Anm. der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 28.02.2022 aktualisiert.

Seit 74 Jahren gilt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Und trotzdem erinnern uns jüngste Verstöße gegen Grundrechte wie der Angriff Putins auf die Ukraine, Angriffe auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Folter in verschiedenen Ländern sowie manipulierte Wahlen daran, dass Menschenrechte weiterhin nicht überall selbstverständlich sind. Ob mitten in Europa, in Hongkong, überwiegend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit in Simbabwe, in Afghanistan oder an anderen Orten der Welt – die jüngsten Menschenrechtsverletzungen werfen wichtige Fragen auf, die sich auch in Hinblick auf die Erreichbarkeit der Global Goals stellen.

Der Krieg in der Ukraine muss gestoppt werden

Am 24. Februar um 4:50 Uhr kündigt der russische Präsident Wladimier Putin seine "Militäroperation" an. Wenig später kommt es zu Explosionen un der Nähe von Kiew und anderen Regionen der Ukraine. Russische Truppen überschreiten die Grenze zur Ukraine bei Charkiw, während die Ukraine den Luftraum für zivile Flüge schließt. Auch an der Grenze zu Belarus werden Angriffe russischer Truppen gemeldet. Der UN-Sicherheitsrat und die NATO verurteilen die Angriffe, Bundeskanzler Scholz spricht von einem "eklatanten Bruch des Völkerrechts". 

Als internationale Organisation, die sich für das Ende extremer Armut einsetzt, verurteilen wir die Invasion Russlands aufs Schärfste. 
Die Geschichte lehrt uns, dass kriegerische Konflikte und Armut eng miteinander verbunden sind. Viel mehr Menschen werden in extreme Armut abrutschen, von Gesundheitsversorgung und Bildung abgeschnitten oder sogar zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen. Dieser sinnlose Krieg muss sofort enden. Es gilt, die Zivilbevölkerung zu schützen und humanitären Organisationen in den betroffenen Gebieten sicheren Zugang zu gewährleisten. 

Belarus: Gewalt des Regimes gegen Demonstrant*innen

In den Krieg ist auch Belarus involviert. In der Diktatur gab es in den letzten Jahren immer wieder schwere Verstöße gegen Menschenrechte. Nachdem die Wahlleitung von Belarus 2020 verkündete, dass der seit 26 Jahren amtierte Präsident Alexander Lukaschenko die Präsidentschaftswahl mit 80,2 Prozent gegen die Kandidatin der Opposition, Swetlana Tichanowskaja, gewonnen hatte, zogen große Teile des belarussischen Volkes auf die Straße, um den politischen Machtkampf fortzusetzen. Der Vorwurf der Demonstrant*innen: Wahlfälschung.

Das Regime antwortete auf die Proteste und Ausschreitungen bereits in der Nacht nach der Wahl am 9. August 2020 mit voller Härte: Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer, Tränengas und Blendgranaten ein. Bei den landesweiten Demonstrationen sind Menschen zu Tode gekommen, mehr als 7.000 Menschen wurden willkürlich verhaftet und berichteten anschließend von Folter und Gewalt durch die Staatsmacht. Fotos und Videos von aus der Haft entlassenen Menschen, die die Blessuren von Folter zeigen, gingen um die Welt.

Die EU positionierte sich mittlerweile deutlich und verkündete, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Die Wahl sei weder fair noch frei gewesen, erklärte Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem EU-Sondergipfel gegenüber der Tagesschau und fügte hinzu: "Wir verurteilen die brutale Gewalt gegen Menschen."

#ZimbabweanLivesMatter: Bewegung für Menschenrechte in Simbabwe

Auch Simbabwe hat in Sachen Menschenrechtsverletzungen in den vergangenen Jahren erneut traurige Schlagzeilen gemacht: Korruption, Arbeitslosigkeit, Inflation, Lebensmittelknappheit und nicht zuletzt der Verfall des Gesundheitssystems treiben die Menschen dort auf die Straßen. Die Proteste in dem südafrikanischen Land, das sich in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 10 Jahren befindet, wurden durch die Enthüllungen des Journalisten Hopewell Chin'ono zusätzlich angeheizt: Chin'ono deckte auf, dass sich Gesundheitsminister Obadiah Moyo im Zuge der Beschaffung von COVID-Schutzausrüstung bereichert hat. Der Journalist wurde sogleich verhaftet.

Auf die Demonstrationen, zu denen die Oppositionspartei MDC aufrief, reagierte die Regierung mit einer “Verhaftungswelle”, wie verschiedene Medien berichten. Unabhängige Berichte, unter anderem von Amnesty International, enthüllen nun grobe Menschenrechtsverletzungen wie Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit durch Gewaltandrohung, Entführung und Folter von Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. 

Unter dem Hashtag #ZimbabweanLivesMatter teilen nun tausende Menschen die Bilder von Protesten und Polizeigewalt. Ihre Forderung: Die internationale Gemeinschaft muss die exzessive Gewalt der Regierungsbehörden gegen die friedlichen Proteste ahnden.

In Afghanistan werden Menschenrechte weiterhin verletzt

Auch sechs Monate nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sieht die Situation in dem Land brenzlig aus. Zwar verhalten sich die Taliban nach außen moderater als zu ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001, doch es bestehen weiterhin Zweifel, was das Einhalten von Menschenrechten angeht. Hinzu kommt die Bedrohung einer großen Hungersnot durch Ernteausfälle und einen harten Winter. 

Menschenrechte und die Global Goals

Was haben die jüngsten Ereignisse mit den sogenannten Global Goals, den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (UN), zu tun?

Genau genommen sehr viel: Denn die Global Goals, die 2015 von allen 193 Ländern beschlossen wurden, fußen auf Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen, insbesondere auf der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts sowie auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Die Charta der Vereinten Nationen ist der Gründungsvertrag der UN und wurde direkt nach dem 2. Weltkrieg im Juni 1945 in San Francisco unterschrieben. Dieses Jahr feiert die Charta ihr 77-jähriges Bestehen. Das Ziel der Charta und der Gründung der UN: Nach zwei Weltkriegen Prinzipien festzulegen, die künftige Kriege verhindern und die Zusammenarbeit aller Nationen der Welt vorantreiben. Menschenrechte spielen in der Charta eine elementare Rolle. In Artikel 1, 3. Absatz heißt es:

“Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: [...]eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen.”

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die drei Jahre später, nämlich 1948 in Paris verabschiedet wurde, legt mit ihren 30 Artikeln politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie Bürgerrechte fest: Vom Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz über den Schutz vor Verhaftung und Ausweisung hin zum Verbot von Diskriminierung, Folter und Sklaverei.

In Artikel 1 heißt es: “Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.”

Auch wenn die Erklärung völkerrechtlich nicht bindend ist, hat sie dennoch Einzug in viele nationale Verfassungen gefunden. 

Global Goal 16 “Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen” 

Im Zusammenhang mit den Global Goals stellt sich besonders eine wichtige Frage: Wie soll die nachhaltige Entwicklung der Welt vorangetrieben werden, damit sich Menschen aus extremer Armut befreien, wenn weiterhin in verschiedensten Staaten gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen wird? Es liegt auf der Hand: Ohne demokratische Institutionen und Rechtsstaatlichkeit kann das nicht funktionieren. 

Deswegen kommt dem Global Goal 16 “Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen” eine wichtige Bedeutung zu – denn “Frieden, körperliche Unversehrtheit und Schutz durch ein stabiles Rechtssystem sind unabdingbare Voraussetzungen für nachhaltige Entwicklung und Wohlstand.” Global Goal 16 zielt unter anderem darauf ab, “die Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern und den gleichberechtigten Zugang aller zur Justiz zu gewährleisten” als auch “dafür sorgen, dass die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen bedarfsorientiert, inklusiv, partizipatorisch und repräsentativ ist.”

Gerade jetzt behalten die Global Goals ihre besondere Bedeutung für eine gerechte Welt. Wir dürfen sie nicht vergessen und müssen weiterhin aktiv bleiben, um die Menschenrechte zu bewahren und einzuhalten.

Editorial

Gerechtigkeit fordern

Von Belarus über die Ukraine bis zu Simbabwe: Was Menschenrechtsverletzungen mit den Global Goals zu tun haben

Ein Beitrag von Friederike Meister