht, Getreide wie wir es kennen anzubauen, dann sind nur nicht nur ein paar Leutchen davon betroffen, sondern quasi jeder! JEDER.
Um mal auf meine Metapher mit dem 'Werkzeugkasten' von oben zurück zu kommen: in einer Situation in der die weltweite Nahrungsmittelversorgung in ihren Grundpfeilern erschüttert wird, will man einen so sicheren und gut ausgestatteten Werkzeugkasten zum Wiederaufbau haben wie nur möglich. Ob das in diesem Fall nun eine spezielle Kartoffelsorte ist, die resistent genug ist, eventuell auftretende Anbauveränderungen zu überstehen oder ob es eine besondere Getreidesorte ist, die auch in sehr trockenen Gegenden wachsen kann, um ganze Nationen, die zum Beispiel in Wüstengegenden leben, mit Nahrung zu versorgen.

Ich könnte mir noch unzählige Szenarien ausmalen um die Möglichkeiten des Werkzeugkasten darzulegen, aber ich denke ihr wisst worauf ich hinaus will. In vielen Teilen der Welt gibt es also solche Bunker mit Samen. Und mit etwas Glück werden wir oder unsere Kinder auf den Inhalt dieser Bunker niemals angewiesen sein. Aber wenn man sich unser tägliches Weltgeschehen mal so anschaut, ist es gut zu wissen, dass selbst diese Bunker, die ja schon als Plan B für den Fall X gelten, einen eigenen Plan B haben: den Bunker in Svalbard. Irgendwie ein klein wenig beruhigend. 

Ich liebe dich, Polarkreis Bunker, auch wenn ich Dich niemals in Aktion sehen will. 

Editorial

Armut beenden

Ein unterirdischer Apokalypse-Notfall Bunker, um die Welt zu ernähren. Und keiner von uns darf rein.

Ein Beitrag von Michael Wilson