Gesperrte Straßen, kreisende Hubschrauber, Kamerateams an jeder Ecke: Wer am Wochenende in Rom war, erkannte die italienische Hauptstadt nicht wieder. Statt Tourismus-Trubel hieß es für dieses Wochenende: Weltpolitik live und in Farbe. Geräumte Straßen für US-Präsident Joe Biden, in der Salumeria war der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro anzutreffen und mitten drinnen nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern auch Finanzminister und Kanzler in spe Olaf Scholz. 

Der Grund: Die 20 größten Industriestaaten der Welt kamen zum diesjährigen Gipfeltreffen (G20) in Rom zusammen, um über die wichtigsten globalen Fragen unserer Zeit zu beraten. Und die Erwartungen waren aufgrund der bedrohlichen globalen Lage und multiplen Krisen groß: Der Gipfel hätte für die G20 der Moment sein können, um Führungsstärke zu beweisen, die Pandemie weltweit zu beenden und die Klimakrise aufzuhalten. 

Doch leider müssen wir hier schon spoilern: Das Wochenende endete mit einer großen Entschäuschung – der G20-Gipfel von Rom wird als verpasste Chance in die Geschichte eingehen. Denn statt großer Gesten und konkreten Maßnahmen gab es nur eines: Leere Worte.

Die Notwendigkeit beschleunigter Maßnahmen sowohl zur Bekämpfung der Pandemie als auch der Klimakrise wurden zwar bekundet, doch konkrete Schritte wurden nicht vereinbart. Vor dem Hintergrund der Forderungen nach weltweiter Impfgerechtigkeit und der UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow, die unmittelbar nach dem G20-Gipfel begonnen hat, wirft der diesjährige Gipfel die Frage auf: Kann so globale Führung aussehen? Ein kurzer Rückblick auf das, was in Rom beschlossen wurde – und was eigentlich nötig gewesen wäre: 

Globale Gesundheit und Pandemiebekämpfung

Wichtig zu wissen

In weniger als zwei Jahren hat die COVID-19-Pandemie nach Angaben von Our World in Data fast fünf Millionen Menschenleben gefordert. Das wichtigste Mittel zur Bekämpfung der Pandemie bleibt weiterhin der Impfstoff. In Deutschland ist es mittlerweile fast ein Jahr her, dass der erste Impfstoff verabreicht wurde. Während seitdem knapp 70 Prozent der deutschen Bevölkerung eine Impfdosis erhalten haben, ist die Lage weltweit katastrophal. Die durchschnittliche Impfquote in Ländern mit niedrigem Einkommen liegt noch immer unter fünf Prozent. Dem steht ein prognostizierter Überschuss von über einer Milliarde Dosen gegenüber, den reiche Länder bis Ende 2021 zur Verfügung haben werden. Aber nur wenn alle Meschen, überall auf der Welt, Zugang zu den lebensrettenden Impfstoffen haben, lässt sich die Pandemie beenden. 

Unsere Forderung 

Daher haben wir die G20-Staaten aufgefordert, zwei Milliarden Impfdosen an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen abzugeben, davon mindestens eine Milliarde bis Ende 2021. Nur so kann das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erreicht werden, bis Juni 2022 mindestens 70 Prozent der Bevölkerung in jedem Land gegen COVID-19 zu impfen. Gleichzeitig fehlt es an Transparenz bei den Daten zur Produktion und Weitergabe von Impfdosen. Um vollständige Impfgerechtigkeit zu erreichen, haben wir außerdem einen massiven Ausbau der Impfstoffproduktion gefordert. Dafür braucht es eine vorübergehende Aussetzung der Patentrechte auf COVID-19 Impfstoffe und Medikamente.

G20 Ergebnis

In Rom haben sich die G20-Staaten jetzt zwar das Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres mindestens 40 Prozent und bis Juni 2022 70 Prozent der Bevölkerung jedes Landes zu impfen – jedoch ohne sich auf einen konkreten Plan oder konkrete Maßnahmen zu einigen. Die Pandemie hält nun seit 18 Monaten an, die Ungleichheit bei der weltweiten Verteilung der Impfstoffe bleibt schockierend. Selbst grundlegende Daten über die Produktion und globale Verteilung von Impfstoffen fehlen weiterhin. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Wir fragen: Wo sind die Impfdosen und wann werden sie ausgeliefert?

Die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des Gipfels, dass Deutschland im nächsten Jahr 75 Millionen weitere Impfdosen abgeben wird, war nur ein kleines Trostpflaster, bleibt doch die Ankündigung der Bundesregierung, bis Ende des Jahres 100 Millionen Dosen abgeben zu wollen, bislang noch unerfüllt. 

Klima und biologische Vielfalt

Wichtig zu wissen

Der im August veröffentlichte Bericht des Weltklimarats zeigt, welche katastrophalen Folgen es haben wird, wenn wir nicht sofort Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad treffen. Das ist auch das Ziel, das im Pariser Klimaabkommen vereinbart wurde. Selbst bei der derzeitigen Erwärmung von 1,1 Grad werden ganze Inselstaaten verschwinden, Waldbrände verzehren Landstriche in bisher ungekanntem Ausmaß und tödliche Hitzewellen werden immer häufiger. 

Die G20-Staaten sind für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Es sind aber insbesondere ärmere Länder, die von den katastrophalen Folgen der Klimakrise maßgeblich betroffen sind. Um die Erderwärmung innerhalb der 1,5-Grad-Grenze zu halten, liegt es daher insbesondere an den G20-Staaten, die globale Energieinfrastruktur nachhaltig zu erneuern.

Unsere Forderung & G20 Ergebnis

Vor dem Gipfel in Rom wurden die G20 aufgefordert, sich erneut zum 1,5-Grad-Ziel zu bekennen und sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die Treibhausgasemissionen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. In der Abschlusserklärung des Gipfels konnten sich die Länder jedoch lediglich auf die Formulierung einigen, "bis zur oder um die Jahrhundertmitte" Netto-Null-Emissionen erreichen zu wollen. Das ist absolut unzureichend, wenn wir eine katastrophale Klimakatastrophe noch vermeiden wollen. Dass sich die G20 selbst auf grundlegende Ziele nicht einigen konnten, ist gegenüber unserer Umwelt und der Menschheit schlicht fahrlässig.

Gleichzeitig wurden die Staaten aufgefordert, ihre Zusage von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in Ländern mit niedrigem Einkommen einzuhalten. Dieses Ziel wurde bereits im Jahr 2009 festgelegt, seitdem jedoch nicht vollständig erfüllt. Dabei bleibt es auch nach dem Gipfeltreffen in Rom. 

Die G20 scheinen die Notlage, in der wir uns befinden, nicht zu erkennen. Zeitpläne für einen internationalen Kohleausstieg oder eines Subventionierungsstopps fossiler Brennstoffe wurden in Rom nicht festgelegt. In Anbetracht der aktuell stattfindenden UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow braucht jetzt es mehr als leere Worte. Die G20-Staaten müssen jetzt zeigen, dass sie es ernst meinen und konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Klimakrise zu stoppen. Dazu rufen wir die Staats- und Regierungschef*innen gemeinsam auf. 

Hunger

Wichtig zu wissen

Die COVID-19-Pandemie und die sich verschärfende Klimakrise haben unzählige Menschen in Armut getrieben und die weltweite Hungerkrise verschärft. Weltweit stehen 41 Millionen Menschen vor dem Hungertod. Sofortiges Handeln ist also unerlässlich! 

Unsere Forderung

Global Citizen rief die Staats- und Regierungschef*innen der G20 vor dem Gipfel dazu auf, kurzfristige Hilfsmaßnahmen zu finanzieren und in langfristige Lösungen zu investieren. Durch die Bereitstellung von 300 Millionen US-Dollar für die sofortige Bekämpfung der Hungersnot über das Welternährungsprogramm (WFP), könnten Millionen Menschen vor dem Hungertod bewahrt werden. Zusätzlich braucht es 350 Millionen US-Dollar für die Unterstützung von Kleinbäuer*innen über den Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD). Dem müssen massive Investitionen in die Agrarforschung folgen, um die langfristige Ernährungssicherheit für die Schwächsten der Welt zu gewährleisten.  

G20 Ergebnis

Die G20-Staaten haben es in Rom jedoch versäumt, Maßnahmen zur Bekämpfung der Hungerkrise zu ergreifen. Während Madagaskar kurz davor steht, die erste Klima-Hungersnot auszurufen, haben die Staats- und Regierungschef*innen in Rom keine Soforthilfe zugesagt. Eine Entscheidung, die wir nicht hinnehmen können.

Werde jetzt aktiv und nutze deine Stimme, um Druck auf die Entscheidungsträger*innen zu machen! Unsere Forderungen bleiben bestehen!

Advocacy

Umwelt schützen

G20 in Rom: Ein Wochenende, das als verpasste Chance in die Geschichte eingehen wird

Ein Beitrag von Kate Nakamura