Die letzten anderthalb Jahre in der Pandemie waren ziemlich kräftezehrend und viele wünschen sich eine Auszeit. Einfach mal wieder abschalten, sich eine Pause gönnen und nicht an die Pandemie denken. Das klingt nach Urlaub!

Aber bevor wir jetzt gleich die nächste Reise buchen, sollten wir kurz innehalten. Durch das Wegfallen vieler Reisen mit Flugzeugen und Autos konnte sich die Natur auch ein Stück weit erholen. So war das Wasser in den Kanälen Venedigs seit langem wieder klar und in indischen Megastädten verschwand teilweise der Smog. Diese sehenswerten Veränderungen sollen natürlich beibehalten werden. Wir können Reisen neudenken – und das bedeutet in erster Linie: Nachhaltiger und umweltschonender.

Die gute Nachricht: Nachhaltig die Welt zu erkunden ist gar nicht schwer! Wir haben mit Nachhaltigkeitsexpertin und Autorin Jacqueline Albers gesprochen, die in ihrem Buch  “Gute Reise – Handbuch für nachhaltiges Reisen” Reiselustigen und Umweltschützer*innen mit Fernweh praktische Tipps an die Hand gibt.



Bereits als junges Mädchen bereiste die gebürtige Hamburgerin viele Länder und will auch weiterhin nicht darauf verzichten. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie im Bereich der Nachhaltigkeit und setzt sich für die Global Goals der Vereinten Nationen (UN) ein. Klimaschutz ist eines ihrer Herzensthemen, weswegen sie nach Möglichkeiten suchte, einen reisefreudigen Lebensstil zu kreieren, der den CO2-Fußabdruck nicht in die Höhe schießen lässt.

Global Citizen: Unsere Erde hat durch unser fahrlässiges Verhalten schwer gelitten. Unachtsamkeit und Unwissen verschärfen täglich die weltweite Umweltverschmutzung. Das ist einer der Gründe, warum die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz für dich besonders wichtig geworden sind. Wie genau hat sich dein Bewusstsein für diese Aspekte gebildet?

Jacqueline Albers: Ganz früh durfte ich mit meiner Familie Teile der Erde bereisen, die stark vom Krieg und auch von Armut gezeichnet waren. Andere Kinder zu sehen, die so schlimm Hunger leiden, hat mich bis heute geprägt. 

Als ich dann 2005 das erste Mal zu den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen gearbeitet habe, wusste ich, dass ich etwas für eine nachhaltigere Welt tun will. Klimaschutz kam thematisch erst einen Tick später – im Studium der Politikwissenschaften in Hamburg und dann noch mehr bei einem Forschungsaufenthalt zu nachhaltigem Tourismus in Ecuador. Als ich dort die Schätze der Natur in ihrer Vielfalt erleben durfte, wurde mir klar, was es zu schützen gilt und dass ich meinen Beitrag leisten muss. 

Du bist also schon ziemlich aktiv geworden und warst auch schon auf diversen COPs. Was treibt dich zu diesem Engagement?

Wir stehen ganz kurz davor, Kipppunkte zu erreichen, die massiven und irreversiblen Schaden an der Erde und ihren Ökosystemen anrichten. Das würde unser Klima langfristig ändern. Da kann ich nicht still sitzen und zusehen, da will ich aktiv sein. Wenn wir jetzt alle an einem Strang ziehen und Stück für Stück unser Verhalten ändern, gibt es noch die Chance, den menschengemachten Klimawandel auf unter 1,5 Grad einzudämmen.

Was müssen Politik und die Gesellschaft tun, um unsere Welt nachhaltiger zu machen?

Das Engagement bei der UN und den Klimaverhandlungen ist ein elementarer Baustein, weil Staaten die Macht haben, einen globalen Rahmen mit klaren Regeln zu schaffen. Klimawandel kann aus meiner Sicht nur so effektiv bekämpft werden. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe, wir brauchen da keine Einzelkämpfer. Dabei ist ein besonderes Learning, dass man einander zuhören muss. Nicht jedes Land hat die gleichen Voraussetzungen Klimaschutz entsprechend anzuwenden. Gut finde ich daher, dass es die Staatengemeinschaft im Rahmen des Paris Abkommens hinbekommen hat, den einzelnen Staaten unterschiedliche Zeiträume zur Erreichung der Reduktionsziele einzuräumen.

Doch was die Staaten auf UN-Ebene besprechen, wirkt schnell sehr abstrakt. Klar ist, dass wir als Individuen jeden Tag zahlreiche kleine und große Entscheidungen für oder gegen mehr Nachhaltigkeit bzw. Klimaschutz treffen. Da kann jede*r ansetzen und Stück für Stück das eigene Handeln überdenken, von anderen lernen und Teil der Transformation werden.

Wenn wir an Nachhaltigkeit und Umweltschutz denken, fallen einem schnell einige Bereiche ein, in denen man dringend etwas tun müsste. Warum hast du dich dazu entschieden, dein erstes Buch über das Reisen zu schreiben?

Ich liebe es zu reisen und ich engagiere mich für eine nachhaltige Entwicklung. Beides sind Herzensthemen, die für mich automatisch zusammen gehören. Als Reisen im vergangenen Pandemiejahr quasi auf null runtergefahren wurde, war mir klar, dass ich jetzt meinen Beitrag zu Papier bringen kann, wie wir unser Reiseverhalten nachhaltiger gestalten, wenn es wieder losgeht. Jetzt, da Reisen wieder denkbar ist, soll das Buch helfen, simpel und für jeden Geldbeutel praktische Tipps zu liefern und – das ist mir ganz wichtig – ohne erhobenen Zeigefinger. 

Welche Herausforderungen sind dir beim nachhaltigen Reisen begegnet und wie hast du dich ihnen gestellt?

Lass es mich auf drei Punkte zusammenfassen:

1. Vorbereitung ist die halbe Miete.

Wenn ich gut vorbereitet bin, dann erkenne ich schnell, wo Herausforderungen zur Umsetzung einer nachhaltigen Reise liegen. Möglicherweise finden wir bei unserer Recherche für die nächste Reise nicht die eine Unterkunft, die all unsere Kriterien erfüllt. Das sollte uns nicht unterkriegen lassen, sondern ermutigen, nächstes Mal wieder Ausschau zu halten bzw. unsere Suche so anzupassen, dass wir eine Unterkunft wählen, die noch nachhaltiger abschneidet.

2. Kultur spielt eine essenzielle Rolle für nachhaltiges Reisen.

Umweltschutz und Klimaschutz sind absolute Top-Priorität, aber wir müssen dazu übergehen, kulturellen Aspekten des Reisens die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist eine große Herausforderung, weil nachhaltiges Reisen so grün gefärbt ist und wir oft vergessen, dass Kulturgut bewahrt werden sollte, kulturelle Verständigung wertvoll und interkulturelle Erfahrung unersetzbar sind. 

3. Der eigene Happiness-Indikator rundet das Bild ab.

Nur wenn wir zufrieden sind, dann ist eine Reise auch nachhaltig. Jede*r von uns weiß, dass das nicht immer ganz so einfach ist. Aber denk auch an dich bei der Buchung, denk daran worauf du wirklich Lust hast und was dir Spaß macht. Kehrst du happy zurück, wirst du diese Reise weiterempfehlen oder sogar schon die nächste Reise dahin planen. Davon profitieren alle – die Gastgeber*innen und du selbst.

Ich wünsche mir in der ganzen Diskussion mehr Verständnis füreinander. Lasst uns bitte aufhören anderen zu sagen, warum dies und das nicht gut sei im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Lasst uns lieber positive Beispiele weitertragen.

Viele denken, dass sich nur privilegierte und reiche Menschen nachhaltiges Reisen leisten können. Siehst du das ähnlich oder hast du andere Erfahrungen gemacht?

Das stimmt nicht. Ich habe da andere Erfahrungen gemacht. Entlang der ganzen Reise gibt es doch die Möglichkeit Sparangebote zu suchen oder Gastgeber*innnen zu wählen, die ihr Konzept eher simpel halten. Lass mich ein paar Beispiele geben:

  • In Griechenland waren wir oft bei Gastgeber*innen essen, die selbstversorgen, also ihr Gemüse im Garten anbauen, den Wein und das Olivenöl bei Nachbar*innen einkaufen und auch sonst auf Regionalität und eigene Herstellung setzen. Da haben wir uns für wirklich kleines Geld durch die Speisekarte probiert – ein Hochgenuss.
  • In Paris haben die Museen an bestimmten Tagen freien Einlass. Wenn ich mir also vor meinem Trip diese Tage heraussuche, kann ich viel Reisebudget sparen und diverse Kulturstätten besuchen. Auch andere Städte setzen auf kulturelle Teilhabe und haben Sonderzeiten oder kostenfreie Angebote.
  • Viele denken bei nachhaltigem Reisen sicher gleich an einen teuren Urlaub. Doch das muss nicht sein. Einmal waren wir in Ecuador bei einer Familie in einem extra Zimmer untergebracht, super bequem, guter Service, familiäre Umgebung und sogar Wäsche waschen inklusive. Sowas kann sich jede*r raussuchen. Und wenn gar kein Budget zum Übernachten da ist, gibt es auch den Wohnungstausch oder Couchsurfing als Alternative.

Was sind deine drei liebsten Reiseziele und was genau lässt dich von diesen Orten träumen?

In Deutschland zieht es mich in die alte Heimat in den Norden, am liebsten nach Nordfriesland. Da sind die Strände so weiß, das Wasser so wild und die Natur so atemberaubend wie kaum woanders.

Eine heimliche europäische und für immer währende Liebe habe ich für Paris. Ich kann nicht erklären warum, ich war so oft da und wünsche mich in meinen Tagträumen am liebsten dorthin.

Weltweit kann ich mich leider nicht entscheiden. Es gibt nicht den einen Ort. Ich bin noch längst nicht reisemüde und würde gern einfach noch viel mehr Facetten und Ecken dieser Welt entdecken.

Ganz zum Schluss: Was sind drei einfache Reisetipps, die jede*r sofort umsetzen kann?

Bereite dich auf alle Schritte deiner Reise gut vor. Denk an dich und deine Happiness. Und schließlich: Lass das Handy mal liegen und pack einen schönen Reiseführer ein.

Wenn auch du dich für Nachhaltigkeit und den Umweltschutz einsetzen willst, dann werde hier mit uns aktiv. 

Global Citizen Asks

Umwelt schützen

Nachhaltig reisen? Geht einfacher, als du denkst

Ein Beitrag von Nora Holz