Erinnert dich Dr. Randall Mindy, der Astrophysiker (Leonardo DiCaprio) in dem neuen Netflix-Film Don't Look Up auch ein bisschen an US-Senator Bernie Sanders? Das hat einen guten Grund: David Sirota, sein ehemaliger Redenschreiber, hat den Film gemeinsam mit dem Regisseur Adam McKay konzeptioniert. 

Das war nicht der einzige Fall, bei dem sich der Film auf das Fachwissen anderer gestützt hat. Die Astronomin Dr. Amy Mainzer, eine führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Kometen- und Asteroidenerkennung und der Planetenverteidigung, hat wissenschaftliche Erkenntnisse über Kometen in den Film einfließen lassen. 

So überraschte es auch nicht wirklich, als die Filmverantwortlichen verrieten, dass Don't Look Up in der Tat eine Allegorie auf unsere Umwelt ist. Immerhin rast ein riesiger Komet (Klimakrise) auf die Erde zu und niemand außer Wissenschaftler*innen scheint sich dafür zu interessieren. 

Und ja, die aufmerksamen Zuschauer*innen werden auch bemerkt haben: es gibt “das letzte Konzert, um die Welt zu retten.” Über diesen gelungenen Seitenhieb auf Teile unserer Arbeit mussten auch wir sehr schmunzeln. Eine clevere Erinnerung an unser oberstes Ziel: sicherstellen, dass es wirklich niemals zu solch einem Konzert kommen wird. ;-)

Schauen wir uns mal an, was sich sonst noch so im Film versteckt hat. Wie weit zieht sich die Klima-Metapher durch den Film? Was stellt er dabei richtig und was falsch dar? Und können wir vielleicht sogar etwas für unsere eigene, reale Situation mitnehmen?

(Bevor du jetzt weiterliest: Warnung, ab hier gibt es einige Spoiler.)

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Reale Fakten zur Klimakrise in Don’t Look Up 

1. Die Wissenschaft ist sowohl in Bezug auf den Kometen als auch auf die Klimakrise eindeutig

Im Film berechnen die Wissenschaftler*innen immer wieder alle Fakten zu dem Kometen – seine Größe, seine Flugbahn, seine Geschwindigkeit – und immer wieder kommen sie zum gleichen düsteren Ergebnis: er wird direkt in die Erde einschlagen.

Genau das Gleiche geschieht schon seit Jahrzehnten bei der Klimakrise: Treibhausgasemissionen, Versauerung der Ozeane, Eisschmelze. Jedes Jahr ist der Konsens derselbe: Die Krise verschärft sich exponentiell.

2. Politiker*innen haben beim Handeln versagt

Obwohl die Bedrohung durch den Kometen offensichtlich ist, spielt die US-Präsidentin Janie Orlean (gespielt von Meryl Streep) das Ausmaß aus wahltaktischen Motiven zunächst herunter und argumentiert, dass man auch in Zukunft Maßnahmen ergreifen könne. Wozu die Eile? Als dieses Manöver nicht den gewünschten Erfolg erzielt, stellt sie sich erst theatralisch an die Spitze der Bewegung, um letztlich doch eine drastische Kehrtwende zu vollziehen und fortan die komplette Existenz des Kometen zu leugnen. Ihre idiologische Haltung wird perfekt zugespitzt in dem Slogan, den sie bei einer politischen Kundgebung prägt: "Don't Look Up" (auf Deutsch: “Nicht nach oben schauen”). 

So erinnert sie sehr stark an einen bestimmten US-Präsidenten, doch auch sehr viele andere Politiker*innen müssten sich dabei ertappt fühlen. Denn sie haben es immer wieder versäumt, die Bedrohung durch die Klimakrise angemessen ernst zu nehmen. Schutzmaßnahmen werden seit über 30 Jahren auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben und ihre Erreichung vielfach verpasst. Zu oft wurde die Existenz dieser Krise gar geleugnet und greifbare Bemühungen zur Abschwächung aktiv behindert. 

3. Die Medien versäumen es, die Öffentlichkeit sinnvoll zu informieren 

Der erste Moment, bei dem Zuschauer*innen merken, dass das hier vielleicht nicht der typische Weltuntergangsfilm mit typischer Handlungskurve wird, ist der erste Auftritt der Protagonist*innen in der fiktiven Nachrichtensendung The Daily Rip. Deren Nachrichtensprecher*innen interessieren sich mehr für die Beziehung von Pop-Sternchen Riley Bina (Ariana Grande) als für den Kometen, der auf die Erde zurast. Wann immer Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) oder Dr. Mindy im weiteren Verlauf des Filmes versuchen, den Kometen und den dringenden Handlungsbedarf zu erklären, werden ihre Worte und Taten in Memes verwandelt und ausgelacht. 

Auch die großen und prestigeträchtigsten Zeitungen scheinen vor allem darauf bedacht, ihre Beziehungen zu den Machthaber*innen aufrechtzuerhalten. Berichterstattungen über den nahenden Kometen werden nicht nach wissenschaftlicher Relevanz priorisiert, sondern nach PR-strategischen Gesichtspunkten. Letztendlich werden dadurch die sozialen Medien zur wichtigsten Plattform für Informationen über den Kometen – oder eben für Fehlinformationen. 

Auch in der realen Welt ist die Medienberichterstattung über die Klimakrise oft minimal und unvollständig im Vergleich zu ihrem tatsächlichen Ausmaß. Während sich Waldbrände verschlimmern, Dürren zunehmen, Stürme extremer werden und die Temperaturen einen Negativrekord nach dem anderen brechen, haben es die etablierten Medien insgesamt weitgehend versäumt, die Öffentlichkeit über das Thema zu informieren und zu beteiligen. Infolgedessen beziehen viele Menschen ihre Informationen und Fehlinformationen aus den sozialen Medien.

4. Unbewährte aber sensationelle Techniken schieben bekannte aber sinnvolle Lösungen in den Hintergrund 

Zunächst sieht es so aus, als könne die Bedrohung durch den Kometen noch rechtzeitig mit einer öffentlichkeitswirksamen Weltraummission neutralisiert werden. Doch dann wird die Operation in letzter Sekunde gestoppt und die fiktive Gesellschaft wie auch die Zuschauenden bleiben zunächst ratlos zurück.

Im weiteren Verlauf erfahren sie, dass nicht etwa eines der vielen diskutierten wissenschaftlichen oder humanitären Szenarien zum Abbruch geführt haben, sondern der Fakt, das Tech-Milliardär Peter Isherwell (Mark Rylance) eine Möglichkeit entdeckt hat, sehr viel Geld mit den Ressourcen des Kometen zu verdienen. 

Diese Wendung erinnert schmerzhaft an derzeitige Situationen, in denen in der politischen Diskussion die vernünftigsten Lösungen (etwa der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und schädlichen Industrien, Investitionen in einen gerechten Übergang) durch unerprobte Technologien (insbesondere Technologien zur Kohlendioxidabscheidung) verdrängt werden, die es ermöglichen sollen, den Status quo möglichst lange aufrechtzuerhalten. Auch, wenn das den Erfolg dringend notwendiger Klimaziele gefährdet oder deutlich drastischere Einschränkungen durch deutlich engere Klimaziele für die Zukunft bedeutet. Da können wir nur mit dem Kopf schütteln.

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Nicht ganz richtige Punkte zur Klimakrise in Don’t Look Up 

1. Die Klimakrise hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab

Das kann man den Filmemacher*innen nicht wirklich vorwerfen, aber es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Klima- und Biodiversitätskrise durch deutlich mehr Faktoren bestimmt wird, als das recht einfache Problem “Komet trifft Erde”. 

Die komplexe Problematik unserer Realität besticht nicht nur durch Vielfalt in den Faktoren, sondern diese müssen zudem gleichzeitig angegangen werden: CO2-Reduktionen, aber sozial verträglich; mehr Strom aus erneuerbaren Energien, aber keine Ausbeutung von Rohstoffen für Speichertechnologien, die zudem beständiger als je zuvor gegen Naturkatastrophen sein müssen sowie die Reduktion von Düngemitteleinsatz, ohne eine zunehmend verschärfende Hungerkrise in Kauf zunehmen. All das muss gemeinsam angegangen werden. 

Nicht zuletzt ist die Klimakrise zum Teil auch auf sehr langfristig zementierte, extreme Machtungleichgewichte in der Welt zurückzuführen. Jede sinnvolle Klimaschutzmaßnahme muss sich daher auch mit Armut, Rassismus und Frauenfeindlichkeit befassen.

2. Es sind nicht nur die Wissenschaftler*innen, die sich mit der Klimakrise auseinandersetzen

Zugegeben, der Film spielt innerhalb von sechs Monaten, im Gegensatz zu den vielen Jahrzehnten, die wir damit verbringen konnten, die Klimakrise zu verstehen. Dennoch scheint der Film zu suggerieren, dass nur Wissenschaftler*innen Maßnahmen zum Klimaschutz fordern. In Wirklichkeit sind auf der ganzen Welt große, von Jugendlichen angeführte Bewegungen entstanden, die einen völlig neuen Status quo fordern, bei dem die Gesundheit der Umwelt im Mittelpunkt steht. 

Wenn du zu den Millionen von Menschen gehörst, denen die Umwelt am Herzen liegt und die etwas dagegen tun wollen, dann gibt es heute mehr Möglichkeiten, sich zu engagieren, als je zuvor. 2022 ist ein entscheidendes Jahr, um dies zu tun!

Die gemeinschaftsorientierte Klima-Aktionskoalition Count Us In hat in Zusammenarbeit mit Netflix und den Macher*innen von Don't Look Up eine neue Plattform und Kampagne ins Leben gerufen, die den Zuschauer*innen hilft, praktische Schritte zur Bewältigung der Krise zu unternehmen.

Aber auch in deinem persönlichen Leben kannst du Veränderungen bewirken. Fordere Freund*innen und Familie dazu auf, sich zu engagieren, trete Gemeinschaftsorganisationen bei und werde auf Plattformen wie Global Citizen aktiv. Schütze die Umwelt und fordere die Staats- und Regierungschef*innen dazu auf, in einen gerechten Übergang zu investieren. 

Global Citizen Life

Umwelt schützen

“Don’t Look Up”: Der Netflix-Film im Fact-Check

Ein Beitrag von Joe McCarthy