Warum das wichtig ist
Weltweit leben 200 Millionen Frauen und Mädchen, die aus kulturellen oder sozialen Gründen beschnitten wurden. Die weibliche Genitalverstümmelung ist eine Praktik, die bei den betroffenen Frauen oft lebenslange Schmerzen hinterlässt und nicht mit dem Entwicklungsziel der Vereinten Nationen vereinbar ist, Geschlechtergleichheit zu erreichen. Um dieses Ziel bis 2030 umzusetzen, müssen Frauen geschützt und ihre Rechte gestärkt werden. Hier kannst du gemeinsam mit Global Citizen aktiv werden.

Der 25-jährige Josephat ist ein so genannter 'Moran', - ein junger, männlicher Krieger aus Samburu im Norden Kenias.
In der Tradition der Samburus werden junge Männer im Alter zwischen 16 und 18 Jahren zu 'Morans'. Diesen Status behalten sie ungefähr bis zu ihrem 30. Lebensjahr. Ab dann dürfen sie heiraten und sich zu den 'Älteren' zählen. 

Die Kleidung der Krieger ist nicht nur beeindruckend, sondern auch ziemlich unverkennbar: viele rote Farben und farbenfroher Perlenschmuck. Traditionell besteht für die Krieger eine enge Verbindung zwischen der Auffassung von Schönheit und Stärke. Beides findet durch den farbenfrohen Schmuck seinen Ausdruck, der zudem Geschichten über Mut und den Sieg über Gegner erzählt.

25-year-old Robert (left), 26-year-old Matthew (middle) and 25-year-old Josephat (right).
Image: Jessica Lea / DFID

„Wir beschützen unsere Gemeinde, haben aber auch die Verantwortung für andere Aufgaben." erzählt Josephat weiter. „Wir helfen zum Beispiel mit dem Vieh oder schlichten Streit oder treffen andere wichtige Entscheidungen. Unsere Hauptaufgaben ist allerdings, dass wir unsere Gemeinde beschützen."

Neben den klassischen Aufgaben, die unter diesen Schutz fallen – zum Beispiel die Gemeinde vor gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Clans zu bewahren – 'beschützt' Josephat seine Gemeinde aber auch auf andere Art und Weise.

Zusammen mit zwei weiteren Kriegern, Matthew und Robert, sowie Mitgliedern der Gemeinde, setzt Josephat sich dafür ein, dass die weibliche Genitalverstümmelung (FGM) in seiner Gemeinde ein Ende findet. 

Women from Josephat’s community, including one of his sisters (front, right).
Image: Jessica Lea / DFID

Weibliche Genitalverstümmlung (FGM) ist eine weltweite Praktik, bei der das Geschlechtsorgan der Frau beschnitten und zu einem großen Teil zugenäht wird. Es ist vor allem in vielen afrikanischen Ländern seit jeher tief in der Kultur verwurzelt, lässt sich allerdings weltweit finden. Die Verstümmelung bringt immer große gesundheitliche Schäden für die Frau mit sich und führt nicht selten zum Tod aufgrund von starken Blutungen, infizierten Wunden oder anderen Komplikationen.

Die Beschneidung hat keinerlei biologische Zweckmäßigkeit, sondern ist aus rein traditioneller Kultur entstanden, indem Mädchen durch die Beschneidung zu 'echten' Frauen werden, um so als heiratsfähig angesehen zu werden.



„Ich habe so viel Leid und so viele Komplikationen aufgrund von FGM gesehen", sagt Josephat. „Als meine Schwester Bella beschnitten wurde, hat sie so stark geblutet, dass sie für eine Woche ins Krankenhaus musste. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie FGM das Leben eines Menschen zerstören kann und es wurde mein persönliches Ziel, dazu beizutragen, diese Praktik ein für alle mal zu verbannen."

Mithilfe der britischen Organisation PCF (Pastoralist Child Foundation) lernte Josephat, wie er mit den Menschen in seiner Gemeinde über das Thema sprechen kann. PCF hat sich zum Ziel gesetzt, FGM Praktiken und Kinderheirat in Kenia durch aktive Einbindung der Gemeinde und Bildungsmöglichkeiten zu beenden. Die Organisation wird von jungen, gut ausgebildeten Frauen und Männer geleitet und erhält wertvolle Unterstützung von Menschen wie Josephat, Matthew und Robert. 

Matthew: “We’re taught how to spot the signs that FGM is going to happen and how to intervene.”
Image: Jessica Lea / DFID

Matthew erzählt: „Wir haben gelernt, nach Anzeichen für FGM Ausschau zu halten und wie wir uns verhalten und eingreifen können. Inzwischen spielen wir eine tragende Rolle in dem Kampf gegen FGM. Zudem haben wir die Initiative ergriffen und mit anderen Morans, Frauen aus unserer Gemeinde und sogar den Ältesten gesprochen und sie hierzu weitergebildet", so Josephan.

Junge Krieger werden in Samburu stark respektiert und haben großen Einfluss in ihrer Gemeinde. „Morans sind außerdem jung, sie sind nicht so strikt oder verschlossen, wir können Videos und Social Media nutzen, um sie zu erreichen. Wenn wir zum Beispiel eine Aktion starten oder uns mit anderen Kriegern zusammen setzen wollen, posten wir es online und können so auch die Stimmen und Kommentare der anderen erhalten." erzählt Josephan von seiner Arbeit. 

„Manchmal sehen wir dann einen Kommentar oder eine Frage von jemandem, den wir noch nie zuvor getroffen haben, und der uns unterstützt. Das zeigt uns, dass Dinge sich mit der Zeit verändern können." 

Robert: “ I know that FGM has no value — it does not change a woman in a good way.”
Image: Jessica Lea / DFID

Den Kreislauf brechen

Neben der unglaublich wichtigen Arbeit, die Josephat, Robert und Matthew leisten, haben die drei sich außerdem öffentlich dazu ausgesprochen, 'unbeschnittene' Frauen heiraten zu wollen – ein Statement, das nicht nur eine großartige Vorreiterrolle besitzt, sondern mit einem jahrhundertealtem Ritual bricht.

Inzwischen ist Josephat nicht mehr der einzige in seiner Familie, der aktiv gegen FGM vorgeht. Josephats Mutter Leah ist ebenso bemüht, FGM Praktiken in der Gemeinde zu beenden. Sie erinnert sich noch gut daran, wie ihre älteste Tochter beschnitten wurde und nutzt diese Erfahrung, um andere Frauen davon zu überzeugen, von dieser Praktik abzusehen. 

Josephat’s mum, Leah, leads a group of 23 women in the campaign to end FGM.
Image: Jessica Lea / DFID

„Meine Tochter Bella wurde beschnitten, weil ich dachte, es ist Teil unserer Kultur. Jedes Mädchen wurde damals beschnitten. Ich erinnere mich, dass Bella stark blutete. Sie fiel in Ohnmacht und ich fing an zu schreien und rief um Hilfe. Wir haben kein Auto, wir haben sie daher in einer Schubkarre ins Krankenhaus gebracht. Ich hätte meine Tochter für immer verlieren können."

„Heute bin ich Vorsitzende einer Gruppe von 23 Frauen", erzählt Leah weiter. „Wir besprechen, wie FGM beendet werden kann und muss. Dann ziehen wir los, um mit anderen darüber zu sprechen. Wir alle können zur Veränderung beitragen."

Community discussions, and public agreement, are key tools in the abandonment of FGM.
Image: Jessica Lea / DFID


Gemeinsam an einem Strang ziehen

Von Mädchen über Jungs über Gemeindevorsitzende, Lehrer und den Ältestenrat: Es geht darum, mit der ganzen Gemeinde zu sprechen und zu arbeiten, denn das Ende der weiblichen Genitalverstümmelung hängt von dem Verhalten aller ab. Vor allem in stark eingeschworenen Gemeinden, mit einer tiefen Verbundenheit zu ihren Traditionen, müssen alle überzeugt werden, damit diese Praktik ernsthaft ein Ende findet.  

Die heute 21-jährige Bella ist Stolz auf die Arbeit, die ihre Mutter und ihr Bruder leisten und engagiert sich selbst für ein Ende von FGM. 

Josephat’s 21-year-old sister Bella.
Image: Jessica Lea / DFID

„Ich kenne Mädchen, denen die Beschneidung inzwischen erspart blieb, dank dem Einsatz ihrer Mutter", sagt sie. „Unbeschnittene Frauen haben heute die Möglichkeit zu heiraten, was gut ist. Ich werde meine Tochter auf keinen Fall beschneiden lassen. Ich will nicht, dass sie dasselbe durchmachen muss wie ich. Und ich bin so unglaublich glücklich, dass meine jüngere Schwester nicht beschnitten wird."

Dank dem Einsatz von Organisationen wie PCF und Menschen wir Josephat, seiner Mutter und vielen weiteren Freiwilligen, hat die heute heranwachsende Generation an Mädchen eine Chance, von dieser grausamen Praktik verschont zu bleiben. Und dank der Weiterbildung und den offenen Gesprächen, die darüber geführt werden, lernen sie mehr und mehr auch ihre Rechte kennen und können sich dafür einsetzen.

„Ich werde mich nicht beschneiden lassen", sagt Juliana, Josephat und Bellas jüngere Schwester. „Ich hab gesehen, wie andere Mädchen nein gesagt haben und ich sage auch nein." 

Weltweit leben 200 Millionen Frauen und Mädchen, die aus kulturellen oder sozialen Gründen beschnitten wurden. In Samburu, wo Josephat und seine Familie leben, erfahren immer noch 86 Prozent aller Mädchen FGM.

Weibliche Genitalverstümmelung ist so tief in der Tradition verwurzelt, dass es ein langer Weg sein kann, bis diese grausame Praktik tatsächlich der Vergangenheit angehört. Umso mehr wir uns gemeinsam für ein Ende einsetzen und vor allem nicht wegschauen, um so höher sind jedoch die Chancen, dass dieses Ziel in greifbare Nähe rückt. 


Dieser Beitrag wurde erstmalig am 08. März 2016 vom Britischen Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit (UK Department for International Development) veröffentlicht und kann hier im Original nachgelesen werden. Übersetzt und angepasst von Global Citizen.  


Die in diesem Artikel dargestellte Meinung reflektiert ausdrücklich die Meinung des Autors und nicht maßgeblich die Meinung von Global Citizen, unseren Partnern und/oder unserer Partner-Organisationen.

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Diese Krieger aus Kenia kämpfen gegen weibliche Genitalverstümmelung