Wenn Kinderarbeit, sexuelle Belästigung und sogar Vergewaltigung tiefe Wurzeln in eine Kultur geschlagen haben, scheinen zwei junge Mädchen nicht viel dagegen ausrichten zu können. Auch nicht, wenn sie mit einer Kamera und einem Mikrofon ausgestattet sind. Will man meinen.

Doch bei Gaelle Mambo und Shneider Remi Adams, zwei angehenden Filmemacherinnen und Freundinnen aus Bamenda in Kamerun, lief es anders.

Die beiden Mädchen hatten die Chance, mit der örtlichen Organisation „Advice Media” zusammen zu arbeiten. Die Organisation steht Schülern und Studenten bei Fragen rund um Journalismus und Filmschnitt zur Seite steht und hilft ihnen dabei, die richtigen Fragen zu stellen. So kam es, dass Gaelle und Shneider gemeinsam den Dokumentarfilm „Hidden Truths” drehen konnten. 

Die Dokumentation dreht sich vor allem rund um Themenbereiche, mit denen sich gerade junge Mädchen in der Gemeinschaft konfrontiert sehen.

Und das ist nicht unbedingt ‘leichte Kost’. Gaelle und Shneider stellen Fragen über Kindesmissbrauch, Vergewaltigung, 'Brustbügeln' und Kinderarbeit - und scheuen sich dabei nicht, an den Gemeinderat, an andere Bürger bis hin zu den Ältesten des Dorfes heranzutreten.

Vor allem zum Brauch des 'Brustbügelns' haben die Mädchen viele Fragen gestellt. Beim 'Brustbügeln' werden extrem heiße Gegenstände wie Spachtel oder stark aufgehitzte Steine über die Brüste heranwachsender Mädchen gerieben, um das Wachstum der Brüste zu hemmen. Damit sollen Mädchen lange 'jung' und für Männer attraktiv gehalten werden. 

Gaelle und Shneider haben Interviewpartner gefunden, die diese Tradition am eigenen Leib erfahren haben und nun versuchen, diesen Brauch zu stoppen.

Die beiden Mädchen hinterfragten die eigene Kultur, in der sie aufwuchsen, und die darin eingebetteten Bräuche und Rituale. Mittlerweile haben die beiden in ihrer Gegend Gespräche über die Zukunft entfacht, die so noch nie zuvor geführt wurden.

Global Citizen hat mit Gaelle und Shneider über ihren Dokumentarfilm gesprochen und dabei erfahren, wie es ist, in Kamerun aufzuwachsen und was sich ihrer Meinung nach in ihrem Heimatland in Zukunft ändern muss.


Warum geht es in eurer Dokumentation um die Ungleichheit zwischen Jungen und Mädchen?

Shneider: Wir haben uns dazu entschieden, die Ungleichheit zwischen Jungen und Mädchen näher zu betrachten, weil das gerade für uns hier in Afrika ein wichtiges Thema ist. Außerdem geht es jede Frau etwas an. Was ich damit meine ist, dass viele Frauen in ihrem Leben auf verschiedene Art und Weise mit Ungerechtigkeit konfrontiert sind. In Kamerun sprechen allerdings nicht viele über diese Probleme. Wir wollen mit unserer Doku den Menschen auf der Welt zeigen, wie das Leben in Kamerun aussieht und wie Frauen in unserer Kultur behandelt werden.

Mit welchen Herausforderungen müssen Mädchen in Kamerun leben?

Gaelle: In meiner Gemeinde ist es die Schuld des Mädchens, wenn es vergewaltigt wird. Wenn sich das Mädchen dann doch jemandem anvertrauen will, werden ihr gleich hunderte Fragen gestellt: Wo war sie vor der Vergewaltigung? Um welche Uhrzeit ist es passiert? Und was hat das Mädchen angehabt? Das sind nur ein paar der Fragen, die einem gestellt werden. Die Schuld wird bei den eigentlichen Opfern gesehen - den Mädchen.

Häufig werden Mädchen vergewaltigt, wenn sie auf der Straße oder auf den Märkten Dinge wie Obst oder Getränke verkaufen, um die Familie finanziell zu unterstützen. Männer locken die Mädchen dann in dunkle Ecken und tun so, als ob sie etwas kaufen wollen, doch dann vergewaltigen sie sie.

Shneider: Viele Menschen sind immer noch der Meinung, dass die Frau hinter den Herd gehört. Jungen und Mädchen werden deshalb unterschiedlich behandelt. Dann sind da natürlich all die Vergewaltigungen, wovon überwiegend Frauen betroffen sind (obwohl es auch ein paar Jungs betrifft). In Kamerun gibt es auch immer noch viele Gemeinden, die die Genitalien der Mädchen beschneiden und die noch immer die Brüste der Mädchen bügeln, damit die Mädchen länger jung aussehen. Manche Stämme sind auch noch immer strikt dagegen, Mädchen in die Schule zu schicken. Und leider werden auch noch viel zu häufig Mädchen zwangsverheiratet.

Wie habt ihr eure Interviewpartner gefunden?

Shneider: Wir haben mit vielen unserer Klassenkameraden und anderen Menschen hier in unserer Gegend gesprochen und sie gefragt, mit welchen gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Meinung Mädchen leben müssen. Wir haben aber auch mit politischen Köpfen aus Kamerun und anderen Ländern, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen, gesprochen.

Gaelle: Melissa Banigan, die Gründerin unseres Projekts bei „Advice”, hat immer gesagt, dass uns die Ideen für unsere Doku selbst berühren sollen - so sehr, dass sie uns schlaflose Nächte bereiten. Und das habe ich dann auch gemacht und schnell die Themen gefunden, die in unserem Film vorkommen sollten. Mit den Themen kamen dann auch schnell Ideen, wen man am besten interviewen und welche Fragen man stellen sollte.

Was macht ihr noch so, um Mädchen in Kamerun zu unterstützen?

Gaelle: Im Moment schreiben wir Berichte und Artikel für das „Advice”-Projekt. Wir arbeiten aber auch noch an einem weiteren Filmprojekt, um den Menschen zu zeigen, was Mädchen in Kamerun wirklich durchmachen müssen.

Shneider: Unsere Artikel werden auf der Webseite von „Advice Media” veröffentlicht. So kann die Welt lesen, was Frauen und Mädchen in unserem Land durchmachen müssen. Wir hoffen aber auch, dass Menschen unsere Arbeit und unsere Geschichten finanziell unterstützen. 

Was muss eurer Meinung nach in Kamerun passieren, um das Ansehen von Mädchen und Kindern im Allgemeinen zu verbessern?

Shneider: Mehr Menschen sollten sich dafür engagieren, dass Mädchen in Kamerun zur Schule gehen dürfen. Jungen und Mädchen sollten die gleichen Chancen und Möglichkeiten bekommen und mehr Mädchen sollten dazu ermutigt werden, für sich selbst einzustehen und ihre Geschichten zu erzählen.

Gaelle: Ich denke, dass alle Mädchen auf der ganzen Welt das Recht haben sollten, zur Schule zu gehen. Ich finde, dass die Regierung Kameruns da schon einiges geleistet hat, in dem sie staatliche Schulen eröffnet hat, in denen die Schulgebühren relativ niedrig sind - im Gegensatz zu manch anderen Privatschulen. Außerdem hat die Regierung ein neues Gesetz verabschiedet, das vorschreibt, dass Eltern eine Gefängnisstrafe droht, wenn sie ihren Kinder das Recht auf Bildung entziehen.

Seid ihr auf Schwierigkeiten gestoßen, als ihr eure Doku gedreht habt?

Gaelle: Oh ja, die hatten wir. Als wir mit dem Filmen anfingen, hatte auch die Schule wieder begonnen. Bei uns dauert der Unterricht fast den ganzen Tag, deshalb konnten wir uns nur spätnachmittags oder abends zum Filmen treffen. Die meisten Mädchen müssen aber bis Sonnenuntergang zu Hause sein. Unsere Eltern haben uns zum Glück die Erlaubnis erteilt, länger draußen zu sein, um zu filmen. Wir waren zwar müde, aber dafür hat sich die Arbeit gelohnt. Ach, und dann haben wir auch noch während der Regenzeit gefilmt. Wir mussten also immer abwarten, bis es aufgehört hat zu regnen, erst dann konnten wir filmen.

Was sind eure Berufswünsche? 

Shneider: Ich würde gerne Apothekerin oder Ingenieurin werden.

Gaelle: Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich werden will, aber wahrscheinlich irgendwas wissenschaftliches.

Was sollte die Welt über eure Doku und Mädchen in Kamerun wissen?

Shneider: Die Welt soll verstehen, dass Kamerun noch einen weiten Weg vor sich hat, bevor Mädchen gleichberechtigt behandelt werden. Das heißt vor allem, dass es in vielen traditionell eingestellten Stämmen, Dörfern und Familien noch lange dauern wird, bis dieser Wandel sich einmal einstellt. Aber mittlerweile gibt es mehr und mehr Mädchen, die für ihre Rechte einstehen und immer mehr Menschen hören zu.

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Ein Beitrag von Colleen Curry