Kinderehen sind ein weltweites Problem. Jedes Jahr werden 15 Millionen Mädchen noch vor ihrem 18. Lebensjahr zwangsverheiratet. Das bedeutet: Alle 2 Sekunden wird ein Mädchen verheiratet.

Und auch wenn das Bewusstsein für das Problem der Kinderheirat wächst, stellt sich für viele Menschen immer noch die Frage, wie es überhaupt dazu kommt. Wie kann es sein, dass Mädchen im 21. Jahrhundert immer noch so jung zwangsverheiratet werden?

Ein Mädchen, das selbst zwangsverheiratet wurde, teilt hier ihre Geschichte, um diese Frage zu beantworten.

Gloria (Name zum Schutz der Identität geändert) stammt aus dem ländlichen Sambia und erzählte ihre Geschichten der Initiative ‘Campaign for Female Education’ (kurz: Camfed), um der Welt besser zu verstehen zu geben, wie Mädchen, die in extremer Armut leben, zu Kinderbräuten werden.

Heute hofft Gloria, andere Mädchen davor bewahren zu können, das gleiche durchzumachen, was sie erlebt hat.

Das ist Glorias Geschichte

Image: Camfed/Eliza Powell

Glorias Eltern haben den ganzen Tag auf dem Fluss verbracht, in der Hoffnung, genügend Fische zu fangen, die sie dann verkaufen können, um mit dem Geld ihre Kinder zur Schule zu schicken und Nahrung für alle kaufen zu können.

An weniger erfolgreichen Tagen allerdings sind Gloria und ihre jüngeren Geschwister hungrig schlafen gegangen.

Als Glorias Vater starb, wurde das Leben für die Familie noch schwieriger. Es war nun die Aufgabe von Glorias Mutter, für sich und ihre zehn kleinen Kinder zu sorgen.

„Eigentlich hätte ich zur Schule gehen sollen, als ich heiratete", erzählt Gloria, heute 17 Jahre alt, gegenüber Camfed. „Ich war 12, als man mich mit einem 35-jährigen Mann verheiratete. Sie sagten, aufgrund der Armut würde der Mann sich um mich, meine Geschwister und meine Mutter kümmern."

„Ich habe geweint, weil ich zu jung war, um zu heiraten", fuhr sie fort. „Ich wollte das nicht, ich verstand die Bedeutung der Ehe nicht, ich war voller Angst."

Aber Gloria wusste auch, dass ihre Mutter es sich nicht leisten konnte, sie weiter zu ernähren, Kleidung für sie zu kaufen oder ihr Schulgeld zu bezahlen. Und sie glaubte, wenn sie sich weigerte zu heiraten, hätte sie keinen Ort, wo sie hätte hingehen können.

Doch anstatt die wichtige Mitgift zu zahlen, die Glorias Familie sich erhofft hatte und die ihre Mutter zur Unterstützung der Familie hätte verwenden können, gab Glorias neuer Ehemann ihrer Familie lediglich eine einzige Ziege.

In ihrer neuen Rolle als Ehefrau ging Gloria nicht mehr zur Schule, sondern kümmerte sich stattdessen um ihren Ehemann. Sie suchte nach kleinen Jobs, die sie verrichten konnte, um etwas Geld zu verdienen. Sie und ihr Ehemann kämpften darum, genug zu verdienen, um sich etwas zu essen kaufen zu können. Aber der größte Verlust für Gloria war ihre Freiheit.

„Als ich bei meiner Mutter wohnte, war ich frei, zu tun was ich wollte", fuhr sie fort. „Doch in dem Haus, in das ich gebracht wurde, war ich nicht frei. Ich hatte Angst, weil er mir verbot, irgendetwas zu tun und nur er entschied, was getan werden durfte. "

Als Kinderbraut ertrug Gloria auch die Angst und den Schmerz einer ungewollten, körperlichen Beziehung. Nach sechs Monaten stellte sie fest, dass sie schwanger war.

„Als ich schwanger war, fühlte ich so viele Schmerzen, weil ich nicht bereit war, in diesem Alter schwanger zu werden", sagte sie. „Ich wusste nicht, wie ich ein Baby bekommen sollte."

Noch während ihrer Schwangerschaft starb Glorias Ehemann. Nach der Beerdigung übernahm der Bruder von Glorias Ehemann das Land und all seinen Besitz – und heiratete Gloria. In ihrer zweiten Ehe war Gloria oft häuslicher Gewalt ausgesetzt und verlor dadurch ihr Kind. Aufgrund von Bedrohung und Unterdrückung fühlte sie sich nicht in der Lage, nach ihrer Fehlgeburt Hilfe zu suchen.

Jahre vergingen, bis Gloria schließlich wieder schwanger wurde. Während der Schwangerschaft verstarb auch ihr zweiter Ehemann und Gloria, selbst immer noch ein Kind, war völlig auf sich alleine gestellt, als sie ihr Baby zur Welt brachte.

„Wenn mein Kind eine Ausbildung bekommen könnte, wäre sein Leben anders als meins", sagt sie heute. „Wenn Kinder in die Schule gehen, werden sie ausgebildet und ernten später im Leben die Früchte. Ich würde anderen gerne sagen, dass, wenn man in einem frühen Alter heiratet, die Dinge schwierig sind, man alle Rechte verliert und man viel leidet."

Gloria und ihr Kind werden inzwischen von der 'Women's Empowerment Organisation Camfed' unterstützt, damit Gloria zur Schule zurückkehren und ihre Ausbildung fortsetzen kann.

Gloria ist zuversichtlich, dass sie ihr Ziel erreichen kann, Ärztin zu werden. Es gibt so wenige Ärzte in ihrem Distrikt, vor allem Ärztinnen, und Gloria möchte das ändern. Sie ist entschlossen, ihre Kinder zur Schule zu schicken, damit sie nie die gleichen schrecklichen Entscheidungen treffen muss wie ihre Mutter.

Glorias Zukunft und das vieler der Mädchen, die von Camfed unterstützt werden, sieht inzwischen heller aus. Aber, „für jedes Mädchen, dessen Geschichte erzählt wird und dessen Stimme gehört wird, warten Millionen darauf, dass die Welt zuhört", so Camfed.

Camfed arbeitet mit seiner "Unlock Futures" -Kampagne daran, dass mehr Mädchen von einer Kinderheirat verschont bleiben und stattdessen zur Schule gehen können.

In My Own Words

Gerechtigkeit fordern

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Ein Beitrag von Imogen Calderwood