Laut einem neuen Bericht der gemeinnützigen Organisation Global Witness wurden in den vergangenen zehn Jahren mindestens 1.733 Umweltaktivist*innen und Landverteidiger*innen aufgrund ihres Einsatzes für die Umwelt getötet. 

Das bedeutet, dass statistisch gesehen jeden zweiten Tag ein*e Umweltschützer*in getötet wird – eine erschütternde Zahl, vor allem vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Klima- und Biodiversitätskrise. Etwa die Hälfte der Morde in diesem Zeitraum geschah in Brasilien, Kolumbien und auf den Philippinen. Mexiko war im Jahr 2021 das tödlichste Land für Umweltaktivist*innen.

"Überall auf der Welt riskieren indigene Völker, Umweltaktivist*innen und andere Land- und Umweltschützer*innen ihr Leben für den Kampf gegen die Klimakrise und den Verlust der Artenvielfalt", so ein Sprecher von Global Witness in einer Erklärung.

“Sie spielen eine entscheidende Rolle an vorderster Front im Kampf gegen den ökologischen Kollaps. Doch sie werden selbst angegriffen, sind Gewalt, Kriminalisierung und Schikanen durch repressive Regierungen und Unternehmen ausgesetzt, welche den Profit für wichtiger als den Schutz von Mensch und Umwelt erachten." 

Die in dem Bericht dokumentierten Morde spiegeln nur einen Teil der Gewalt wider, denen die Menschen ausgesetzt sind. In Wirklichkeit verschleiern Vertuschung, Zensur und andere Hindernisse das wahre Ausmaß der Krise. Was jedoch klar ist: die anhaltende Gewalt ist nicht nur ein Angriff auf bestimmte Communities und Ökosysteme, sondern auf die ganze Welt.

Bedrängte Aktivist*innen schützen globale Ressourcen, die biologische Vielfalt, die Grundlage aller menschlichen Aktivitäten: Flüsse und Seen, die Wasser bringen, das Land, das Nahrung liefert, und die Wälder, die für saubere Luft und weitere Vorteile in Bezug auf das Klima sorgen.

Sie wehren sich gegen den Vormarsch industrieller Kräfte, die die Umwelt aus Profitgründen zerstören. Werden sie angegriffen, haben die Täter*innen oft kaum Konsequenzen zu befürchten und werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Global Witness betonte, dass die Strafverfolgungsbehörden in vielen Ländern die Morde nicht einmal untersuchen. Das sendet das unmissverständliche Signal aus, dass diese Art von Gewalt toleriert wird.

Morde sind besonders grausame Taten, aber weitaus häufiger kommen Körperverletzungen, sexuelle Übergriffe, Einschüchterungstaktiken und Belästigungen vor. Expert*innen weisen seit langem darauf hin, dass jeder Angriff, der ungestraft bleibt, den Weg für weitere Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen ebnet.

Der Bericht stellt fest, dass der wirtschaftliche Zwang zum Wachstum um jeden Preis die Hauptursache für die Gewalt ist. Besonders große Verantwortung tragen etwa Waldrodungen, der Bergbau, die Agrarindustrie und die Energieerzeugung. 

Mehr als drei Viertel der dokumentierten Morde in den vergangenen zehn Jahren fanden in Lateinamerika statt, so Global Witness. Die Gewalt gegen Umweltschützer*innen hat in Indien, Brasilien und Mexiko am deutlichsten zugenommen, während die Morde auf den Philippinen und in Kolumbien zurückgegangen sind.

Der Bericht beschreibt die Arbeit verschiedener Landverteidiger*innen, die ermordet wurden, um ihre Geschichten ans Licht zu bringen und Rechenschaftspflicht sowie Reformen anzustoßen. M. Karthi beispielsweise war ein indischer Aktivist, der gegen Luft- und Wasserverschmutzung protestierte und 2018 vermutlich von der Polizei getötet wurde. Joannah Stutchbury war eine Waldschützerin in Kenia, die 2021 in ihrem Auto erschossen wurde.       

Angesichts zunehmender Umweltkatastrophen in den Ländern wird der Schutz von Umweltaktivist*innen und Landverteidiger*innen immer dringlicher, so Global Witness. 

"Wir befinden uns nicht nur in einer Klimakrise", schrieb die bekannte Umweltschützerin und -aktivistin Vindana Shiva im Vorwort des Berichts. "Wir befinden uns in den Ausläufern des sechsten Massenaussterbens. Und diese Verteidiger*innen sind einige der wenigen Menschen, die sich in den Weg stellen. Sie verdienen nicht nur aus grundlegenden moralischen Gründen Schutz. Die Zukunft unserer Spezies und unseres Planeten hängt von ihnen ab".

Der Bericht enthält darüber hinaus mehrere Empfehlungen für Regierungen und Unternehmen. So sollten sie Gesetze zum Schutz von Landverteidiger*innen und Umweltaktivist*innen ausarbeiten und durchsetzen. Die Täter*innen sollten so schnell wie möglich vor Gericht gestellt werden, um die Atmosphäre der Angst und die Muster der Gewalt, die in vielen Ländern herrschen, zu bekämpfen. Auch gegen die Länder vorzugehen, die von mit Gewalt verbundenen Lieferketten profitieren, kann zielführend sein.

Die Unternehmen ihrerseits haben die Aufgabe, Gewalt in ihren Lieferketten zu unterbinden und nur ethische, transparente Beschaffungspraktiken zu unterstützen. Generell müssen Regierungen und Unternehmen das Pariser Klimaabkommen ernst nehmen und damit beginnen, umweltzerstörerische Industrien abzuschaffen.  

Gewalt stellt eine große Abschreckung für alle dar, die sich für den Umweltschutz einsetzen. Dennoch gehen aus den mutigen Communities, insbesondere indigenen, immer wieder neue Führungspersönlichkeiten für die Klimabewegung hervor. 

Jetzt liegt es an uns allen, sie zu schützen. 

"Wie in jedem Krieg wird die dominante Seite immer wollen, dass die Zahl der Opfer und ihre Namen unbekannt bleiben, dass sie nicht personalisiert werden", schreibt Global Witness in dem Bericht. "Auf diese Weise können die Mächtigen ihr eigenes Narrativ um die Opfer herum aufbauen.“

"Durch unsere Berichterstattung über die Fälle, in denen es gelungen ist, schädliche Projekte zu stoppen oder Rechte am eigenen Land zu erlangen, können wir jedoch sehen: Die Macht liegt im Widerstand und im kollektiven Protest", schreibt die Organisation. "Dieser Bericht zielt also darauf ab, die Alarmglocken zu läuten und einen stärkeren Schutz für Menschenrechtsverteidiger*innen zu fordern. Doch er soll auch inspirieren, anstatt abzuschrecken, damit diesem Kampf noch mehr Aufmerksamkeit zuteil wird."

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Umwelt schützen

In den letzten 10 Jahren wurde jeden zweiten Tag ein*e Umweltaktivist*in ermordet

Ein Beitrag von Joe McCarthy  und  Tess Lowery