Wenn du dir einen Protest vorstellst, stellst du dir vermutlich eine große Gruppe von Menschen vor, die mit Plakaten in der Hand von A nach B marschiert. Seit Hunderten, wenn nicht Tausenden von Jahren gehen Menschen auf die Straße, um sich Gehör zu verschaffen. Das ist nichts Neues. 

Doch wenn es sich für dich so anfühlt, als gäbe es heute mehr Proteste als früher, dann liegt das daran, dass es so ist. Tatsächlich hat sich die Anzahl der Proteste in weniger als 15 Jahren verdreifacht. Wir befinden uns in einem historischen Zeitalter des Protests.

Manchmal nehmen Demonstrationen jedoch eine weniger konventionelle Form an als die großen Menschenmassen, die du dir vorgestellt hast. Manchmal braucht es nur eine kleine Gruppe von Menschen, um eine große Wirkung zu erzielen. Und manchmal reicht sogar eine einzelne Person.

Greta Thunberg, die von einer Einzelkämpferin im Teenager-Alter zur globalen Klimaschützerin aufgestiegen ist, sagte einmal: "Man ist nie zu klein, um etwas zu bewirken". Die nachfolgenden kleinen, aber wirkungsvollen Demonstrationen aus der jüngeren Geschichte beweisen, dass sie Recht hat. 

1. Russische Moderatorin stürmt TV-Nachrichten

Die russische Fernsehmoderatorin Marina Owsjannikowa unterbrach Anfang März eine Live-Sendung des russischen Staatsfernsehens, um nach Putins Einmarsch in der Ukraine gegen den Krieg zu protestieren.

Während die Nachrichtensprecherin einen Bericht über ein Treffen zwischen Russland und Weißrussland vorlas, sprang Ovsyannikova, die ebenfalls bei dem Sender arbeitet, hinter sie und hielt ein Schild hoch. Darauf war zu lesen: "KEIN KRIEG. Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Sie lügen euch hier an."

Das Schild wurde nur wenige Sekunden lang gefilmt, doch die Aktion ging um die ganze Welt und wurde von führenden Politiker*innen wie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gelobt. Es kam gar zu Forderungen nach einer Nominierung für den Friedensnobelpreis.

Daraufhin wurde ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht, in dem Owsjannikowa erklärte, sie schäme sich, für einen Sender zu arbeiten, der russische Propaganda verbreite. 

Mit der Verschärfung des Krieges in der Ukraine wächst auch der Widerstand in Russland, wo die Polizei hart durchgreift und Tausende von Menschen verhaftet, die gegen die Invasion protestieren. 

2. Frauen verkleiden sich als blutige Bräute, um gegen ein Vergewaltigungsgesetz im Libanon zu protestieren 

2016 stellten sich zwölf libanesische Frauen als Bräute verkleidet – in weißen, mit Kunstblut befleckten Hochzeitskleidern und mit Verbänden über Augen, Knien und Händen – vor das Regierungsgebäude in der Innenstadt von Beirut, Libanon. Sie protestierten damit gegen ein jahrzehnte altes Gesetz, das es Vergewaltigern erlaubte, straffrei davonzukommen, wenn sie ihre Opfer heiraten.

Der Protest zeigte Wirkung, denn ein Jahr später hob das libanesische Parlament das Gesetz auf. 

3. Pussy Riot stürmen ein Fußballweltmeisterschaftsspiel in Russland

Die Punk-Gruppe Pussy Riot ist bekannt für ihre Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen in Russland. Von ihrem Auftritt auf einem Baugerüst in der Moskauer U-Bahn im Jahr 2011, bei dem sie Federkissen aufrissen und den Inhalt auf die Gleise warfen, bis hin zur Stürmung eines Fußball-WM-Spiels in Russland im Jahr 2018 – sie wissen ganz genau, wie sie die Aufmerksamkeit der Welt auf ihre Themen lenken können.

4. Greta sitzt vor dem schwedischen Parlament

Es ist eine Geschichte, die so stark ist, dass sie sich schon fast als Kult bezeichnen lässt. Im Sommer 2018, als Greta Thunberg gerade 15 Jahre alt war und die neunte Klasse besuchte, führte sie einen zweiwöchigen Streik vor dem schwedischen Parlament durch. Sie forderte von ihrer Regierung, die Treibhausgasemissionen zu senken.

Darauf aufbauend hat sich die internationale Fridays For Future-Bewegung entwickelt, Thunberg ist zu einer der weltweit führenden Klimaschützerinnen geworden, wurde zur Time-Person des Jahres ernannt und mehrfach für den Friedensnobelpreis für Klimaaktivismus nominiert. Im Jahr 2020 schlossen sich ihr vier Millionen Menschen bei einem Streik in 161 Ländern an – der größten Klimademonstration der Geschichte.

5. Vier Männer und ein Zelt gründen eine "Aboriginal Embassy"

Wir schreiben das Jahr 1972. Vier junge Aktivisten der First Nations machen sich mitten in der Nacht auf den Weg zur Wiese gegenüber des australischen Parlamentshügels, stellen einen Sonnenschirm auf, stecken ihn in den Boden und setzen sich hin. 

Am nächsten Morgen stehen auf ihren Protestplakaten Sätze wie: "Landbesitz statt mieten", "Warum bezahlen, um dein eigenes Grundstück zu nutzen?", "Für was entscheidet ihr euch: Landrechte oder Blutvergießen?". Ein selbstgebasteltes Schild trägt die Aufschrift "Aboriginal Embassy".

Damals konnten sie noch nicht ahnen, dass ihre Protestaktion jahrzehntelang in der ganzen Welt nachhallen würde. Die "Aboriginal Embassy" warf ein Licht auf eine Reihe von Problemen, mit denen die australischen Ureinwohner*innen und Torres Strait Islander konfrontiert sind. Zudem löste die Aktion weltweite Diskurse über das Erbe von Kolonialismus und Enteignung, über Landrechte, Souveränität und die gestohlene Generation aus.

Heute, 50 Jahre später, steht die "Aboriginal Embassy" noch immer an der Stelle der Aktion. Das macht sie zu einem der am längsten andauernden Proteste der Welt.

6. Tuvalu-Minister spricht auf der COP26 – und steht bis zur Hüfte im Wasser 

Vielleicht hast du noch nie von Tuvalu gehört. Die hochrangigen Minister*innen, die an der UN-Klimakonferenz COP26 teilnahmen, hätten dem Land wahrscheinlich auch nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt – hätte der Außenminister des Landes, Simon Kofe, nicht eine Rede aufgezeichnet, bei der er hüfthoch im Meer steht. Er wollte nicht nur darauf aufmerksam machen, dass sein niedrig gelegener Inselstaat ganz besonders vom steigenden Meeresspiegel betroffen ist, sondern auch gegen die Ungerechtigkeit der Klimakrise protestieren. Denn er trifft diejenigen am stärksten, die am wenigsten dazu beigetragen haben.  

7. Südafrikas Ureinwohner*innen zelten am Fuße einer Nelson-Mandela-Statue

Seit drei Jahren protestiert das indigene Volk der Khoisans am Fuße einer der berühmtesten Nelson-Mandela-Statuen Südafrikas – unter anderem für eine verfassungsmäßige Anerkennung als Südafrikas erste Nation.

8. Eine Aktivistin konfrontiert den CEO von Shell auf der TED-Bühne

Es sollte eine "zivilisierte" Diskussion auf dem TED Countdown Summit 2021 werden, als eine schottische Klimaaktivistin und der CEO von Royal Dutch Shell, dem größten europäischen Öl- und Gasunternehmen, aufeinandertrafen. Doch da Shell für unfassbare Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen und Ölverschmutzungen verantwortlich ist, war die "zivilisierte" Diskussion eine große Herausforderung.  

Während des Gesprächs konfrontierte die Jugendaktivistin Lauren MacDonald den CEO von Shell, Ben van Beurden, mit den Worten: "Sie sollten sich wirklich schämen". MacDonald ging dann auf die lange Geschichte der Umweltverschmutzung und den Beitrag von Shell zur Klimakrise ein und verwies auf die angebliche Mitschuld des Unternehmens an der Ermordung nigerianischer Aktivist*innen in den 1990er Jahren.

Shell, so MacDonald, sei "für so viel Tod und Leid verantwortlich". Dann fragte sie van Beurden direkt: "Wenn Sie hier sitzen und so tun, als läge Ihnen der Klimaschutz am Herzen, warum legen Sie dann Berufung gegen das jüngste Gerichtsurteil ein, wonach Shell seine Emissionen bis 2030 um 45 Prozent senken muss?" Als er sich weigerte zu antworten, verließ sie aus Protest die Bühne. 

9. Demonstrant*innen werfen schmutzige Windeln auf ein politisches Hauptquartier in Mexiko

Mit Steinschleudern warfen zwei Dutzend Demonstrant*innen in Mexiko im Jahr 2017 1.000 schmutzige Windeln auf die Büros der Partido Revolutionario Institucional (PRI), der Regierungspartei von Präsident Enrique Peña Nieto. Der kreative Protest wurde pañalazo genannt und sollte "der PRI all die Scheiße zurückgeben, die sie der Regierung und dem Land mit ihrer Korruption und Ungestraftheit angetan hat." 

10. Demonstrant*innen waschen die Nationalflagge in Peru, um gegen Korruption zu protestieren

Rund 200 Peruaner*innen wuschen symbolisch die rot-weiße peruanische Flagge vor dem Präsidentenpalast, um gegen die "schmutzige Politik" der Wiederwahlkampagne von Präsident Alberto Fujimori im Jahr 2000 zu protestieren. Der Protest hielt monatelang an, doch erst als ein Video auftauchte, das einen Verbündeten Fujimoris bei der Bestechung eines Abgeordneten zeigte, sah sich der Präsident gezwungen, aus Peru zu fliehen. Fujimori wurde später wegen Machtmissbrauchs und gewaltsamer Unterdrückung der Opposition inhaftiert.  

11. Indische Männer tragen Röcke, um gegen Gruppenvergewaltigung zu protestieren 

Als 2013 eine 23-jährige Studentin in einem Bus in Neu-Delhi von einer Gruppe vergewaltigt wurde, reagierten die indischen Behörden mit dem Vorschlag, Röcke zu verbieten, sodass weitere Vergewaltigungen verhindert werden. Um gegen diese opferverachtende Maßnahme zu protestieren, gingen 25 indische Männer in Röcken auf die Straße, um darauf hinzuweisen, dass es keine Rolle spielt, was man trägt und dass sexuelle Übergriffe nie die Schuld des Opfers sind. 

12. Studentin der Columbia University trägt eine Matratze auf ihrem Rücken, um gegen sexuelle Übergriffe auf dem Campus zu protestieren

2015 transportierte Emma Sulkowicz, Studentin der Columbia University, die Matratze ihres Schlafsaals auf ihrem Rücken über dem Campus, um dagegen zu protestieren, dass die Schule ihren mutmaßlichen Vergewaltiger nicht des Campus verwiesen hatte.

Sulkowicz und ihre Matratze wurden zu einem kraftvollen Symbol einer Bewegung, die fordert, dass das Verfahren gegen sexuelle Übergriffe auf dem Campus reformiert wird. Sulkowicz hatte beschlossen, sie für ihre Abschlussarbeit mit dem Titel "Mattress Performance (Carry That Weight)" über den Campus zu schleppen. Sogar zu ihrer Abschlussfeier brachte sie die Matratze mit.

Schließe dich uns an, um friedlich gegen den anhaltenden Krieg in der Ukraine zu protestieren, indem du entweder an Demos in deiner Nähe teilnimmst oder dich einem Online-Protest anschließt. 

Global Citizen Life

Gerechtigkeit fordern

Diese 12 Protestaktionen zeigen, dass man nie zu klein ist, um etwas zu verändern

Ein Beitrag von Tess Lowery