Fünf Millionen Kinder in 40 von Krisen geplagten Ländern – so viele haben allein in den letzten fünf Jahren dank des Globalen Fonds der Vereinten Nationen für Bildung in Notsituationen, Education Cannot Wait (ECW), erfolgreich Zugang zu Bildungsressourcen erhalten.

ECW veröffentlichte im Juni dieses Jahres eine Studie, aus der hervorging, dass 222 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter in von Krisen betroffenen Ländern leben, die dringend Bildungsunterstützung benötigen – 2016 waren es noch 75 Millionen.

Jetzt ruft der Fonds mit der globalen Kampagne #222MillionDreams zu dringenden Maßnahmen auf, um die globale Bildungskrise zu bewältigen und den 222 Millionen Kindern im schulpflichtigen Alter dabei zu helfen, in einem sicheren Umfeld mit qualitativ hochwertiger Bildung zu lernen.

Um mehr über die Kampagne und die Arbeit der Organisation zu erfahren, sprach Global Citizen mit der Direktorin von ECW, Yasmine Sherif. Sie begann ihre Karriere 1989 in Genf und Afghanistan und nahm an einer friedenserhaltenden Mission in Kambodscha teil, die dazu beitrug, unentdeckte Gefängnisse in der Provinz Battambang aufzudecken. Heute leitet sie Teams in New York und Genf. Von dort aus reist sie weiterhin regelmäßig in Länder, die von bewaffneten Konflikten, Vertreibung, klimabedingten Katastrophen und anderen Krisen betroffen sind.

Global Citizen: Was sind die wichtigsten Punkte aus der neuen ECW-Studie?

Yasmine Sherif: Die Studie zeigt, dass die Zahl der von Krisen betroffenen Kinder im Schulalter, die pädagogische Unterstützung benötigen, von schätzungsweise 75 Millionen im Jahr 2016 auf derzeit 222 Millionen gestiegen ist.

Das ist inakzeptabel.

Von den 222 Millionen Kindern und Jugendlichen sind der Studie zufolge 78,2 Millionen nicht in der Schule, und fast 120 Millionen gehen zwar zur Schule, erreichen aber nicht die Mindestanforderungen in Mathematik oder Lesen. Tatsächlich erreicht nur eines von zehn Kindern in von Krisen betroffenen Regionen, die eine Grund- oder Sekundarschule besuchen, diese Leistungsstandards.

Diese neuen alarmierenden Zahlen werden vor dem Hintergrund einer von der ECW unterstützten Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Reaktion auf Bildung in Notsituationen und Langzeitkrisen nach wie vor chronisch unterfinanziert ist und dass sich die Finanzierungslücke seit der COVID-19-Pandemie offenbar noch vergrößert hat.

Um auf diese dringende globale Bildungskrise zu reagieren, haben der ECW und seine strategischen Partner die Kampagne #222MillionDreams zur Mobilisierung von Ressourcen gestartet. 

Die Kampagne ruft Spender*innen, den privaten Sektor, philanthropische Stiftungen und vermögende Privatpersonen dazu auf, dringend mehr Ressourcen zu mobilisieren, um die Investitionen des ECW zu erhöhen.

Können Sie eine oder zwei Initiativen hervorheben, die der ECW ergriffen hat, um die Bildungskrise von Millionen von Kindern auf der ganzen Welt zu bekämpfen?

222 Millionen Kinder und Jugendliche haben den Traum, nicht einfach nur Opfer ihrer Situation zu sein. Education Cannot Wait wurde mit der Verpflichtung gegründet, sie nicht im Stich zu lassen. Es ist unsere Pflicht, sie durch Bildung zu befähigen und ihre Träume wahr werden zu lassen.

Bis heute haben 95 Prozent der vom ECW unterstützten Programme die Geschlechterparität beim Zugang zu Bildung verbessert. In Ländern wie Uganda, das die größte Anzahl von Geflüchteten in Afrika beherbergt, konnte durch unsere Unterstützung für ganzheitliche, mehrjährige Bildungsprogramme die Einschulungsrate von geflüchteten Kindern deutlich erhöht werden.

Mit unserer Unterstützung haben Länder wie Kolumbien und Ecuador, die von der regionalen Krise in Venezuela betroffen sind, eine integrativere Bildungspolitik eingeführt, die venezolanischen Kindern den Zugang zur öffentlichen Bildung ermöglicht.

In Afghanistan haben wir die Ausbildung und Einstellung von Lehrerinnen und den Zugang von Mädchen zu Bildung in abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten verbessert. In Bangladesch, wo sich das größte Geflüchtetenlager der Welt befindet, unterstützen wir Lernzentren für Rohingya-Kinder und Lehrer*innenschulungen, die wichtige Elemente wie psychosoziale Unterstützung und Maßnahmen zum Schutz von Kindern umfassen.

In nur fünf Jahren haben die Investitionen von ECW mit der Unterstützung unserer Geber und strategischen Partner bereits fast fünf Millionen Kinder in mehr als 40 von Krisen geplagten Ländern erreicht. Wir haben mehr als eine Milliarde US-Dollar mobilisiert und weitere eine Milliarde US-Dollar sind für unsere Länderprogramme bestimmt. Es muss jedoch noch viel mehr getan werden, um das Recht auf Bildung für jedes einzelne Kind, das von Krisen betroffen ist, zu erfüllen, und dafür müssen wir dringend erhebliche zusätzliche Ressourcen mobilisieren.

Wie würden Sie die Hauptaufgabe des ECW beschreiben und wie hat sich diese in den Jahren nach der COVID-19-Pandemie verändert?

Der ECW setzt sich für ein größeres gemeinsames politisches, operatives und finanzielles Engagement ein, um den Bildungsbedarf von Millionen von Kindern und Jugendlichen, die von Krisen betroffen sind, zu decken. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer flexibleren, vernetzten und schnelleren Reaktion von humanitärer Hilfe und Entwicklung, um die Grundlage für nachhaltige Bildungssysteme zu schaffen.

Für die Kinder, denen wir helfen, ist COVID-19 wie eine "Krise auf der Krise", die bereits bestehende Schwachstellen verschärfte und sie noch weiter an den Rand drängte. Für diejenigen, die von COVID-19-bedingten Schulschließungen betroffen waren, waren digitale Lernlösungen aufgrund des fehlenden Zugangs zu Technologie und Konnektivität keine Option.

Nach Angaben der Vereinten Nationen hat die Pandemie die Bildungserfolge von 20 Jahren und unsere Fortschritte bei der Verwirklichung der Global Goals zunichte gemacht. Weitere 101 Millionen Kinder in den Klassen eins bis acht fielen infolge dieser verheerenden Pandemie unter das Mindestniveau der Lesekompetenz.

Trotz dieser Herausforderungen haben wir gemeinsam mit unseren Partnern bewiesen, wie schnell und effizient unsere Soforthilfe angesichts einer Krise solchen Ausmaßes funktioniert. Dadurch haben wir fast 30 Millionen der weltweit am stärksten gefährdeten Kinder und Jugendlichen erreicht, darunter zehn Millionen mit weiterführenden Lernangeboten.

Wir wissen, dass 84 Prozent der Kinder, die nicht zur Schule gehen, in Gebieten mit lang anhaltenden Krisen leben. Die überwiegende Mehrheit davon befindet sich in nur zehn Ländern: Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Mali, Nigeria, Pakistan, Somalia, Südsudan, Sudan und im Jemen. Gemeinsam mit unseren strategischen Partner*innen unterstützt der ECW mehrjährige Resilienzprogramme in mehr als 40 Ländern, die von Krisen, Konflikten, klimabedingten Katastrophen und anderen miteinander verbundenen Notsituationen betroffen sind.

Unsere Investitionen zielen speziell auf die am stärksten gefährdeten Kinder ab, wie Mädchen, Geflüchtete und Binnenvertriebene sowie Kinder mit Behinderungen, die andernfalls Gefahr laufen würden, durch das Raster zu fallen.

Ohne die entscheidende Unterstützung des ECW und unserer Partner sind die Bildungssysteme in den Ländern, in denen diese Mädchen und Jungen leben, nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihr Recht auf eine sichere, inklusive, gerechte und hochwertige Bildung zu erfüllen.

Dieses Interview wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit bearbeitet und gekürzt. Education Cannot Wait ist ein langjähriger Partner von Global Citizen. Um mehr über die wichtige Arbeit vom ECW zu erfahren, folge @EduCannotWait auf Twitter und TikTok und besuche die Website.

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Ein Beitrag von Camille May