Von Thandile Chinyavanhu, Klima- und Energiekampagnenleiterin von Greenpeace Afrika

Geschichte hat die Tendenz, sich zu wiederholen: Während die Staats- und Regierungschef*innen der Welt den wissenschaftlichen Konsens zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau politisch unterstützen, gibt es im Globalen Süden gerade einen zunehmenden Wettkampf um die Öl- und Gasexploration. Eine Situation, die stark an den "Wettlauf um Afrika" im 19. Jahrhundert erinnert. 

Der Wettlauf um Afrika wird gerne in den Geschichtsbüchern ausgelassen und im Schulunterricht übersprungen. Für diejenigen, die also nicht wissen, worum es hier geht: Der Wettlauf um Afrika war der Versuch von sieben westlichen Ländern, in der Hochphase des Imperialismus zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg die Länder Afrikas zu kolonialisieren. 

Dieses "Ziel des Imperiums" spielt sich jetzt wieder auf einem vertrauten Spielplatz ab: Große Teile unserer Ozeane, wertvolle Feuchtgebiete und wichtige Orte der biologischen Vielfalt werden aufgeteilt. Als Afrikaner*innen müssen wir uns wieder einmal gegen das Vordringen imperialer Mächte wehren, nur dass dieses Mal die Großkonzerne Shell, British Petroleum (BP), Total Energies und Exxon Mobil den Angriff anführen.

Die Öl- und Gaskonzerne haben in Afrika nicht den besten Ruf. Ihre Beziehungen zu dem Kontinent waren und sind oft antagonistisch und führten zur Aufrechterhaltung der Hegemonie und zu grausamen Handlungen. Wenn die Diskussion über die Erschließung natürlicher Ressourcen in Afrika aufkommt, sprechen Politiker*innen oft mit paternalistischer Rhetorik und entziehen den Communities die Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung. So verteidigte die südafrikanische Regierung beispielsweise den Erdölkonzern Shell, als dieser an der Küste des Landes nach fossilen Brennstoffen suchen wollte.

Diese politische Reaktion ist besonders schädlich, da sie von einer minimalen Konsultation der Öffentlichkeit zu einer politischen und schließlich gewaltsamen Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft eskaliert. Wir haben jahrzehntelang beobachtet, wie sich ähnliche Ereignisse auf dem gesamten Kontinent abgespielt haben. 

Ein von Amnesty International zusammengetragenes Beweismaterial enthüllte die Mitschuld von Shell an Menschenrechtsverletzungen, die das nigerianische Militär in den 1990er Jahren gegen das Volk der Ogoni beging, nachdem diese gegen die Umweltverschmutzung durch Shell protestiert hatten. Shell unterstützte die Aktionen des nigerianischen Militärs, wohl wissend, dass Mord, Vergewaltigung und Folter drohten und ging in einem Fall sogar so weit, einen Militärkommandanten zu bezahlen – der für grausame Menschenrechtsverletzungen berüchtigt war – und das Militär materiell zu unterstützen.

Im selben Jahrzehnt beschuldigte die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission (die nach der Apartheid eingesetzt wurde) Shell der Mittäterschaft bei der Unterstützung des Apartheidregimes in Südafrika, indem sie dem ölarmen Land half, das Ölembargo der Anti-Apartheid in den 1980er Jahren zu umgehen. Die Menschenrechtsverletzungen dieser großen Ölkonzerne dauern bis in dieses Jahrhundert an. 

Mit dem Bekanntwerden weiterer Informationen wird deutlich, dass die großen Ölkonzerne von der Klimakrise wussten und sich aktiv an ihrer Leugnung, Fehlinformationen und Verschleierungstaktiken beteiligten, um die Klimapolitik zu schwächen und zu verzögern, damit sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden und ihre umweltschädlichen Praktiken fortsetzen können. Jetzt, da die Gezeiten eine Abkehr von fossilen Brennstoffen signalisieren, lenken sie weiterhin von der Wissenschaft ab, indem sie durch Lobbyarbeit und strategisch platzierte Anzeigen den Irrtum verbreiten, dass Gas ein kohlenstoffdioxidarmer Rohstoff ist

Die weitere Förderung fossiler Brennstoffe durch große CO2-emittierende Unternehmen wie Shell und Total steht in völligem Widerspruch zum globalen Konsens: Dem Übergang der Nutzung fossiler Brennstoffe hin zu kohlenstoffdioxidarmen Energiequellen angesichts erdrückender Beweise, bestehender Gerichtsurteile, die zu Klimaschutzmaßnahmen zwingen und des wachsenden Risikos von Rechtsstreitigkeiten.

Das südliche Afrika hat weiterhin mit den Ölkonzernen zu kämpfen, die vor der Küste Explorationsarbeiten durchführen wollen. Greenpeace Afrika, seine Partnerorganisationen und die betroffenen Gemeinden wehrten sich gegen die geplante seismische Untersuchung durch Impact und Shell vor der Wild Coast Südafrikas. Nun richtet die Zivilgesellschaft ihr Augenmerk auf die von Südafrika Total Energies, Shell und PetroSA geplante Exploration im Block 5/6/7 in dem 92.000 km langen Meeresgebiet vor der Küste des Westkaps, das für seine Schönheit und reiche Artenvielfalt weltberühmt ist. 

In Mosambik haben Organisationen für Umweltgerechtigkeit versucht, die Unternehmen daran zu hindern, in das Biosphärenreservat Quirimbas einzudringen und die Lebensgrundlagen der lokalen Communities zu bedrohen, indem sie den Zugang zu Trinkwasser unterbrechen, die Fähigkeit der Fischer*innen, ihre Familien zu versorgen, beeinträchtigen und Zwangsumsiedlungen von angestammtem Land veranlassen. Öffentliche Konsultationen mit den Gemeinden fanden nur in begrenztem Umfang statt und wo sie stattfanden, waren sie von Korruption und Feindseligkeit der Unternehmen gegenüber den Gemeindemitgliedern geprägt.

BP hat mit der Erkundung des Großraums Tortue Ahmeyim an der Grenze zwischen Senegal und Mauretanien begonnen. Dieses Projekt droht die sehr artenreiche Region zu zerstören und könnte erheblich zum Klimakollaps beitragen. Es ist das erste von mehreren Projekten, die das Unternehmen in den nächsten 30 Jahren in der Region verfolgen will. Dieses Projekt könnte zu 2,2 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen beitragen und ein Prozent unseres Kohlenstoffdioxidbudgets von 1,5 Grad Celsius aufbrauchen.

Die Ölexploration von ReconAfrica im Okavango-Becken wurde durch mangelhafte Konsultation der Gemeinden und Umweltverstöße beeinträchtigt. Das Projekt hat bereits zu Störungen im Leben der Bevölkerung geführt und droht, sie aus ihren Häusern zu vertreiben. Vor kurzem wurde ReconAfrica beschuldigt, 2,5 km unberührtes Buschland im Kapinga Kamwalye Conservancy, das zum Schutz von Wildtieren wie Elefanten eingerichtet wurde, zerstört zu haben. Darüber hinaus werden sie beschuldigt, unsachgemäß mit Abwässern umgegangen zu sein und angeblich Beamt*innen bestochen zu haben, um deren Schweigen zu erkaufen.

Die Demokratische Republik Kongo (DRK) beschloss, 27 Ölblöcke und drei Gasblöcke im Küstenbecken, in Cuvette Central, im Tanganjikagraben und am Kivusee zu versteigern. Drei der Ölblöcke überschneiden sich mit Naturschutzgebieten, darunter der Mega-Torfkomplex. Nach Ansicht von Wissenschaftler*innen handelt es sich dabei um eine der größten Kohlenstoffdioxidsenken der Welt, in der schätzungsweise drei Jahre der gesamten weltweiten Emissionen aus fossilen Brennstoffen gespeichert sind. Torfgebiete spielen eine entscheidende Rolle bei der Abschwächung der Klimakrise. Die Feuchtgebiete, die aus verrottenden Pflanzenresten bestehen, sind dafür verantwortlich, der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid zu entziehen und ihn zu speichern. Sollten diese Reserven für industrielle Prozesse zerstört werden, könnten Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre gelangen und zu einer Klimakatastrophe führen.

Eine Studie der Universität Oxford sagt voraus, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der afrikanischen Stromerzeugung im Jahr 2030 weniger als zehn Prozent betragen wird, während sich die Gesamterzeugung verdoppeln wird. Für Afrika besteht die große Gefahr, dass es (aufgrund der Einflussnahme westlicher Konzerne) höhere Emissionsabgaben haben wird und dass es auf fossilen Brennstoffen sitzenbleibt. Multinationale Konzerne haben nicht die Absicht, die Produktion zu drosseln, sondern erwerben weiterhin Anteile an Explorationsblöcken auf dem ganzen Kontinent in einem offensichtlichen Monopoly-Spiel – in dem verzweifelten Bestreben, Profite aus der fossilen Brennstoffindustrie herauszuholen, bevor deren sozialer Nutzen vollständig erloschen ist.

Die Unternehmen für fossile Brennstoffe und die afrikanischen Entscheidungsträger*innen bedienen sich weiterhin der müden Rhetorik von der “Last des weißen Mannes”, um die Plünderung der Ressourcen auf Kosten der lokalen Communities zu verargumentieren. Sie erkennen nicht, wie schädlich die Ausbeutung und Bevormundung dieser Communities ist. Die führenden Politiker*innen müssen sich diesen Wettkampf um Afrikas fossile Brennstoffe und die Kosten, die es uns und unsere zukünftigen Generationen kostet, offen bewusst machen. Macht keine Fehler, das hier ist eindeutig Neokolonialismus. 

Dieser Artikel ist Teil der Partnerschaft von Global Citizen mit Greenpeace Afrika. Mehr über Greenpeace Afrika und seine Kampagnen kannst du hier erfahren. 

Opinion

Umwelt schützen

Neokolonialismus im Umweltschutz: Große Ölkonzerne setzen den “Wettlauf um Afrika” fort