Von Anastasia Moloney

24. Mai (Thomson Reuters Foundation) — Vor zwei Jahren wurde George Floyd mitten in Minneapolis, Minnesota, von einem Polizisten auf offener Straße ermordet. Neun Minuten und 29 Sekunden kniete der Beamte auf dem Nacken des unbewaffneten Schwarzen, bis er daran starb. Seitdem gingen Millionen von Menschen weltweit auf die Straße, um gegen Rassismus zu protestieren und erneut Reformen bei der Polizei und in der Strafverfolgung zu fordern. 

Der mittlerweile gefeuerte Polizeibeamte von Minneapolis, Derek Chauvin, wurde im April 2021 für den Mord an Floyd verurteilt — ein Meilenstein in der angespannten und von Rassismus durchzogenen Geschichte der USA. Das Urteil ist ein deutliches Zeichen an  die Strafverfolgungsbehörden, dass ihr Verhalten gegenüber schwarzen Amerikaner*innen nicht einfach hingenommen wird. 

Doch was hat sich seit Floyds Tod im Umgang mit Rassismus und Ungleichheit in den USA konkret geändert? 

The Thomson Reuters Foundation hat drei schwarze US-Amerikaner*innen aus unterschiedlichen Generationen gefragt, was sich ihrer Meinung nach verändert hat:

  • Charles Person, 78, ist ein führender Bürgerrechtsaktivist, der sich 1961 als Jugendlicher den ursprünglichen 13 Freedom Riders auf einer Reise nach Jackson, Mississippi, angeschlossen hat, um segregierte Wartebereiche zu besetzen. 
  • Armonee Jackson ist eine 24-jährige Jugendaktivistin der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People, auf Deutsch: Nationale Organisation für die Förderung von People of Color), der größten Bürgerrechtsorganisation der USA. Nach dem Tod von George Floyd führte sie unter anderem die Proteste in Phoenix, Arizona, an.
  • Chris Shelton, 49, hat nach Floyds Tod das erste Mal an Protesten in Indianapolis, Indiana, teilgenommen.
Hatte der Mord an George Floyd wirklich Veränderungen zur Folge?

JACKSON: Die größte Veränderung in den letzten Jahren war, dass wir als Black Community mehr Verbündete im Kampf für Gleichheit und Gerechtigkeit gewonnen haben. Es gibt viel mehr Menschen außerhalb der Community, die sich für uns und das polizeiliche Verantwortungsbewusstsein einsetzen. 

Wir bekommen mehr Unterstützung von weißen Menschen. Seit dem Mord an George Floyd können Personen endlich, wenn auch nicht vollständig, verstehen, was wir meinen. Sie selbst erleben es zwar nicht, aber sie sehen es… die Ungleichheit und Ungerechtigkeit gegenüber Schwarzen in den USA.

PERSON: Als wir in den 1960ern demonstriert haben, gab es nicht diese Diversität an Menschen, die heutzutage auf die Straßen gehen. Jetzt gibt es Handys mit Videofunktion, die Beweise aufnehmen — da kann man nichts mehr leugnen.

Was hat sich seit George Floyds Tod nicht geändert?

JACKSON: In der schwarzen Community sind wir noch genauso betroffen wie vorher. Jeden Tag verlieren Schwarze ihr Leben. Seit George Floyd gab es unzählige weitere Morde in unserer Community durch Polizeibeamt*innen.

Wirkliche polizeiliche Verantwortung ist nicht vorhanden. Wenn es um die Reform der Polizei und ihr Verantwortungsbewusstsein geht — und wenn man sich die Polizeiarbeit als Ganzes ansieht und was sie mit sich bringt —, dann hat sich nichts geändert. 

SHELTON: Es scheint fast so, als ginge es nur um Symbolik, aber nicht um Substanz. Es ist einfach sehr enttäuschend, dass wir ein Jahr später das gleiche Problem haben, uns die gleichen Fragen zu Strafverfolgung, Polizeiarbeit und Gewalt gegen Zivilist*innen stellen. Wir stecken immer noch am Anfang fest. 

Polizeigewalt gibt es immer noch und ich glaube nicht, dass sich Polizeidienststellen für irgendeine Art der Reform einsetzen. 

Wir alle sind hinter Slogans wie "Defund the Police" (auf Deutsch: “Entzieht der Polizei die Finanzmittel”) stecken geblieben… Dadurch denken viele, dass wir polizeiliche Strafverfolgung und öffentliche Sicherheit allgemein abschaffen wollen. Aber nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt als das. Wir wollen, dass Polizei besser funktioniert und sie für unsere Bürger*innen arbeitet. 

PERSON: Ich sehe nicht viele Veränderungen. Eine Menge Gesetze wurden erlassen, aber keines hat das nationale Problem von Rassismus und Ungleichheit gelöst. Die Community ist immer noch auf sich allein gestellt. Jede*r macht alles separat. Aber wir brauchen eine ganzheitliche Lösung. 

Ich versuche, einen Lehrplan und Kurs zu entwickeln, der landesweit in Schulen und Polizeieinrichtungen für Strafverfolgungsbehörden, Demonstrant*innen und junge Menschen eingesetzt wird. 

Hier geht es darum, was wir tun können, damit wir friedlich und ohne Gewalt demonstrieren und wie Demonstrant*innen und junge Menschen mit der Polizei zusammenarbeiten können, sollte es Probleme während Protesten geben. 

Wie wichtig ist das Kabinett von US-Präsident Joe Biden, um Veränderung hervorzubringen?

PERSON: Es ist schwierig für Biden, irgendwas durch den US-Senat bewilligt zu bekommen. Er könnte sich mehr auf präsidiale Verordnungen konzentrieren, um weitreichende Veränderungen herbeizuführen. 

JACKSON: Ich hoffe, dass wir als Community nicht so sehr von Bidens Kabinett abhängig sind, um Veränderungen durchzubringen. Wir müssen uns weiterhin auf Basisorganisationen fokussieren, die sich wahrhaftig im Kampf für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen. 

Am Ende sind es die jungen Menschen an vorderster Front, die etwas bewegen und die Veränderung in der Community als kollektive Einheit hervorbringen. Da kommt der wahre Wandel her. 

Wir sollten uns also nicht so sehr auf das Kabinett von Biden konzentrieren, sondern sehen, was wir selbst tun können, um Veränderung herbeizuführen. 

SHELTON: Die Menschen sind einfach davon ausgegangen, dass alles wie von Zauberhand gelöst sein wird, sobald Biden ins Amt kommt, doch es wurde immer wieder bewiesen, dass dem nicht so ist. 

Für mich macht es keinen Unterschied, wer an der Macht ist. Die Black Lives Matter-Bewegung wurde 2013 zur Amtszeit von Obama ins Leben gerufen und damals wurde sie nicht beachtet. 

Wir brauchen eine diverse, multikulturelle und klassenübergreifende Koalition, damit wir das erreichen, was wir wollen. 

Anstatt auf das mächtige Washington zu gucken, werde ich das Gespräch mit Menschen suchen. Wir brauchen die Kraft der Menschen, um diese Lücke zu schließen und den Weg in eine vielversprechende Zukunft zu gehen. Es muss von uns kommen. 

Wenn auch du dich für eine gerechte Welt einsetzen willst, in der alle Menschen gleiche Chancen erhalten, dann unterschreibe hier unsere Petition.

(Ein Beitrag von Anastasia Moloney; editiert von Lin Taylor. Bitte die 'Thomson Reuters Foundation' als Quelle angeben, wenn dieser Artikel zitiert / geteilt wird. Die Thomson Reuters Foundation liefert Beiträge über humanitäre Hilfe, Frauenrechte, Menschenhandel, Klimawandel und vieles mehr auf http://news.trust.org.)

News

Gerechtigkeit fordern

“Da kann man nichts mehr leugnen” – Was hat sich 2 Jahre nach George Floyds Tod geändert?