Die Getränke sind kaltgestellt. Und am Tag danach herrscht irgendwie Katerstimmung: Einmal im Jahr wird auch der Bundestag dem Ruf der Hauptstadt gerecht und macht die Nacht zum Tag. Im politischen Berlin fiebert man jedes Jahr der langen Novembernacht entgegen, in der vor vier Uhr morgens niemand nach Hause geht. Und das auch dieses Jahr, in dem durchgemachte Nächte eigentlich von Couch und Netflix abgelöst wurden. Der Grund: Es geht um Geld.

Was sich im Bundestag nach dem Highlight des Jahres anfühlt, trägt den ehrlich gesagt ziemlich trockenen Namen “Bereinigungssitzung”. Der abschreckende Name darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass jedes Jahr aufs Neue wieder viel auf dem Spiel steht. Es lohnt sich, einmal genauer hinzuschauen, wieso in dieser Nacht im Bundestag kein Auge zugemacht wird. 

Eine Frage des Geldes 

Grund für die Nachtschicht sind stundenlange Verhandlungen über die Ausgaben der Bundesregierung im nächsten Jahr, auch Haushaltsplan genannt. Und wo immer es um Geld geht, sind Diskussionen vorprogrammiert. Der nächtliche Verhandlungsmarathon steht am Ende eines monatelangen Prozesses. Ein letztes Mal stimmen Vertreter*innen aller Parteien die Einnahmen und Ausgaben der Regierung für das kommende Jahr ab. 

Offiziell verabschiedet wird der Haushaltsplan dann wenige Wochen später vom Bundestag. Der Haushaltsplan 2023 steht und umfasst insgesamt 445,2 Milliarden Euro für die Ausgaben der Bundesregierung im nächsten Jahr. 

Und was hat das jetzt mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun? 

Es geht um die Frage, wofür dieses Geld ausgegeben wird. Arbeit und Soziales, Bildung, Kultur, Sport, Verteidigung und eben auch Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe – die Liste ist lang, das Budget aber auch bei einer Milliardensumme begrenzt. Aufgeteilt wird das Geld zwischen den verschiedenen Ministerien. Dass jedes Ministerium dabei ein möglichst großes Stück vom Kuchen abhaben möchte, ist nur logisch. 

Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist mit von der Partie. Das Versprechen des Bundesregierung, sich für ein Ende extremer Armut einzusetzen, braucht nämlich nicht nur guten Willen, sondern auch die notwendigen finanziellen Mittel. Offiziell hat Deutschland bereits vor 50 Jahren zugesagt, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftskraft zu nutzen, um weltweite Armut zu bekämpfen und humanitäre Hilfe zu leisten. Das hat aber bisher nur in den Jahren 2016, 2020 und 2021 geklappt. 

Ein fatales Signal: Deutschland will die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe um zehn Prozent kürzen

Derzeit sehen die Haushaltsplanungen der Bundesregierung für das kommende Jahr Kürzungen von jeweils zehn Prozent für die Etats des Entwicklungsministeriums und des Auwärtigen Amtes vor. Genauer gesagt, reduzieren sich die Beiträge um zehn Prozent und betreffen besonders multilaterale Organisationen, die globale Zusammenarbeit stärken und humanitäre Hilfe in Notsituationen leisten. Der Grund für die Kürzungen: Das Bundesfinanzministerium rund um Minister Christian Lindner will mit der Schuldenbremse den Erhalt der deutschen Wirtschaft sichern, um das Land nicht noch weiter zu verschulden. Mit der Schuldenbremse verpflichtet sich der Staat dazu, Schulden nur noch bis zu einer bestimmten Höhe zu machen und sie zeitnah zurückzuzahlen.

Basierend darauf wird es 2023 über 22 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe geben. Damit wird Deutschland das Ziel, mindestens 0,7 Prozent seiner Wirtschaftskraft bereitzustellen, zwar voraussichtlich erreichen. Doch 2024 ist geplant, die Mittel auf 10,7 Milliarden Euro und bis 2026 auf 10,4 Milliarden Euro zu reduzieren – ein massiver Unterschied, den multilaterale Organisationen stark zu spüren bekommen werden. 

Es braucht mehr Geld für globale Gerechtigkeit – nicht weniger

Gerade die multilateralen Organisationen sind es, die sich mit den Krisen unserer Zeit beschäftigen und sich mit Maßnahmen und Programmen dafür einsetzen, extreme Armut zu beenden. Die globalen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, der Klimakrise und gewaltsamer Konflikte und Kriege treffen die Menschen am härtesten, die bereits jetzt am stärksten von Armut betroffen sind. Etwa 100 Millionen Menschen wurden durch die Pandemie in extreme Armut getrieben, die Zahl der Hungernden und Mangelernährten nimmt rasant zu. Weltweit stehen 45 Millionen Menschen am Rande des Hungertods. Zudem verschärft der Krieg in der Ukraine die Energie- und Nahrungsmittelpreise, was viele weitere Menschen in die Armut und den Hunger stürzt.

Im Koalitionsvertrag hat die Regierung klar versprochen: Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit muss gestärkt werden. Nun müssen Taten folgen! Bei der Bereinigungssitzung für den Bundeshaushalt am 10. November hat der Haushaltsausschuss die Gelegenheit, die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen zu verhindern. Wir fordern die Haushälter*innen des Bundestags zudem dazu auf, weiterhin 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zu investieren – jedoch ohne dabei die Kosten für Geflüchtete im Inland anzurechnen. Die Unterstützung für Geflüchtete im Inland ist wichtig und richtig, darf aber nicht auf Kosten der globalen Armutsbekämpfung erfolgen. Deutschland muss #GlobalDenken und mehr denn je auf globale Zusammenarbeit setzen.

So wirst du aktiv

Es sind deine Steuergelder, die in die verschiedenen Ministerien und Bereiche fließen. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass du zeigst, was mit dem Geld gemacht werden soll. Fordere die Bundesregierung auf, stärker in widerstandsfähige Ernährungssysteme zu investieren, weiterhin eine Führungsrolle bei globaler Gesundheit einzunehmen, sich verstärkt für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte einzusetzen und die internationale Klimafinanzierung zu verdoppeln.

Nur so können wir das Ende extremer Armut erreichen. 

Advocacy

Armut beenden

Der Bundestag macht die Nacht zum Tag: Denn es geht um viel Geld

Ein Beitrag von Orsina Kather