Während meines ersten Semesters an der Uni freundete ich mich mit einer Kommilitonin an, die mir erzählte, dass Sie eigentlich nie Musik hört. Was mich ziemlich sprachlos machte. Wie kann jemand durchs Leben gehen bzw. das Leben ertragen ohne die überirdischen Rhythmen und hypnotisierenden Melodien, die jede Musikrichtung auf ihre ganz eigene Art und Weise auf ihre Hörer ausübt? Ich meine, besagte Kommilitonin schien Musik nicht zu vermissen, was natürlich total okay ist, aber für jemanden wie mich, für den Musik irgendwie schon immer auch eine Art Therapie war, war das ein totaler neuer Gedanke: ein Leben ohne Musik.   

Ich meine, Musik war schon immer ein elementarer Teil in meinem Leben, trotzdem, der Gedanke war da: war das vielleicht nur bei mir so? Daher kam ich auf die Idee, mal vier Beispiele zusammen zu tragen, in denen Musik nachweislich Einfluss auf das menschliche Wohlbefinden hat. 

Feel the blues oder dem Trübsal entkommen

Musik ist eine Form der Kommunikation, die mit keiner gesprochene Sprache auf unserer Erde zu vergleichen ist. Sei es die Kommunikation nach Außen, nach Innen, mit sich selbst oder in welche Richtung auch immer, Musik kann etwas, was simple Worte allein nicht können.

Teile meiner Jugend waren ziemlich taff - und als meine Frustration mal wieder besonders stark war, begann ich, mir selbst das Klavierspielen beizubringen. Meine Familie ist ziemlich musikalisch, trotzdem hatte ich bis zu meinem 15. Lebensjahr nie das Bedürfnis, ein Instrument zu erlernen. Wenn ich jetzt daran zurück denke, empfinde ich die Zeit, in der ich am Klavier sitzen und einfach drauf los klimpern konnte als enorm befreiend. Es war, als ob ich etwas Schweres auf meiner Brust lastend durch meine Finger nach außen transportieren konnte.

Was ich damit sagen will: ich kann jedem nur empfehlen, ein Instrument zumindest mal in die Hand zu nehmen und es zu versuchen. Es muss dabei kein ambitioniertes Mozartstück werden. Studien beweisen, dass vor allem der ungezwungene Umgang mit einem Musikinstrument helfen kann, Stress abzubauen und uns sogar vor chronischem Stress bewahren kann. Denn Stress ist eine Kettenreaktion, die in unserem Kopf beginnt und bis in die kleinste Zelle unseres Körpers dringen kann. Und mit der Zeit kann dieses 'Stressgefühl' anhalten und zu Burnout, Wutanfälle und/oder Depressionen führen. Musik hat also das Potential, sich besser zu fühlen. 

Mit Endorphinen trainieren 

Dinge die mir beim Trainieren wirklich weiterhelfen: mein Workout Buddy und Musik. Wann immer ich Laufen oder ins Fitness-Studio gehe, gehen meine Kopfhörer mit mir mit. Studien belegen, dass Musik hören dabei helfen kann, Müdigkeit und Schlappheit zu überwinden und uns bei leichtem bis mittelschwerem Training entsprechend unterstützen kann. Okay, zugegeben, für richtig schweres Training soll Musik keine wirkliche Hilfe bieten, denn dann ist unser Gehirn zu sehr auf das körperlich stark anstrengende Training konzentriert - aber so oder so finde ich persönlich Musik angenehm wann immer ich laufe, leichte Gewichte hebe oder an der Rudermaschine sitze. Ganz abgesehen von dem Motivationsschub, den einige Lieder auslösen können. 

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Sind wir ehrlich, gibt es ein befriedigenderes Gefühl als nach einer super Training-session, vollgepumpt mit glückbringenden Endorphinen dem Sonnenuntergang entgegen zu gehen, mit dem persönlichen Lieblingssong in den Ohren? (okay, das mit dem Sonnenuntergang ist wahrscheinlich Geschmackssache). 

Musik für die persönliche Ewigkeit

Je darüber nachgedacht, warum bestimmte Lieder bestimmte Erinnerungen, die selbst Jahre zurückliegen, wachrufen?

Studien haben herausgefunden, dass besonders favorisierte Lieder das Belohnungszentrum unseres Gehirns stimulieren und somit Dopamin, Serotonin, Oxytocin und andere Neurotransmitter ausschüttet. Unsere Beziehung zu Musik ist also eng mit der Struktur unseres Gehirns verbunden. Wenn jemand beispielweise einen Song besonders mag (gilt auch für wenn man einen Song besonders schrecklich findet) kreiert unser Gehirn eine Erinnerung gefüllt mit dieser Emotion.
Hören wir den Song irgendwann wieder, selbst Jahrzehnte später, wird genau diese Erinnerung hervorgerufen. Und wer's ganz genau wissen will: die mittlere präfrontale Kortex in unserem Gehirn (der Bereich gleich hinter unserer Stirn) ist dabei besonders aktiv. Denn dieser verbindet Musik mit Erinnerungen. Daher können sogar Alzheimer Patienten sich noch an der Lieblingsmusik aus ihrer Jugend erfreuen, denn genau der Teil des Gehirns bleibt am längsten intakt. 

Musik als Therapie

Bis jetzt hatte ich das enorme Glück, noch die auf einem OP Tisch gelandet zu sein (und ich drück mir selbst die Daumen, dass das so bleibt) - doch sollte ich in die Lage kommen, werde ich auf jeden Fall vorher und nachher Musik hören. Denn Studien haben herausgefunden, dass diejenigen, die vor und nach einer OP Musik hören, wesentlich beruhigter und hinterher auch weniger schmerzanfällig sind.

Dieser 'natürliche' Schmerzlinderer wird daher oft in unterschiedlichen Therapien angewendet, in welcher der Einsatz von Musik zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit genutzt wird. Denn ähnlich wie beim trainieren ist Musik ziemlich geschickt darin, unser Gehirn unauffällig abzulenken.

Meine Lieblingsanekdote hierzu -die gleichzeitig zeigt, wie lange Musik schon elementarer Teil der Menschheit ist - ist folgende: In der klassischen Antike ging man davon aus, dass sich kranke Menschen in Unordnung befinden und durch die Hilfe von Musik die geistige und seelische innere Harmonie wiederhergestellt werden kann.
Nicht schlecht, oder? Ich meine, Musik hat definitiv etwas inspirierendes, ansonsten würde ich diesen Artikel hier nicht schreiben.



Eine Sache will ich aber zum Schluss noch erwähnen. Denn egal was für ein großer Musikfan man auch sein mag, diese Regel gilt für alle: Musik niemals zu laut hören. Was sich wie ein altbackener Ratschlag von den Eltern anhört, hat in Wirklichkeit dramatische Auswirkungen wenn man's nicht befolgt. Denn weltweit sind inzwischen 1,1 Milliarden Menschen zwischen 12 und 35 Jahren einem erhöhten Hörsturz-Risiko ausgesetzt, allein weil sie zu laut Musik hören. Leute, wenn ihr im hohen Alter und von Alzheimer geplagt zumindest noch Musik genießen wollt, dann seht bloß zu, dass ihr das auch könnt und euch bis dahin nicht das Trommelfell zerschießt. Also, investiert in gute Kopfhörer, gewöhnt euch eine angenehme Lautstärke an und lasst eure Ohren hin und wieder checken.

Musik ist wie ein guter Freund, der schon immer da war, der einem immer beiseite steht, der einen durch unzählige Stunden voller Hausaufgaben, Seminararbeiten und Thesis schreiben gebracht hat, der den ein oder anderen zu seiner ersten eigenen Band, seinem eigenen Song oder seinem eigenen Video inspiriert hat, Musik ist da wenn man traurig, fröhlich oder gebrochen ist, wenn man alleine, zu zweit oder mit ganz vielen sein will oder sogar dann, wenn im hohen Alter alles vergessen scheint, bis auf dieses eine Lied, das man in der Jugend so gerne gehört hat und das einen zurückversetzen kann in eine Zeit, die längst verloren scheint.

Musik bewirkt Wunder wenn es um unsere Emotionen und Erinnerungen geht. Tun wir unserer Gesundheit also hin und wieder was gutes und schwelgen -in gesunder Lautstärke- in unseren Lieblingssongs.


Aus dem Englischen übersetzt und angepasst von Aileen Elsner / Global Citizen.

Editorial

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Ein Beitrag von Leah Runyon