Wir alle kennen diese Bilder: Touristen in Tennissocken und Hawaiihemd, Kamera um den Hals und Nase im Reiseführer. Sie bevölkern den Louvre oder drängeln sich zuhauf über die Chinesische Mauer. Wir alle kennen sie. Wir alle sind nicht unbedingt immer freundlich auf sie zu sprechen. Und doch warst du vielleicht auch mal einer von ihnen...so wie ich (ja, ich gestehe). 

Nun gut, auch ich lerne dazu (zum Glück) und gebe offen zu: es ist nie zu spät, die eigenen Augen zu öffnen und das eigene Verhalten zu überdenken. Und auch wenn meine kommenden zwölf Klischees in Bezug auf das Reisen im Allgemeinen angesehen werden können, gelten sie doch vor allem für das Reisen in Entwicklungsländer. Denn hier konnte ich persönlich feststellen, dass immer noch viel zu viele Leuten solche Klischees bedienen. Dabei sind solche Dinge mit ein bisschen Umsicht und einer 'echten' weltoffenen Einstellung (ihr wärt überrascht wenn ihr wüsstet, wie viele Menschen der Meinung sind, sie seien weltoffen...und es nicht sind) einfach zu vermeiden. 

Also, Gute Reise - und Leute, lasst die Brusttasche für's unterm T-Shirt zu Hause.

1. Geh nicht einfach davon aus, dass jeder Englisch oder Deutsch spricht

Buzzfeed

Okay, vielen ist das wahrscheinlich klar. Und auch wenn Englisch die dritthäufigste gesprochene Sprache weltweit ist, spricht die große Mehrheit der Menschen auf unserem Planeten nicht automatisch flüssiges Englisch. Außerdem ist der Spaß am Reisen doch gerade das Erleben neuer Kulturen, und dazu sollten auch die über 6.000 Sprachen zählen die weltweit gesprochen werden. Da muss einem also auch nichts peinlich sein wenn man mal in eine Situation gerät, in der du vor lauter Fremdsprachen nur noch Bahnhof verstehst! Einfach entspannen und lächeln, glaub mir.  

2. Ganz einfach: sei nicht dumm 

The Vegetarian Baker

Erinnerst du dich an Karen Smith aus der Filmkomödie „Girls Club – Vorsicht bissig!“? Kurzum: mutier nicht zu einer Karen Smith.
Auch wenn der Film eine Parodie ist legt er doch auf peinliche Weise offen, wie Afrika in den westlichen Medien häufig dargestellt wird. Es ist schlichtweg falsch anzunehmen, dass jeder Mensch in Afrika eine dunkle Hautfarbe hat (einige Südafrikaner zum Beispiel haben europäische Vorfahren ), oder dass alle „Latinos“ aus Spanien stammen (viele Argentinier sind Nachfahren deutscher oder italienischer Immigranten). Man sollte sich immer vor Augen halten, dass nichts so 'simpel' ist wie es im Fernsehen und in Filmen immer den Anschein hat.

3. Nicht JEDER ist arm 

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Eines vorweg: Einige der reichsten Menschen der Welt kommen aus Entwicklungsländern. Carlos Slim zum Beispiel, mexikanischer Unternehmer aus der Telekommunikationsbranche, verfügt laut dem Forbes Magazin über ein Vermögen in Höhe von 72 Milliarden US-Dollar. Nur Bill Gates hat mehr Geld.
Es entspricht zwar der Tatsache, dass sehr viele Menschen in Entwicklungsländern in Armut leben, es gibt aber durchaus auch einige wohlhabende Menschen bzw. solche, die ein komfortables Leben in der Mittelschicht führen. Tatsächlich wird heutzutage ein Drittel der afrikanischen Bevölkerung, drei Viertel der Bevölkerung Lateinamerikas und fast 50 % der chinesischen Bevölkerung zur Mittelschicht gezählt. Viele Menschen denen du in Entwicklungsländern begegnest haben also weitaus mehr mit der Mittelschicht in westlichen Ländern gemeinsam als du vielleicht vermutest.

4. Nein, Reisen in Entwicklungsländern ist nicht gefährlicher als anderswo

Giphy

Bestimmt musste der ein oder andere unter euch der bereits an einen eher 'exotischen' Ort gereist ist, sich schon mal von seinen Freunden oder Bekannten die Frage anhören: 'Warum gehst du denn DA hin?' oder 'Ist das nicht gefährlich?'.
Also. Nur weil ein Land als arm eingestuft wird heißt das noch lange nicht, dass jeder Besucher beim Verlassen des örtlichen Flughafens direkt ausgeraubt oder entführt wird. Tatsache ist, dass viele Entwicklungsländer sogar als sicherer gelten als die USA, wo die Mordrate mit 4,8 Morden pro 100.000 Einwohner höher ist als zum Beispiel in Usbekistan (3,7), Martinique (4,2), Niger (3,8) oder Dschibuti (3,4), um hier mal nur Einige zu nennen.
Mach dich einfach vor deiner Abreise schlau, erkundige dich um welche Gegenden du besser einen Bogen machst und respektiere die örtlichen Gepflogenheiten. Dann wirst du bestens klarkommen.

5. Glaub nicht, Entwicklungsländer hätten nichts zu bieten! 

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Es gibt weltweit 981 UNESCO-Welterbestätten, die von den Vereinten Nationen aufgrund ihrer „besonderen kulturellen und/oder natürlichen Bedeutung“ geschützt werden. Die Liste an Welterbestätten reicht von der Freiheitsstatue bis zur Gebirgseisenbahn in Indien. Und 508 dieser Stätten befinden sich außerhalb der USA und Europa - heißt also dass die Mehrheit krönender Errungenschaften menschlicher Zivilisation und Kultur nicht in der westlichen Welt schlummern, sondern in Schwellen- und Entwicklungsländern liegen. Ein Urlaub in Paris ist nett, keine Frage, aber wenn du nur in Nordamerika und Westeuropa nach Reisezielen suchst entgehen dir einige der wertvollsten Schätze aus der Geschichte der Menschheit. Hier einige Beispiele:

Die Zitadelle La Ferrière in Haiti

Wikipedia Commons

Die Salztonebene Salar de Uyuni in Bolivien

Wikipedia Commons

Angkor Wat in Kambodscha

Wikipedia

6. Benimm dich bitte nicht wie der Typ hier 

Wikipedia

Ernsthaft, führ dich bitte nicht wie der Typ auf dem Foto auf. Mal für ein Foto so zu tun als ob man sich am schiefen Turm von Pisa abstützt mag ja noch ganz harmlos sein, aber es wird ganz eindeutig die Grenze überschritten wenn kulturelle Wahrzeichen entweiht oder man Kulturen gegenüber respektlos  begegnet. Keiner, wirklich keiner mit auch nur einem Funken Verstand will so enden wie die Touristen, die den 3.500 Jahre alten Tempel von Luxor in Ägypten mit Graffiti beschmierten oder die „coolen“ Touristen, die auf Wahrzeichen wie den Kölner Dom oder die Cheops-Pyramide von Gizeh kletterten.
Hast du noch die Bilder der Welterbestätten unter Punkt 4 im Kopf? Inzwischen haben die Vereinten Nationen 44 davon als „gefährdete Stätten“ gelistet, die aus natürlichen Gründen aber auch durch menschliches Handeln bedroht sind. Also sei klug, zeige Respekt und nimm Hinweise der Einheimischen entgegen, was angebracht ist und was nicht.

7. Denk nicht, dass dein ganzes Geld nur in korrupte Regierungen fließt 

Pixabay: Simon

Ja, Korruption ist zweifelsohne ein Problem in nahezu allen Entwicklungsländern, aber es ist wichtig dieses Problem auch im weiteren Kontext zu sehen. Wenn du als Tourist mit deinem Geld kleine Geschäftsleute vor Ort unterstützt, kannst du dazu beitragen dass diese ihre Familien ernähren können. Auch wenn ein Teil von deinem Geld letztendlich in den Taschen von zwielichtigen Gestalten landen mag, ist es trotzdem falsch zu denken, dass du damit nicht der Bevölkerung vor Ort geholfen hast. Außerdem darf man sich auch ruhig mal vor Augen führen, dass es auch in den Industrieländern korrupte Menschen gibt. Frankreich zum Beispiel, das am häufigsten besuchte Land der Welt, sucht man vergeblich auf der Liste der 20 Ländern mit der geringsten Korruption weltweit. 

8. Unterstütze die lokale Wirtschaft

Zwar sollte man es möglichst vermeiden Menschen auf der Straße Geld zu geben, lokale Geschäfte vor Ort zu unterstützen ist dagegen ein wichtiger Bestandteil nachhaltigen Reisens. Um zu vermeiden dass dein Geld in den 'falschen', sprich in korrupte Händen landet, ist es immer eine gut Idee Angebote der lokalen Wirtschaft direkt zu nutzen. Außerdem unterstützt du damit deine Gastgeber auf wesentlich würdigere Art und Weise. Also Finger weg von McDonalds! Probier' die Landesküche aus und lass dich von lokalen Delikatessen verführen, dann hast du hinterher auch mehr zu erzählen. 

9. Werde zum gewieften Feilscher 

Reaction Gifs

Märkte zählen zu den wundervollsten Orten die man auf seinen Reisen erleben kann. Die schier unendliche Fülle an lokalen Lebensmitteln und Kunsthandwerke die du dort finden kannst, sucht oft ihresgleichen. Und das Feilschen ist oftmals ein fester Bestandteil des regen Treibens auf solchen Märkten. Wenn du mit dem feilschen nicht ganz so vertraut bist, kann es mitunter mal sehr schnell sehr unangenehm werden. Aber keine Panik, hier sind einige simple und doch effektive Dinge die du beachten solltest: Verhandle erst wenn du weißt, wie viel genau du bereit bist zu zahlen. Natürlich kannst du auch nein sagen wenn dir ein Preis nicht passt, aber bewahre dabei stets Haltung, lächle, bedank dich freundlich und geh entspannt weiter. Der schlimmste Fehler den du bei einem hartnäckigen Händler machen kannst ist wütend zu werden. Behalte im Hinterkopf: der Händler will in der Regel nur ein kleines Extra für seine Familie verdienen.

Der Große Basar in Istanbul, Türkei

Wikipedia

10. Bleib gelassen, auch wenn  du vermeintlich 'abgezockt' wurdest 

Viewology

Erkenne den Unterschied zwischen „wirklich abgezockt werden“ und einfach einen etwas "höheren Preis" zahlen. Als Tourist zahlt man meist einfach mehr als die Einheimischen. Das ist einfach so. Fertig. Behalte das im Hinterkopf und wäge das beim feilschen ab. Meistens profitierst du eh vom Wechselkurs und die paar Euro die du für das Souvenir für deine Mutter mehr bezahlt hast, sind in den meisten Fällen für den Verkäufer weit mehr von Bedeutung als für dich.

11. Sei bei der Art der Beförderung nicht immer all zu anspruchsvoll

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Geduld ist das Zauberwort bei Reisen in Entwicklungsländern. Versuch deine Panik im Zaum zu halten wenn der Taxifahrer zwanzig Leute in einen Minibus lädt, der bei dir zu Hause vielleicht maximal sechs Personen hätte aufnehmen dürften. Es gibt Entwicklungsländer in denen in manchen Gegenden asphaltierte Straßen und Brücken durchaus eine Seltenheit sind, aber wie immer gilt auch hier: es kann anders kommen als man denkt. In manchen Entwicklungsländern erwartet dich mitunter eine bessere Straßeninfrastruktur als in so manchem Industriestaat. In Marokko beispielsweise sind über 70 % der Straßen asphaltiert, in Neuseeland hingegen nur 66 %. Was du an Luxus bei der Beförderung einbüßt, machst du an neuen Bekanntschaften (mit denen du dir vielleicht mal eine viel zu kleine Rückbank teilst) und lustiger Unterhaltung doppelt und dreifach wieder wett. Und nicht vergessen: immer schön lächeln und den Humor nicht verlieren. 

12. Erliege nicht dem „Armutstourismus“

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Wenn dein Motiv in Entwicklungsländer zu reisen darin besteht, „Zeuge“ der Misere anderer zu sein, solltest du deine Reise nochmal überdenken. Wir hören all zu oft vom „Armutstourismus“ oder von Leuten mit Reiseabsichten in Entwicklungsländer die sehen wollen, in welcher Not „die Aanderen“ tatsächlich leben.
Menschen sind keine Zootiere die man einfach so fotografieren kann! Und was manche nur als eine Bretterbude ansehen, kann in Wirklichkeit das Zuhause einer Familie sein. Also, konzentrier dich auf die Kultur, genieße die Begegnung mit anderen Menschen und probiere einheimische Speisen.

Und um diesen Artikel mit eines unserer Lieblingszitate zu schließen:  
Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.
In diesem Sinne: gute Reise! 

Editorial

Gerechtigkeit fordern

12 wertvolle Tipps, wie man in Entwicklungsländern unterwegs sein sollte

Ein Beitrag von Ryan Bacci