Dr. Edna Adan, 79, war die erste ausgebildete Hebamme in ihrer Heimat, die erste somalische Frau, die sich hinter das Steuer eines Autos gesetzt hat und die erste „First Lady“ der Republik Somaliland. Vier Jahrzehnte, nachdem sie sich als Frau öffentlich gegen weibliche Genitalverstümmelung ausgesprochen hat, kämpft Adan noch immer für Veränderung. Anisa Nur, eine junge Frau aus Somalia, die ihren Freiwilligendienst bei ICS geleistet hat, hält hier fest, was Adan für sie bedeutet.

Eine furchtlose und kompromisslose Aktivistin hat die Macht, jemanden zum Umdenken zu bringen. Edna gehört zu dieser Sorte Frauen.

Edna arbeitet unermüdlich daran, den Menschen in der Republik Somaliland Hoffnung und Heilung zu bringen. Einer Nation, die von Krieg, Armut und Krankheit tief zerrissen ist.

„Für deine Überzeugung einzustehen, ist jedes Opfer wert. Wenn du dafür als Aktivist bezeichnet wirst, nun, dann ist es eine ehrenvolle Sache, ein Aktivist zu sein“, erklärte sie im März während dem Londoner ‘Women of the World’-Festival ihrem Publikum, das ihr förmlich an den Lippen hing. 

Edna ist nicht nur Aktivistin, sondern auch Krankenschwester und Hebamme mit jahrzehntelanger Erfahrung. Dank der Kombination aus medizinischem Wissen und Mitgefühl hat sie einen Lebensvorrat an Geschichten über ihren Kampf gegen FGM (Female Genital Mutilation), dem Kampf gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen.

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Edna Adan Foundation

Edna gehörte noch nie zu denjenigen, die sich mit dem Status, der ihr von außen auferlegt wurde, abgefunden hätte. So hat sie als erstes Mädchen in Somaliland die Schule besucht, war die erste Frau in Somaliland, die Auto fuhr und Somalilands erste qualifizierte Krankenschwester und Hebamme.

In den 1960er Jahren war Edna sogar die einzige ausgebildete Hebamme in ganz Somaliland.

Sie leitete 22 Monate lang unbezahlt eine Entbindungsstation in einem Krankenhaus, bis die Regierung endlich zustimmte, ihr den Lohn zu bezahlen, den sie verdiente. „Wenn du an etwas glaubst, dann machst du so lange weiter, wie es eben nötig ist“, erklärt sie uns eindringlich in einem Interview. „Wenn ich aufgehört hätte zu arbeiten, hätte sich diese Tür für immer verschlossen“.   

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Schon in jungen Jahren wusste Edna, dass sie einmal ein Krankenhaus in ihrem Heimatland aufbauen wollte. 2002 hat sie dieses Ziel dann endlich erreicht. Sie errichtete eine Geburtsklinik auf einem Stück Land, das vorher als Müllhalde benutzt wurde.

Die Republik Somaliland hat weltweit die höchste Rate an Geburtensterblichkeit zu verzeichnen. Jedes siebte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag und die Behandlungs- und Pflegestandards variieren sehr stark. Edna erzählt uns, dass ihr Vater Arzt war und sie oft gesehen hat, dass es ihm an der richtigen Ausstattung mangelte, um seine Patienten angemessen zu behandeln.

Aber es war nicht nur der mangelnde Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung, der Edna frustrierte. Sie war wütend auf die somalische Kultur, weil in dieser die Beschneidung von Mädchen und Frauen noch immer fest verwurzelt war. Die weibliche Genitalverstümmelung hat in ihren Augen nichts mit Kultur oder Tradition zu tun. Es ist ein Verbrechen und das Kind ist das Opfer.

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Edna spricht aus Erfahrung. Mit sieben Jahren wurde sie selbst, gegen den Wunsch ihres Vaters, beschnitten. Ihre Großmutter hatte, wie in den meisten anderen Familien auch, beschlossen, dass der Eingriff stattfinden soll. 

Durch ihren inzwischen mehr als 40-jährigen Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung war Edna die erste, die diese Diskussion in Somalia und Somaliland in den 1970ern anbrachte. Auch wenn man versuchte, sie für ein solches 'Tabuthema' auszuschließen und zu meiden.

In Europa, so sagt Edna, gibt es die Auffassung, dass weibliche Genitalverstümmelung ein Problem sei, dass gar nicht mehr präsent wäre. „Dabei ist die weibliche Genitalverstümmelung längst nicht mehr nur ein afrikanisches Problem“, warnt sie.

Und sie hat recht. Neuen Erkenntnissen zufolge leiden 58.000 Frauen in Deutschland an den Folgen ihrer Genitalverstümmelung. Weitere 13.000 Mädchen sind in Gefahr, ebenfalls eine solche Beschneidung durchleiden zu müssen.

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Edna Adan Foundation

Edna setzt alles daran, der weiblichen Genitalverstümmelung ein Ende zu bereiten. In ihrem Krankenhaus in Hargeisa, der Hauptstadt von Somalialand, hat sie unter anderem eine ganze Universität eingerichtet. Dort bilden die Mitarbeiter Frauen zu Krankenschwestern, Hebammen und Ärztinnen aus und helfen dabei, die Frauen über weibliche Genitalverstümmelung aufzuklären. Bisher wurden dank ihres Projektes mehr als 1.000 professionelle Gesundheitsfachkräfte ausgebildet.

Edna ist ein großes Glück für die Frauen innerhalb und außerhalb Somalilands und sie blicken zu ihr auf. Sie hält keine langen Vorträge, sondern führt stattdessen ein intimes Gespräch mit denen, die sich im Raum befinden. Sie inspiriert, kultiviert und unterrichtet Frauen – sei es mit ihren Händen oder ihren Worten.

Während ich in Ngqeleni, einer kleinen Stadt am Ostkap von Südafrika, einen Freiwilligendienst bei ICS, einem Programm, das von der Regierung ins Leben gerufen wurde, absolvierte, war Ednas Optimismus eine Inspiration für mich. Vor allem, während ich mit jungen Mädchen über die Beschaffenheit ihres Körpers und ihrem Recht, damit schamfrei umzugehen, gesprochen habe.

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Sarah Winfield, Edna Adan Foundation

Als eine somalisch-britische Frau, die aus einer Familie von Frauen stammt, die von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind, kann ich Ednas abwehrende Haltung gegenüber kulturellen Erwartungen nachvollziehen.

Weibliche Genitalverstümmelung ist ein Tabuthema, dass man nur bekämpfen kann, indem wir darüber sprechen und Mädchen eine Möglichkeit geben, ihre Erfahrungen zu teilen.  

Es ist eine Tradition, die von Frau zu Frau weitergegeben wurde. Doch dank der Arbeit von Aktivisten wie Edna, wird das hiermit mit mir und meiner Generation endlich aufhören.

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Gerechtigkeit fordern

Ednas Lebensziel mit 80: Die Beschneidung von Mädchen endlich zu beenden