Moazzem Hossain aus Amman, Jordanien, hatte in seinen Jahren als praktizierender Arzt im Nahen Osten schon viel Leid gesehen. Doch nichts hatte ihn auf die Verwüstung und die Verzweiflung vorbereitet, die im Jemen auf ihn warteten.

Im letzten Jahr ließ er alles stehen und liegen und machte sich gemeinsam mit UNICEF auf den Weg nach Sanaa. Jemens einstige prachtvolle Hauptstadt und UNESCO Weltkulturerbe liegt jetzt in Schutt und Asche vor ihm. Seit März 2015 herrscht ein erbitterter Bürgerkrieg, der schon jetzt tausende unschuldige Todesopfer forderte. Natürlich habe er Angst gehabt, berichtet Moazzem Hossain, aber das habe ihn nicht davon abgehalten, eben den Menschen zu helfen, die in solchen Zeiten die meiste Hilfe benötigen.

Nur 6 Tage, um 4 Millionen Kindern zu helfen

Das Leid des Volkes ließ sich in jedem einzelnen Gesicht ablesen, als das Team von UNICEF in Sanaa ankam. Die Auswirkungen der anhaltenden Luftangriffe und Schießereien ließen sich nicht verbergen, weder vom Stadtbild noch von den Menschen.

In einer ehemaligen Schule am Rand der Konfliktzone lebten mittlerweile 40 Familien, die nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren konnten, weil sie zerstört wurden. Die Klassenzimmer dienen als Schlafsäle. Vor der Schule spielen ein paar Kinder und vergessen für einen Augenblick all das, was sie in ihren jungen Jahren schon erlebt haben.

Kinder trifft ein Bürgerkrieg immer am meisten. Gezeichnet von den schrecklichen Bildern, die sie erleben mussten, sind sie oft unternernährt und leiden an Krankheiten. Durch den Kriegsausbruch konnten die Eltern ihre Kinder nicht mehr impfen lassen. Mehr als 4 Millionen Kinder unter 5 Jahren sind deshalb nicht nur den Gefahren des Krieges, sondern gleichzeitig auch den Gefahren von ansteckenden Krankheiten wie Masern oder Polio ausgesetzt.

6 Tage. Mehr Zeit hat das Team um Moazzem Hossain nicht, um mehr als vier Millionen Kinder landesweit gegen Polio zu impfen. 6 Tage, um sich durch die Kriegzonen bis zu den Kindern und Familien vor zu arbeiten, die über das ganze Land verstreut in teilweise zerbombten Häusern leben müssen.

Kinder vor vermeidbaren Gefahren schützen

Die Impfaktion startet in Sanaa. Ein Kind nach dem anderen stellt sich in einer Reihe auf, um die zwei Tropfen Polioimpfstoff und Vitamin A Kapseln zu erhalten. Manche werden von ihren Müttern getragen.

Trotz des Krieges sind die Mütter an diesem Tag glücklich. Sie können ihren Kindern in diesen Zeiten nicht viel bieten. Doch ihre Kinder zu den mobilen Impfstationen bringen, das können sie. Wenigstens sind ihre Kinder nun gegen vermeidbare Todesursachen geschützt. Das ist ein Anfang. „Unsere Kinder haben Bombenangriffe und Beschüsse überlebt. Ohne Impfung überleben sie aber vielleicht nicht diese Krankheiten”

Mehr als 40.000 Helfer

Ärzte, Krankenschwestern und viele weitere freiwillige Helfer machen sich in diesen 6 Tagen auf die Beine, mobilisieren entlegene Gemeinschaften und impfen so viele Kinder wie möglich.

Außerhalb Sanaas fährt ein zusammengeflickter Wagen duch die Straßen der Dörfer. Eine ächzende Stimme aus Lautsprechern auf dem Wagen macht jeden auf die Impfkampagne aufmerksam. Warum ziehen die Helfer nicht von Tür zu Tür und machen persönlich auf die Impfungen aufmerksam, möchte Moazzem Hossain wissen. Das sei nicht mehr möglich, lassen ihn die lokalen Freiwilligen wissen. Die Türklingeln funktionierten nicht mehr, da es keinen Strom mehr gebe. Schon lange nicht mehr. Mit dem Wagen durch die Straßen zu fahren würde so mehr Zeit einsparen. Zeit, die an anderer Stelle dringender benötigt wird.

Beim gemeinsamen Mittagessen versucht der Arzt aus Amman zu erfahren, woher die Helfer ihre Kraft nehmen, um Aktionen wie diese durchzuführen während um sie herum der Krieg tobt und jederzeit Bomben einschlagen oder sie unter Beschuss geraten könnten. Weil in Zeiten wie diesen dem Land Jemen, seinen Leuten, ja, ihren Leuten am meisten geholfen werden müsse. Man müsse zusammen halten und stark bleiben. Ihr Mut ist ansteckend. „Die Angst und das ungute Gefühl, das ich bei der Ankunft in Sanaa verspürte, verschwanden allmählich. Hier, wo Bomben und Kugelhagel die neue Realität der Frauen, Männer und Kinder sind, ist die Hoffnung dennoch nicht verloren.”

Dr. Moazzem Hossains Abreise verspätet sich aufgrund eines weiteren Bombenanschlags. Das gibt ihm Zeit über die vielen Helfer von UNICEF, die Mütter und die Kinder nachzudenken, die er in den letzten sechs Tagen kennenlernen durfte. Er verlässt das Land mit tiefer Bewunderung für alle, die an der Aktion teilgenommen haben. Die Kinder vor dem Krieg schützen, ist ihnen nicht gelungen, aber sie vor tödlichen Krankheiten zu schützen, das haben sie geschafft. Gemeinsam.

Der Einsatz von  Dr. Moazzem Hossain und allen weiteren Helfern ist wirklich heldenhaft. Trotz großer Gefahren wagte er sich aus seiner Heimat hinein in das Kriegsgebiet und tat alles in seiner Macht stehende, um diejenigen zu schützen, die in Kriegszeiten am gefährdetsten sind: die Kinder.

Vielen Dank für diesen Einsatz Dr. Moazzem Hossain und großen Respekt vor dem Mut, den sie bewiesen haben.

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Unser Held des Tages: Dr. Moazzem Hossain

Ein Beitrag von Katrin Kausche