Khanyisile Motsa, liebevoll Mam’Khanyi genannt, ist Gewinnerin des Citizen Awards von Südostafrika. 

Was bedeutet das Wort “Mama“ in Südafrika? Es gehört zu den Wörtern, die in fast allen elf Amtssprachen des Landes vorkommen – seine Bedeutung sollte also nicht unterschätzt werden. Stellt man sie dem Vornamen voran (dann in der Regel als “Mam“), zeigt es an, welche Rolle man für seine Mitmenschen eingenommen hat. Es bedeutet zwar “Mutter“ oder “Mama“ – das beschreibt allerdings keinesfalls den Respekt, die Ehre und Wertschätzung, die der Begriff mit sich bringt. 

Dass unsere Citizen Award Gewinnerin von ihren Mitmenschen liebevoll Mam'Khanyi genannt wird, bedeutet nicht nur, dass sie eine Mutterfigur ist, sondern auch das Fundament ihrer Gemeinschaft.

Mam’Khanyi hat die Organisation Home of Hope for Girls mit Sitz in Johannesburg gegründet, die jungen Mädchen ein Zuhause bietet, nachdem sie von Kinderhandel, Missbrauch und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen waren. Als Gewinnerin erhält Mam'Khanyi ein Jahr lang Unterstützung durch Global Citizen sowie eine Spende für Home of Hope for Girls.

Schon vor der Verleihung des Citizen Award für Süd- und Ostafrika hat Mam'Khanyis Home of Hope for Girls viel Anerkennung und Unterstützung aus der ganzen Welt erhalten, unter anderem von der Trevor Noah Foundation

Khanyisile Motsa founded Home of Hope for Girls in 2000, and has helped to save and protect over 200 South African women and girls from child trafficking and gender-based violence.
Image: Michael Jaspan for Global Citizen.

Mam'Khanyi, wie fühlt es sich an, diesen Preis zu gewinnen?

Ich hatte Global Citizen zuvor gar nicht gekannt. Ich bin einfach so vertieft in das, was ich tue, in meine Arbeit für die Mädchen, dass ich gar nicht mitbekomme, was um mich herum passiert!

Und wie war die Begegnung mit Trevor Noah, als du eine Spende von der Trevor Noah Foundation erhalten hast?

Mit Trevor ist etwas ganz Ähnliches passiert. Als ich die Trevor Noah Foundation bat, mir mit einer Spende zu helfen, um ein Computerlabor einzurichten, dachte ich an die Kinder. Einige der Kinder haben bis zur 12. Klasse (in der Regel sind sie 17 oder 18 Jahre alt), niemals einen Computer auch nur angefasst. Die Stiftung sagte zu. An diesem Tag wollte ich Computer besorgen. Sie sagten mir nicht, dass Trevor kommen würde. 

Dann sagte jemand: “Jetzt können wir auf die Bühne gehen und uns setzen.“ Ich dachte: “Warum sollte ich mich dort hinsetzen? Ich bin doch wegen des Computerraums für die Kinder hier.“ Und dann drehte ich mich um und sah jemanden. Ich dachte: “Ich träume, das sieht aus wie Trevor – aber nein. Das kann nicht sein, Trevor ist viel kleiner als der da.“

Hast du ihm gesagt, dass du ihn dir kleiner vorgestellt hast?

Das habe ich! Er sagte: “Mam’Khanyi!“, und da wusste ich, dass er es ist. Ich sagte: “Das kann nicht wahr sein! Trevor, was machst du denn hier?“ Wie auch immer, ich bin so glücklich. 

Das Wichtigste an dieser Geschichte ist, wie Trevor sie willkommen geheißen hat. Er begrüßte sie, als hätten sie sich bereits gekannt. Das war aber nicht der Fall. Dahinter steckt, wie wichtig die Rolle ist, die Mam'Khanyi in ihrer Community spielt und dass die Trevor Noahs dieser Welt ihr den Respekt entgegenbringen, den sie als Älteste und Anführerin einer Community erlangt und verdient hat.

Wie fühlt es sich an, für die Arbeit, die du leistest, weltweit Anerkennung zu erhalten? 

Ich schätze die Anerkennung und die weltweite Unterstützung sehr. Ich betrachte das als eine Ehre Gottes. Aber was wir wirklich brauchen, sind Ressourcen, um weiterzumachen. Wir haben immer noch Energie, wir müssen kämpfen und wir müssen mehr Leute ausbilden. Und sie müssen für ihre Arbeit bei uns entlohnt werden, denn mit Freiwilligen können wir nicht gewinnen. 

Wir müssen den Punkt erreichen, an dem die Menschen stolz darauf sind, mit uns zusammenarbeiten. Sie sollen sagen: “Das ist es, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene“. Aber wir brauchen Ressourcen, um sie zu halten und um weiterzumachen.

Welche Ressourcen genau sind das? 

Unsere Organisationen haben kein Geld. Wir arbeiten weiterhin mit Freiwilligen, was großartig ist, aber ich weiß nicht, wie weit man mit Freiwilligen kommen kann. Wir brauchen ein größeres Budget.

Denn wenn ich mir das so ansehe, dann können sich diese Leute auch leisten, ihre Fußsoldat*innen zu bezahlen. Ich spreche von Menschenhändler*innen. Ich spreche von all diesen Leuten, die Kinder missbrauchen. Sie haben ihre eigenen Fußsoldat*innen, und sie bezahlen sie sehr gut. Wir müssen den Kampf gegen sie zu einem Geschäft machen, so wie sie den Menschenhandel zu einem Geschäft machen.

Home of Hope for Girls wird dieses Jahr 22 Jahre alt, wie fühlt sich das an? 

Home of Hope ist einzigartig. Als ich anfing, wollte ich eigentlich keine Organisation gründen. Mir ging es nur darum, den Kindern zu helfen, die in Not waren und die auf der Straße lebten. Ich sagte: “Das wird zu meinen Lebzeiten nicht passieren.“

Deshalb habe ich angefangen, Kinder in meinem eigenen Wohnraum aufzunehmen. Sie blieben bei mir. Damals hätte ich nicht wissen können, dass es 22 Jahre oder länger andauern würde. Ich war mir nicht darüber bewusst, wie groß das Problem ist, mit dem ich noch heute konfrontiert bin. Ich dachte nur an diese Kinder. 

Ich fing an, hart und schnell zu arbeiten, in der Hoffnung, das Problem zu lösen. Schließlich traf ich die Zuhälter und Drogenbarone persönlich. Ich habe ihnen gesagt, dass sie damit aufhören müssen, unsere Kinder zu entführen und zu verletzen. Leider waren die, denen ich gegenüberstand, nicht die einzigen. Es gibt das einfach zu viele Menschen in diesem Geschäft. 

Im Laufe der Jahre konnte ich feststellen, dass das Problem sein Gesicht ändert und sich der Zeit anpasst. Mir wurde klar, dass ich es mit sehr gefährlichen Leuten zu tun hatte – es gab so viele Anschläge auf mich selbst und auch auf die Kinder. Aber ich habe auf dem Weg viele Tricks gelernt. Also, um deine Frage zu beantworten: Ich bin vom Weg abgekommen und man muss mich auf dem richtigen Weg halten! Was ich damit sagen will ist, dass mir nicht klar war, dass es uns 22 Jahre später noch geben würde.

Global Citizen Prize: Citizen Award for Southern and Eastern Africa Winner, Khanyisile Motsa pictured at Home of Hope for Girls, Johannesburg.
Image: Michael Jaspan for Global Citizen.

Hattest du jemals Angst? 

Nein. Vielmehr wurde ich sehr hartnäckig. Ich sagte: Ich werde mich ihnen stellen. Sollen sie es doch nur versuchen.

Hast du dich jemals allein gefühlt? 

Ich habe mich nicht allein gefühlt, es hat mich zu den Kindern getrieben. Und ich danke Gott auch für meine fünf leiblichen Kinder, die mich bei dieser Arbeit unterstützen. 

Was sind deine stolzesten Momente? 

Weißt du… Wenn man ein Kind sieht, das so misshandelt wurde, dass man es selbst als hoffnungslos ansieht, ihm zu helfen… Ich sagte: “Gebt dem Kind einfach eine Chance. Nur zwei Wochen, gib ihm Liebe, Essen, lass es mit anderen Kindern spielen.“ Und dann siehst du sein Lächeln, die Art, wie es sich frei fühlt… Und dann hat man das Gefühl, dass man ein Leben gerettet hat. Ich habe ein Leben gerettet. Wie es aufsteht und stolz auf sich ist, das macht mich stolz.

Erzähle uns etwas darüber, wenn die Betreuung für die Kinder endet, wie ist das so?

Wir von Home of Hope unterstützen die Kinder bis zur Universität. Wenn sie auf die Universität gehen, sehen wir ihre Noten, Verdienste und Auszeichnungen an der Universität. In diesem Moment erinnern wir uns, wo wir ein Kind gefunden haben und wie viele Narben es hat, an denen wir gemeinsam gearbeitet haben. Dass es anschließend so weit gekommen ist, ist ein Aha-Erlebnis. 

Wenn die Kinder ihren Abschluss erhalten, mache ich mich zum Narren, denn bei jeder Zeremonie schreie ich laut. Die Leute sehen mich an, verstehen das vielleicht nicht und fragen sich: "Warum ist diese Frau so?“ Ich bin so, weil ich sagen will: “Danke, Gott.“

Ich erinnere mich, dass eines meiner Mädchen seinen Abschluss in Mathematik gemacht hat. Ich weiß, wie schwierig ihr Weg bis dahin gewesen war. Sie hatte keinen Computer, musste jeden Tag in die Bibliothek gehen, in der Kälte, bei jedem Wetter. Sie musste jeden Tag so hart arbeiten. Ich war bei all ihren Abschlussfeiern. Ich sehe, wie die Kinder anfangen zu arbeiten und zu erwachsenen Menschen werden, die einen Beitrag zur Wirtschaft des Landes leisten. Ich bin so stolz.

Und auch auf diejenigen, die nicht für die Universität geeignet sind. Wir bemühen uns darum, ihnen Fähigkeiten für ihr Leben beizubringen. Sie erhalten eine Ausbildung, sie arbeiten in Geschäften und kümmern sich um ihre Familien. Das ist es, wofür Home of Hope steht. Wir wollen nicht einfach Kinder aufnehmen, ihnen etwas zu essen geben und sie dann zurück auf die Straße schicken. Wir wollen, dass sie zu Menschen werden, die sich selbst versorgen können. In diesem Haus backen wir, kochen wir, machen wir alles, damit sie sich selbst versorgen können. 

Global Citizen Prize: Citizen Award SE Africa winner, Khanyisile Motsa
Image: Michael Jaspan for Global Citizen

Hast du eine Botschaft für diejenigen, die den Kampf für die Rechte von Frauen und Mädchen hart finden und daran denken, aufzugeben? 

Ja, ich habe eine Botschaft für sie: Du willst aufgeben? Nun, was bringt es dir? Denn alles, was es einem bringt, sind noch mehr Stress und Schuldgefühle. Vorwärts zu gehen, das ist es, was einem Hoffnung gibt. Es gibt einem die innere Freiheit, den Gedanken: “Wenigstens sterbe ich beim Versuch. Lass mich kämpfen.“

Was mich angeht: Ich weiß nicht, ob es ein Zurück gibt. Ich habe nie daran gedacht, etwas rückgängig zu machen oder aufzugeben. Und ich denke auch jetzt nicht daran. Und die Arbeit mit den jungen Leuten hier – weißt du, die hält mich jung.

Gemeinsam machen wir einfach weiter. Und das müssen wir, wir müssen weiter vorwärts gehen. Mit dieser Arbeit sehe ich die Zukunft. Und ich sehe einige der Kinder, die mein Programm durchlaufen haben und die mir jetzt helfen. Sie sind inzwischen sogar besser als ich, wenn es darum geht, einer Person auf der Straße zu helfen. Sie arbeiten besser, sie sprechen mit ihnen über ihren Weg und darüber, wo sie jetzt sind. Das bedeutet, es gibt Hoffnung, auch für dich. Gib nicht auf.

Am 22. Mai verleiht Global Citizen den Global Citizen Prize 2022 und ehrt internationale Aktivist*innen für ihr Engagement, extreme Armut weltweit zu beenden. Die Preisverleihung findet in New York statt und wird am 2. Juni unter anderem auf YouTube als Stream zur Verfügung gestellt. Der diesjährige Global Citizen Prize 2022 wird in drei Kategorien verliehen: Schutz unserer Umwelt, Bekämpfung von Armut und der Forderung nach Gleichberechtigung. In jeder Kategorie werden 2-3 Aktivist*innen ausgezeichnet. Die Gewinner*innen erhalten ein einjähriges Unterstützungsprogramm von Global Citizen sowie ein Preisgeld von 10.000 US-Dollar (rund 9.500 Euro) für ihre Organisationen. Zum zweiten Mal verleihen wir im Rahmen des Global Citizen Prize auch einen Preis in Deutschland. Neben Deutschland werden die Awards auch jeweils an Aktivist*innen aus Großbritannien, Mexiko, Nigeria sowie den Regionen Nordamerika, Oceana und Südostafrika verliehen.

Global Citizen Asks

Gerechtigkeit fordern

Citizen Award Gewinnerin Khanyisile Motsa schützt Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt & Menschenhandel

Ein Beitrag von Khanyi Mlaba