Die Geschichte rund um unsere Nahrungsmittel ist quasi so alt wie die Geschichte der Menschheit. Nahrungsmitteln sichern nicht nur unsere Existenz, sie sind Teil kultureller Zusammenkünfte, Rituale und Zeremonien, sie können Revolutionen auslösen, Kulturen beeinflussen und unser aller Leben beeinflussen. Wenn also das nächste Mal euer Magen knurrt: hier ein 5-Gang Menü über Nahrungsmittel, die den Lauf der Geschichte beeinflusst haben.

1. Felder aus Gold

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In der Stadt aufzuwachsen hat in mir den Gedanken gefestigt, dass ein Bauernhof der Inbegriff von 'in der Natur leben' sein muss: klucksende Hühner, niedliche Ferkel und Ställe gefüllt mit Heuballen. Wie wenig wusste ich damals, dass 'in der Natur leben' bei uns Menschen ganz anders angefangen hat. Denn als die erste große Veränderung in unserem Essverhalten vor ca. 12.000 Jahren stattfand, waren wir noch Nomaden, die vielmehr durch die Natur wanderten statt Heu in Ställe zu stapeln. Erst als die Menschen begannen, sich niederzulassen und beschlossen, Gemüse und Co. anzubauen, begann die Geschichte der Landwirtschaft und Bauernhöfe ihren ersten zarten Schritte zu nehmen.

Überhaupt war die Landwirtschaft an sich in der Lage, mehr Nahrungsmittel zu produzieren als tagtäglich gebraucht wurde, und nachdem die Menschen den Dreh raus hatten, wie man diese Nahrungsmittel lagern kann, kam das Nomadenleben vollends aus der Mode. Feste und Rituale für eine gute Ernte gingen als fester Bestandteil in Religionen ein und Nahrungsmittel wurden als Form der Bezahlung (sogar für Steuern) benutzt. Und Machtverhältnisse innerhalb Gemeinden waren davon abhängig, ob du Landbesitzer oder aber Arbeiter auf eben diesem Land warst. Bis heute entspringen viele Ungerechtigkeiten dem ungleichen Zugang zu Nahrungsmitteln. 

2. Zucker und Gewürze

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So gut all unsere grundlegenden Nahrungsmittel auch sind, es ist ein offenes Geheimnis, dass viele von ihnen ein wenig fad schmecken. Das Streben nach geschmackvollen und aromatischen Gewürzen hat daher sowohl die Geschichte als auch die Welt wie wir sie heute kennen entscheidend mitgeprägt. Mit dem Begehren der Menschheit nach Gewürzen taten sich Handelsrouten auf, ergaben sich Möglichkeiten des kulturellen Austauschs und wurden Gefechte zwischen rivalisierenden Königreichen angeheizt.

Nachdem der portugiesische Entdecker Vasco da Gama seine Segle gen Afrika setze in dem Versuch, das damalige Gewürz-Monopol des osmanischen Reichs (heutige Türkei) zu durchbrechen, setze der gute alte Christoph Columbus ebenfalls zu seinem eigenen Abenteuer in entgegengesetzte Richtung an, in der Hoffnung Indien aus dem Westen aus zu erreichen. Stattdessen landete er an einem Ort, den er nicht erwartet hatte (ihr wisst was jetzt kommt) - die Bahamas. Und während er da so vor sich hin wuselte stellte er fest, dass das heiß feuchte karibische Klima ideal war um des Menschen größten Freund und Feind anzubauen: Zuckerrohr.

Leider war diese Begebenheit der Auslöser für eine der dunkelsten Momente der Menschheit: der atlantische Sklavenhandel. In den darauf folgenden 300 Jahren sollten nahezu 11 Millionen Afrikaner gewaltsam in die 'Neue Welt' verschleppt werden, wo die Hälfte von ihnen auf Zuckerrohplantagen arbeiten mussten. Diese gewaltsam erzwungenen und 'billigen' Arbeitskräfte ließen den Preis für Zucker in Europa sinken, was die Nachfrage steigen ließ, bis es schließlich aus der europäischen Nahrungsmittelkette nicht mehr wegzudenken war und zu seinem Höhepunkt ein Drittel der gesamten europäischen Wirtschaft ausmachte. Bekannt unter dem Namen 'weißes Gold' wurde Zucker zu dem Nahrungsmittel in unserer Geschichte, dem ein 'bitterer' Nachgeschmack beiwohnt.

Und auch wenn diese Ära des Sklavenhandels glücklicherweise hinter uns liegt, so werden Nahrungsmittel wie Kaffee und Kakao heute noch von den Ärmsten der Armen für die Reichsten der Reichen auf unserer Welt angebaut. Um diese Ausbeutung nicht zu unterstützen, kann man sich der Fair Trade Bewegung anschließen, die bemüht sind, all die Unternehmen zu zertifizieren, die sich für gerechte Entlohnungen einsetzen. Die globale Lebensmittelindustrie spielt also eine gewaltige Rolle im Kampf gegen extreme Armut.

3. Kartoffeln, frische Kartoffeln! 

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Dieses bescheidene Nachtschattengewächs kann durchaus zu den Jetsettern unter den Nahrungsmitteln gezählt werden: zuerst in Peru angebaut und verspeist, wurde es höchstwahrscheinlich von den Spaniern in den Rest der Welt hinaus getragen (da ist er wieder, der gute alte Columbus) und lässt sich heute nahezu überall finden, wo es auch ein MC Donalds gibt. Mit mehr Kalorien an Board als Getreide, spielte die Kartoffel vor allem zur Zeit der industriellen Revolution eine entscheidende Rolle, indem die Kartoffel als billige und nahrhafte Quelle für Arbeiter galt, die zudem auch ziemlich unkompliziert in jedem Hinterhof angebaut werden konnte.

Die Knolle löste einen derartigen Wachstumsboom in der damaligen Arbeiterklasse aus und hatte einen derartigen Einfluss auf die industrielle Produktion, dass der Sozialökonom Friedrich Engels die historisch revolutionäre Bedeutung der Kartoffel kurzerhand auf eine Stufe mit Eisen stellte.
Allerdings hatte die baldige Abhängigkeit der Menschen von vor allem einer bestimmten Kartoffelsorte auch seine tragische Schattenseite, als die Kartoffelfäule durch Europa zog und vor allem in Irland im Jahr 1845 zu massiven Ernteausfällen führte. Die damalige Bevölkerung ernährte sich fast ausschließlich von Milch und Kartoffeln, was dazu führte, dass mit Ausbleiben der Kartoffeln fast 12% der gesamten irischen Bevölkerung verhungerte. Diese große irische Hungersnot, im englischsprachigen Raum auch als 'Irish potato famine' bezeichnet, ging als trauriges Beispiel für die Gefahr einer mangelnden Biodiversität zur Gewährleistung von Lebensmittelsicherheit in die Geschichte ein.

Heute, im 21. Jahrhundert, schwindet Biodiversität erneut in rasender Geschwindigkeit unter Tieren und Pflanzen aufgrund des fortschreitenden Klimawandels. Und auch wenn wir unser Ökosystem aus zahlreichen Gründen schützen sollten, ist es wichtig zu wissen, dass mit abnehmender Vielfalt wir mehr und mehr von bestimmten noch vorhandenen Nahrungsmitteln abhängig werden.

4. Fliegendes Essen

Eine bekannte Taktik im Krieg bzw. in Ausnahmezuständen ist es, dem Feind den Zugang zu Nahrungsmittel abzuschneiden. Das bekannteste Beispiel auf deutschem Boden ist sicherlich das Jahr 1948, als Berlin bereits in Ost und West unterteilt war und die sowjetische Besatzung in Ostberlin die Straßen- und Eisenbahnverbindungen hin zur westlichen Besatzungszone schlichtweg sperrte. Dieses Abschneiden ging soweit, dass das zerstörte Westberlin vollends von Belieferungen von außen abhängig wurde.

Was die Regierungen der Westmächte nicht auf sich sitzen ließen. Um Westberlin nicht aufzugeben und die Bevölkerung von ca. 2,2 Millionen Menschen zu versorgen, startete die bekannte 'Berliner Luftbrücke', in der vor allem britische und amerikanische Flugzeuge Nahrungsmittel wie Getreide, Trockenmilch, Kartoffeln und Mehl nach Westberlin einflogen. So entstand auch der Name 'Rosinenbomber' - eine liebevolle Bezeichnung, welche die Berliner diesen Flugzeugen verpasst hatte. Die Berliner Luftbrücke agierte fast 11 Monate lang, bis die Sowjetunion beschloss, die Land- und Wasserwege wieder freizugeben.

In heutigen Kriegsgebieten rund um die Welt kommt es immer wieder zu Vorfällen, in denen ganze Gemeinden dem Hungertod nahe sind, da die bewaffneten Konflikte um sie herum alle Lieferungen und Zugänge zu Lebensmittel nahezu unmöglich machen. Mutige und großartige Menschen aus Organisationen wie dem Roten Kreuz oder aber dem World Food Programm geben ihr Bestes, um dringend benötigte Lebensmittel in diese schwer umkämpfen Gebiete zu transportieren.

5. Happy Meals

Image: TheLukaz

Und so kurios es auch anmuten mag - man kann nicht über die Geschichte unserer Nahrungsmittel sprechen, ohne über MC Donald zu sprechen. 1945 eröffnete das erste MC Donald Restaurant in San Bernardino (Kalifornien) seine Türen - und inzwischen hat MC Donald es, pro Tag weltweit 68 Millionen Menschen in seine Filialen zu locken (68 Millionen, das entspricht über  80% der gesamten deutschen Bevölkerung!!). Und seitdem hat MC Donald bzw. Fast Food einen entscheidenden Einfluss auf die weltweite Gesundheit genommen.

Heute zählt in etwa jeder dritte Erwachsene als übergewichtig und vor allem in den vergangenen 30 Jahren hat die Welt ein erschreckendes Paradoxon erlebt: laut Statistik hat sich die Zahl der übergewichtigen Menschen in Entwicklungsländern seit 1980 nahezu vervierfacht (ODI), obwohl die überwiegende Zahl dieser Menschen weiterhin als arm gilt. Unternehmen wir MC Donalds und KFC sind vor allem in Ländern wie Kenia und Honduras (von diesen Unternehmen als 'Entwicklungsmärkte' bezeichnet) aus dem Boden geschossen.

Und auch wenn die überwiegende Bevölkerung sich diese Restaurant-Ketten nicht leisten kann, so transformieren lokale Anbieter diese begehrten Vorbilder in billige und wenig nahrhafte Versionen, und verkaufen diese vor allem in solchen Gegenden, in denen die Menschen auf engstem Raum nicht mal eine funktionierende Kochstelle zur Verfügung stehen haben. In einigen afrikanischen Städten ist diese Entwicklung soweit vorangeschritten, dass inzwischen 70% der täglichen Nahrungszufuhr der Menschen vor Ort von solch billigen Straßenimbissen bezogen wird. Ich meine, bloß keine falsche Vorstellung: mit Straßenimbiss mein ich nicht die trendigen Falafel-Trucks, die es bei uns an jeder Ecke gibt, sondern vielmehr unkontrollierte Verkäufer, die billige Ware, in gesundheitsschädlichen Öl und unterunhygienischen Umständen gebraten, an diejenigen Menschen verkaufen, die sich nichts anderes leisten können. Schon gar nicht frische Lebensmittel, die sie selbst zubereiten.


Was wir essen verändert also nicht nur uns, sondern auch unsere Geschichte - und die Geschichte des Essens hat gezeigt, dass beides eng mit Entwicklung als auch mit sozialer Ungerechtigkeit zusammen hängt.

Dieses Jahr haben Global Citizens auf der ganzen Welt die Möglichkeit, den Lauf der Geschichte ebenfalls maßgeblich mitzubestimmen. Im Juni dieses Jahres haben die Staats- und Regierungschefs des G7 Gipfels gemeinsam beschlossen, 500 Millionen Menschen von Hunger und Mangelernährung zu befreien. Jetzt liegt es an uns, diese sieben Länder in einem nächsten Schritt dazu aufzufordern, dieses Ziel auch auf finanziell sichere Füße zu stellen! Wir lassen nicht lockern und geben unser Bestes, dass dieses Ziel in den nächsten kommenden 15 Jahren auch ernsthaft erreicht wird! Wenn du dich ebenfalls engagieren möchtest, dann hier an unserer Twitter Aktion teil!

Editorial

Armut beenden

5 Momente, in denen Nahrungsmittel den Lauf der Geschichte verändert haben

Ein Beitrag von Yosola Olorunshola