Von Thin Lei Win

ROM, 5. Juli (Thomson Reuters Foundation) — Als Oluwayimika Angel Adelaja-Kuye die erste Firma für “Vertical Farming“ in Nigeria gründete, hatte sie bereits jahrelang Erfahrungen in der Beratung von Regierungen gesammelt. Und trotzdem musste sie als Frau darum kämpfen, ernst genommen zu werden.

“Zu Beginn haben selbst meine Mitarbeiter*innen in ihrer Anfangszeit eher auf meinen Mann als auf mich gehört“, sagt die Gründerin der Firma “Fresh Direct Nigeria“, die Gemüse auf Basis einer Nährstofflösung anbaut – ohne die Verwendung von Erde.

“Diese Probleme spornen einen nur noch mehr an“, sagt sie der Thomson Reuters Foundation.

Etwa die Hälfte aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft sind Frauen. Dennoch erklären viele von ihnen, dass ihre Leistungen oft unbemerkt bleiben – vor allem in Entwicklungsländern.

Adelaja-Kuye ist Teil einer kleinen, aber stetig wachsenden Gruppe von Unternehmerinnen, die genau das ändern möchten. Viele von ihnen setzen auf neue Technologien, um die Nahrungsmittelproduktion nachhaltiger zu gestalten.

Oluwayimika Angel Adelaja-Kuye, founder of Fresh Direct Nigeria, poses for a photo at the Seeds & Chips food summit in Milan, Italy, on May 6, 2019.
Oluwayimika Angel Adelaja-Kuye, founder of Fresh Direct Nigeria, poses for a photo at the Seeds & Chips food summit in Milan, Italy, on May 6, 2019.
Image: Thomson Reuters Foundation/Thin Lei Win

Die heute 35-Jährige hat ihr landwirtschaftliches Unternehmen 2015 im Herzen der nigerianischen Hauptstadt Abuja gegründet. Sie wollte damit vor allem diejenigen unterstützen, die nicht dem Stereotyp des armen, ungebildeten Bauern entsprechen.

Fünf ihrer insgesamt sechs Mitarbeiter*innen sind junge Frauen, die zuvor als Haushaltshilfe gearbeitet haben.

“Ich möchte, dass junge Menschen Landwirtschaft als eine Option für sich sehen, die [ihnen] gutes Geld einbringt“, sagt sie. “Wenn ich es schaffe, das Klischee eines typischen Landwirts aufzubrechen, wäre ich schon sehr glücklich.“

Dieses Ziel hat sie mit der Informatikerin Awa Caba gemeinsam. Caba ist Mitbegründerin einer Online-Plattform für Landwirtinnen im Senegal, die es ihnen ermöglicht, ihre Produkte online zu verkaufen.

Mittlerweile verkauft Cabas Firma “Sooretul“ – was so viel wie bedeutet wie “es ist nicht weit“  – über 400 Produkte von etwa 2.800 Frauen aus dem ländlichen Raum.

“Ich komme nicht aus der Landwirtschaft“, sagt sie. “Aber als Frau ist es mir ein persönliches Anliegen, mein Wissen zu nutzen, um benachteiligte Gruppen zu erreichen und ihnen mehr Zugang und Einkommen zu verschaffen.“

“Meine Vision ist es, eine panafrikanische E-Commerce-Plattform zu errichten, die verschiedene landwirtschaftliche Erzeugnisse von Frauen in Afrika verfügbar macht.“

Sarah Nolet, die als Beraterin in der Agrartechnologie arbeitet, erzählt, dass immer mehr Frauen in den wachsenden Sektor einsteigen.

“Der Landwirtschaftsbereich ist oft männlich dominiert, genauso wie die Technologiebranche“, sagt Nolet. Sie ist Geschäftsführerin von “AgThentic”, einer Beratungsfirma für technische Innovationen im  Ernährungs- und Landwirtschaftssektor in Sydney.

“Daher könnte man denken, dass es in der AgrarTech-Szene noch schlimmer ist. Aber wir beobachten – besonders in Australien – dass vor allem Frauen AgTech-Firmen gründen.“

Investitionslücken

Obwohl Frauen einen Anteil von 43 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ausmachen, neigen sie laut Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) dazu, weniger Zugang zu Land, Krediten, fachlicher Beratung und hochwertigen Saatgut zu haben als Männer.

Wenn Frauen Zugang zu denselben Ressourcen wie Männer hätten, könnten die Ernteerträge um bis zu 20-30 Prozent gesteigert werden, so die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).

Vieles hängt allerdings auch davon ab, die richtigen Leitbilder zu haben.

“Wir müssen die Denkweise ändern und Frauen in gewinnbringenden, hochwertigen Märkten mit Zugang zu Technologie und Innovationen sichtbar machen“, sagt Tacko Ndiaye, leitende Genderbeauftragte der FAO.

Im Jahr 2018 erwirtschafteten Unternehmen aus der Ernährungs- und Agrartechnologie weltweit eine Rekordsumme von 16.9 Milliarden US-Dollar. Das gab die Online-Investmentfirma “AgFunder” mit Sitz in San Francisco bekannt.

Dennoch zeigen bisherige Schätzungen über die Geschlechterverteilungen, dass lediglich vier Prozent dieser Gewinne in Start-Ups flossen, bei deren Gründung eine oder mehrere Frauen beteiligt waren. Das berichtet Louisa Burwood-Taylor, Leiterin für Medien und Forschung bei AgFunder.

”Wie auch immer man diese Daten dreht – es bleibt eine große Kluft beim Anteil von Unternehmerinnen in der Nahrungs- und Agrartechnologie”, sagt sie.

”Die Gründe für diese Diskrepanz sind vielschichtig und haben oft mit Vorurteilen im Bildungs- und Investitionsbereich zu tun. Daher forschen wir daran, wie wir diese überwinden können.”

Eine Frau, die Förderungen für ihre Unternehmensgründung erhalten hat, ist Benjamina Bollag. Gemeinsam mit der Stammzellenforscherin Stephanie Wallis hat sie vor 18 Monaten die britische Firma “Higher Steaks” ins Leben gerufen und seitdem etwa 200.000 US-Dollar ausgezahlt bekommen.

Benjamina Bollag, co-founder of Higher Steaks, poses for a photo at the Seeds & Chips food summit in Milan, Italy, on May 6, 2019.
Benjamina Bollag, co-founder of Higher Steaks, poses for a photo at the Seeds & Chips food summit in Milan, Italy, on May 6, 2019.
Image: Thomson Reuters Foundation/Thin Lei Win

Higher Steaks arbeitet daran, innerhalb der nächsten drei Jahre Schweinefleisch aus dem Labor auf den Markt zu bringen. Mittlerweile versuchen sich bereits mehrere Unternehmen daran, Fleisch auf Zellbasis herzustellen. Die neue Technologie verspricht weniger Müll und Treibhausgase als die konventionelle Tierzucht zu produzieren. Bisher fokussieren sich die meisten Anbieter jedoch auf die Herstellung von Rind und Geflügel.

Frauen Gehör zu verschaffen, ist auch eines der Hauptanliegen von Rose Funja, deren Firma Bäuer*innen in Tansania Luftüberwachungsdienste anbietet, damit sie ihre Ernte bestmöglich vor Insekten, Krankheiten oder Schädlingen schützen können.

Funja, eine der wenigen Drohnenpilotinnen des Landes, erzählt, sie hätte sich irgendwann dazu entschieden, persönlich zu den Landbetrieben zu gehen. Dies sei die beste Möglichkeit, direkt mit den Frauen sprechen, die die Pflanzen in die Erde bringen, während sich die Männer eher auf den Verkauf fokussierten.

”Sie [die Frauen] haben mir ihre genauen Bedürfnisse erklärt und wie ihnen diese Technologien helfen können. So konnten wir sehr gute Gespräche führen, bessere als mit den Männern ”, sagt sie.

“Die Frauen sagen, dass sie sich sicherer dabei fühlen, mit einer Frau über ihre Bedürfnisse zu sprechen.”

(Ein Beitrag von Thin Lei Win @thinink. Überarbeitet von Claire Cozens. Bitte die 'Thomson Reuters Foundation' als Quelle angeben, wenn dieser Artikel zitiert / geteilt wird. Die Thomson Reuters Foundation liefert Beiträge über humanitäre Hilfe, Frauenrechte, Menschenhandel, Klimawandel und vieles mehr auf news.trust.org.)

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