Warum das wichtig ist
Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft gefährdet das Leben und Wohlergehen von Menschen auf der ganzen Welt. Wir können die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN nicht erreichen. Denn Rassismus und Diskriminierung wirken sich auf jedes der 17 Ziele aus. Werdet mit uns gegen Rassismus und für eine gerechte Welt aktiv.

Madu Cole, 27, ist in Kalifornien, USA, geboren und aufgewachsen. Seine Eltern sind in den 80er Jahren aus Sierra Leone und Nigeria in die USA ausgewandert. 

Nach seinem Bachelorstudium entschied er sich, nach Europa zu gehen. 2015 zog er nach Berlin, um dort zu arbeiten und seinen Master in Finance zu absolvieren, den er 2019 abschloss. Heute arbeitet Madu Cole für die deutsche Mobilbank N26 und spielt Basketball in der Berliner Regionalliga.

Cole weiß, dass er Diskriminierung und Rassismus sein ganzes Leben lang erfahren hat. "In den USA habe ich Diskriminierung und Rassismus erlebt, auf unterschiedliche Weisen. Deshalb sehe ich mich heute als Aktivist und Verfechter gegen Rassismus ein. Ich will meine Stimme nutzen, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen”, sagt Cole. In sozialen Medien, in Gesprächen mit Freund*innen, Familienmitgliedern, Cousins und Cousinen und seine jüngeren Geschwister spricht er über Rassismus. Das ist seine Geschichte.


Ich glaube, ich war neun oder zehn Jahre alt, als mir das wirklich bewusst wurde: Ich bin anders. In der Junior High School musste ich mir Roots ansehen, eine TV-Miniserie über einen afrikanischen Sklaven, der in Amerika verkauft wurde. Sein Name war Kunta Kinte. Das war das erste Mal, dass ich wirklich etwas über Sklaverei lernte, das erste Mal, dass ich mich unwohl fühlte, weil ich in der Öffentlichkeit eine Minderheit war.

An meiner Schule waren vorwiegend Weiße und Kinder mit asiatischen Wurzeln – ich und meine Schwestern waren quasi die einzigen Schwarzen. Nachdem ich die Sendung gesehen hatte, hörte ich gelegentlich einen Kommentar: "Hey, ist es wirklich so, wie es da beschrieben wird?" Manchmal wurden Witze über mich gemacht, etwa: "Wow, du läufst ja wie Kunta Kinte", oder sie zitierten Phrasen aus der Serie, die sie an mich richteten: "Wie ist dein Name, Junge?" Das war mein erster Vorgeschmack auf Rassismus in meiner Kindheit.

Madu Cole, 27, is an advocate and activist against racial injustice.
Image: Madu Cole

Rückblickend ist dieses Verhalten absolut falsch – es ist ignorant und rassistisch. Doch für mich war es immer eine Herausforderung, auf dieses Verhalten richtig zu reagieren. Ich fragte mich oft: Wie gehe ich damit um? Räche ich mich dafür? Soll ich wütend sein? Ich war schon immer ein Mensch mit dickem Fell, aber ich muss zugeben, dass es schwer war, das durchzustehen. Ich habe versucht, es an mir abprallen zu lassen. Ich habe es irgendwie über mich ergehen lassen, aber habe meine Gefühle lange für mich behalten – zu lange. 

Ich wurde in San Jose, Kalifornien, geboren und bin dort aufgewachsen. San Jose ist eine Stadt, die sehr divers ist und in der viele Kulturen zusammenkommen. Die Stadt spiegelt auf gewisse Weise den sogenannte American Dream wider – auf den ersten Blick zumindest. Aber die Realität sieht anders aus. Die Wahrheit ist, dass es in den USA schon immer Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Ungleichheit gab. Es hat etwas gebraucht, bis ich all die Facetten davon erkannt habe. 

Ich bin als Schwarzer, junger Mann in den USA aufgewachsen, aber mein Leben und das meiner Familie bediente oft nicht das Klischee, das viele von einer “durchschnittlichen Schwarzen Familie” haben. Ich bin der zweitälteste von vier Geschwistern. Wir alle haben Top-Universitäten besucht. Ich trieb mich oft in Gegenden rum, wo Schwarze Menschen “nicht ins Bild passen”, das habe ich an den Blicken gesehen. Es gab Situationen, in denen Weiße mir aus dem Weg gingen oder die Straßenseite wechselten, weil sie möglicherweise "eingeschüchtert" waren. Ich versuche dann immer der Person zu zeigen, dass sie keine Angst zu haben braucht, dass ich “ungefährlich” bin. Vielleicht ist es komisch das zu sagen, aber ich versuche immer, “Fremden” das Gefühl zu geben, dass sie sicher sind und sich vor mir nicht fürchten müssen. Ich lächle Menschen an, ich gucke ihnen in die Augen, wenn ich mit ihnen spreche und versuche ihnen zu zeigen, dass ich ein einfühlsamer, empathischer Mensch bin. Aber ganz egal, welches Auto du fährst, wie klug du bist oder wie du dich verhältst: Du bist trotzdem nie auf dem gleichen Level mit “nicht-Schwarzen”.  Darüber hinaus sind wir oft gezwungen, einem bestimmten Anspruch gerecht zu werden, anstatt einfach akzeptiert zu werden, wie wir sind. 

Rassismus gibt es sowohl in den USA als auch in Deutschland, wo ich seit fünf Jahren lebe. Der Rassismus, den ich hier erlebt habe, ist jedoch anders. Die Leute stellen mir Fragen über das N-Wort oder warum Schwarze nur Rap-Songs singen. Sie fragen, warum Amerika so ist, wie es ist; warum auf Schwarze herabgeschaut wird. Oder sie fragen, warum Schwarze schon so lange protestieren. Es gibt zwar eine gewisse Naivität, aber es gibt auch eine Bereitschaft der jüngeren Menschen hier in Deutschland, zu lernen und zu verstehen. In den USA hingegen ist diese Vorstellung – je nach Wohnort und Region – sehr unterschiedlich. In vielen Fällen ist es leicht zu erkennen, dass manche Menschen nicht lernen und verstehen wollen – und sie wollen oder glauben auch nicht daran, dass wir erfolgreich sein können. 

In den USA ist Rassismus eklatanter und viel offensichtlicher. Er ist systematisch und in unseren Gesetzen und unserer Verfassung verankert. Das wird etwa in dem renommierten Dokumentarfilm 13. ganz deutlich. Jeder, der diesen Film sieht, versteht, was systematischer Rassismus ist. Die Brutalität der Polizei hat nicht erst vor einigen Wochen begonnen; das geht seit Jahrhunderten so. Seit Ewigkeiten werden Schwarze getötet und unterdrückt. Selbst in der heutigen Gesellschaft, in der Menschen Technologie nutzen, um Beweise aufzuzeigen, ändert sich zu wenig. Deshalb ist es an der Zeit, dass wir unsere Stimmen erheben und die Veränderung, die wir wollen, erzwingen.

Ich wurde in meiner Jugend beim Autofahren wegen Geschwindigkeitsübertretungen und anderen Dingen angehalten. Heute muss man als Schwarzer über diese vermeintlich einfache Situationen nachdenken, man steht unter Druck. Denn man weiß nie genau, was man tun und wie man reagieren soll: "Wo soll ich Ihre Hände hintun? Auf das Armaturenbrett? Aus dem Fenster halten? Mein Telefon ist schwarz - was passiert, wenn die Polizei denkt, es ist eine Pistole?" Es gibt so viele Dinge, die einem durch den Kopf gehen. "Was wäre, wenn ich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen wäre?" Vielleicht wäre ich heute nicht hier.

Ich kenne nicht alle Ecken in Europa, deshalb kann ich hier nicht auf alle Dimensionen des Rassismus eingehen. Aber ich habe diese eine Situation hier in Berlin erlebt, wo ich von der Polizei angehalten wurde. Ich ging mit einem Freund mit arabischem Hintergrund spazieren, wir waren auf dem Weg zu einem Konzert, mit Bier in der Hand.

Aus den Augenwinkeln sah ich einen Mannschaftswagen der Polizei. Ich spürte, dass der Wagen anhielt. Ich hörte eine Männerstimme sagen: "Entschuldigung". Ich wollte überhaupt nicht zurückschauen, also beschlossen wir, einfach weiter zu gehen, um Schwierigkeiten zu vermeiden.

Als wir seine Stimme erneut hörten, die "Entschuldigung" wiederholen, flüsterte ich meinem Freund zu: "Ich glaube, sie sind wegen uns hier, Bro". Also drehten wir uns schließlich um. Am Ende sprachen wir beide Deutsch mit dem Polizisten, was ihn sehr zu irritieren schien. 

Als er uns nach unseren Ausweisen fragte, zeigte ich ihm meinen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass ich aus Kalifornien komme. Mein Freund zeigte seinen britischen Pass. 

Wir wurden einfach ohne ersichtlichen Grund angehalten, auf einer belebten Straße. Wir taten nichts Falsches. Es gab wirklich keinen Grund, uns zu anzuhalten. Und die Frage, die sich mir bis heute stellt, ist: Warum hat man uns angehalten?

Es ist traurig, dass dies das erste ist, was mir in den Sinn kommt – aber was könnte sonst der Grund gewesen sein? Und wer weiß, was an einem anderen Tag passiert wäre?

Ich weiß, dass ich nicht immer dem Bild entspreche, das Leute von mir haben. Manche sehen in mir nur den Athleten und nicht, dass ich smart bin. Manche mögen glauben, dass ich nicht mit Geld umgehen kann, dabei arbeite ich für eine Bank und habe einen Master in Finance. Manchmal sehen sie mich auf der Straße, mit Cap auf dem Kopf und Kette um den Hals und mögen denken: “Ah, ein Möchtegern-Rapper" – ohne zu wissen, dass ich das Ziel habe, eines Tages ein eigenes Unternehmen zu gründen. Ich bin stolz auf mich, auf den, der ich bin. Aber manchmal ruft die Tatsache, dass die Leute mich als “Schwarzen” sehen und ich mich auch so zu verhalten habe, einen Hauch von Unsicherheit hervor.

Wir Schwarzen sind stärker und mächtiger und viel mehr als das, was andere in uns sehen. Das müssen wir niemandem beweisen, aber wir zeigen es dennoch jeden Tag. Wir sollten stolz sein auf uns und unsere Kultur. Obwohl wir in unser Leben mit verschiedenen gesellschaftlichen Nachteilen konfrontiert werden, sind einige der begabtesten und besten Musiker*innen, Sportler*innen und Unternehmer*innen Schwarz. Wir tragen eine Energie in uns, die sich entfaltet, bei allem, was wir erreichen wollen. 

Als Schwarzer und als Afrikaner bin ich stolz auf das, was wir erreicht haben und weiterhin erreichen werden. Wir wissen, dass wir es schwer haben, in diesem System, das die Gesellschaft aufgebaut hat. Aber wir kämpfen immer weiter. Ich versuche meine Brüder und Schwestern zu inspirieren, meine eigene Familie, meine Freunde. Wir kämpfen auf vielen Ebenen dafür, das Narrativ zu verändern. Das ist der einzige Weg, um die Zukunft zu verbessern. Das Ziel ist es, die richtigen Wege zu finden, um Mauern zu durchbrechen und Brücken zu bauen. 

Es ist schwer zu glauben, dass Menschen bis heute infrage stellen, dass es Rassismus, Racial profiling und Ungerechtigkeit gibt – gerade jetzt, mit allem was in der Welt passiert. Hass ist erlernt. Doch statt Hass zu verbreiten, sollten Menschen anderen beibringen, was Gleichberechtigung und Inklusion bedeutet. Das muss Zuhause anfangen und sich dann in der Gesellschaft verbreiten. 

Wenn wir rufen oder schreiben “Black Lives Matter!”, bedeutet es nicht, dass andere Leben nicht zählen. Vielmehr wollen wir dafür sorgen, nicht vergessen zu werden. Denn Schwarze wurden viel zu lange ignoriert, unterschätzt und übersehen. Jetzt ist die Zeit, um das zu ändern. Jetzt demonstrieren, informieren und predigen wir damit wir gewürdigt und respektiert werden – so wie jeder andere Mensch auf dieser Welt es verdient hat. 

Für Menschen, die gut informiert sind, die verstehen, wie die Gesellschaft funktioniert, wie Menschenrechte funktionieren, wie Gerechtigkeit funktioniert, wie Frieden funktioniert, sollte klar sein, dass die Welt ihre Augen öffnen und anerkennen muss, was wir Jahrhunderte lang ertragen mussten.

Jetzt ist es an der Zeit, zu demonstrieren, zu spenden und an der Seite von Schwarzen zu stehen. Wenn du Schwarze Kollegen, Familienmitglieder oder Freund*innen hast: Sei für sie da, steh ihnen bei. Sei bereit und offen, zu lernen und zuzuhören und informiere dich und deine Mitmenschen. 

Wir müssen das Wissen von Generation zu Generation weitergeben und wir müssen hungrig nach neuem Wissen sein. Die Informationen sind da draußen: Statistiken, Reden, Demonstrationen, Bücher über die Geschichte von Schwarzen, Dokumentationen. Es gibt so viel das dabei helfen kann, zu verstehen, was die Schwarze Community durchmachen musste. 

Informier dich. Stell Fragen. Scheue nicht davor zurück, tiefer zu graben. Du kannst in diesem Kampf für Gerechtigkeit etwas Wertvolles beitragen. 

In My Own Words

Gerechtigkeit fordern

Was ich über Rassismus in den USA und Deutschland gelernt habe