Stell dir vor, du existierst offiziell nicht. Also es gibt dich schon, du kannst dich im Spiegel sehen, aber offiziell gibt es keine Geburtsurkunde von dir, keine Aufzeichnungen, keine Dokumente. Weder das Land, die Regierung noch die Stadt hat einen Eintrag darüber, dass du geboren wurdest.
Wie kann das sein, fragt man sich da vielleicht. Irgendwo muss es doch eine Aufzeichnung geben. Haben meine Eltern denn bei meiner Geburt nicht daran gedacht?
Für die meisten von uns klingt das alles sehr unvorstellbar. Für Millionen Mädchen auf der ganzen Welt hingegen ist es harsche Realität.
Die meisten Länder weltweit haben zwar inzwischen Gesetze zur Geburtenregistrierung, trotzdem hat UNICEF im Jahr 2012 festgestellt, dass weltweit von 10 Geburten 4 nicht registriert werden. Das sind bis heute 290 Millionen Kinder rund um den Globus, die schlichtweg nicht gezählt werden. Und leider sind die meisten von ihnen Mädchen in Entwicklungsländern.
Wenn also die Sprache davon ist, Mädchen und Frauen weltweit zu unterstützen, dann sollte dabei ebenfalls berücksichtigt werden, dass sie als solches überhaupt erst mal offiziell in Zahlen erfasst werden müssen. Hier sind 6 Gründe, warum das so schnell wie möglich passieren muss:
1. Mädchen und Frauen sind essentieller Teil der Weltbevölkerung, also sollten sie als solche auch repräsentativ in Zahlen auftauchen
Schätzungsweise jede zwölfte Person auf diesem Planeten ist ein Mädchen bzw. eine junge Frau im Alter zwischen 10 und 24 Jahren. Vor allem in Entwicklungsländern gehören Mädchen und junge Frauen zu der am schnellsten wachsenden Bevölkerung. Es ist daher fast unmöglich, eine gesunde und florierende Gemeinde aufzubauen und entsprechend zu stärken, wenn ein Großteil der Bevölkerung für die Regierung 'unsichtbar', da nicht registriert, ist.
2. Wenn ein Mädchen nicht registriert ist, hat sie kaum Chancen, sich in einer Schule anmelden zu können...
Bevor wir alle eine Schule besuchen konnten, musste ein Erwachsener unsere Geburtsurkunde oder ein offizielles Dokument, das unsere Alter belegt, bei der Schule oder einer zuständigen Behörde vorlegen. Klingt ziemlich simpel, aber was, wenn es keine Belege für eine Geburt gibt? Wenn ein Mädchen nicht als solches registriert und erfasst wird, kann es für sie schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden, eine Schulbildung zu erhalten.
3. Geschweige denn einen Job zu bekommen oder ihr eigenes Unternehmen zu gründen…
Ähnlich wie bei der Anmeldung zur Schule fragt auch ein potentieller Arbeitgeber nach einem Ausweis oder Dokument, das unsere Identität belegt. Ein Mädchen, das nie eine Geburtsurkunde erhalten hat, hat auch keinen Ausweis oder etwa den Anspruch auf Aufstellung eines solchen.
Überflüssig zu erwähnen, dass man in diesem Fall an die Gründung eines eigenen Unternehmens erst gar nicht denken braucht. Ohne Ausweis kein Konto, kein Kredit.
4. Und die Liste geht weiter: kein Recht, wählen gehen zu dürfen, einen Arzttermin zu erhalten oder aber ein eigenes Grundstück zu erwerben
Ok, inzwischen sollte das Prinzip klar sein: wenn ein Mädchen nicht registriert ist, stehen ihm mehr Hürden im Weg, als sie sonst schon zu bewältigen hat. Ohne nachgewiesene Identität in Form eines Dokuments ist letztendlich keine Beteiligung im politischen, wirtschaftlichen und alltäglichen Leben möglich.
5. Ohne Dokumente sind Mädchen angreifbar und gefährlichen Risiken ausgesetzt
Eine Geburtsurkunde ist nicht nur für das tagtägliche Leben essentiell, sondern kann auch einen Schutz vor Zwangsarbeit, Menschenhandel und verfrühter Eheschließung darstellen.
6. Ohne bessere Kontrollen & Datensysteme bleiben diese Probleme für Mädchen und Frauen bestehen
Sicherlich muss das Problem von verschiedenen Seiten angegangen werden, um sicher zu gehen, dass Mädchen auf der ganzen Welt endlich mitgezählt werden.
Zum einen geht es natürlich um die kulturelle Einstellung. In vielen Ländern dieser Welt ist die Geburt einer Tochter bei weitem nicht so viel wert wie die Geburt eines Sohnes. Auch auf staatlicher Ebene muss das Streben nach einer Gleichberechtigung der Geschlechter verankert werden. Ein simples, zuverlässiges und kontrollierbares Datensystem kann zudem den Prozess vereinfachen, Kinder zu registrieren und aufdecken, wie und wo Hindernisse bestehen.
Es sollte klar sein: Mädchen gehören dazu!
Die amerikanische Regierung arbeitet derzeit an einer Gesetzgebung - dem 'Girls Count Act' - die unter anderem vorsieht, Programme zur Geburtenregistrierung und Dokumentationssysteme für Kinder in Entwicklungsländern zu unterstützen.
Damit keine Zeit mehr vergeudet wird, wendet Global Citizen sich an den US Kongress mit der Aufforderung, den 'Girls Count Act' zu unterstützen.